Amazon erstickt an sich selbst, konstatierte kürzlich Holger Schneider auf etailment. „Amazon hat ein Qualitätsproblem und damit zunehmend auch ein Akzeptanzproblem“, legte Jochen Krisch in unserer Branchenrundschau zum Thema „Amazondämmerung“ nach. „Amazon opfert sicherlich nicht absichtlich die User Experience zu Gunsten eines riesigen Sortiments, aber man sieht hier gut ,dass auch Amazons technische Möglichkeiten irgendwann limitiert sind“, setzte Alexander Graf noch einen drauf. Klaus Forsthofer, Co-Gründer des Amazon-Sellers ACE Deutschland und der Beratungsagentur MarktPlatz1, kann die Kritik nicht nachvollziehen. Er nennt acht Amazon-Maßnahmen, die seiner Ansicht nach zeigen, dass Verkäufer auf dem größten Marktplatz der Welt weiterhin gut aufgehoben sind.
Es gab wohl bisher kein Jahr, in dem so viele Branchenmedien so oft den Abgesang auf den Marktplatz Amazon angestimmt wurde wurden wie 2019. Die Kritikpunkte der E-Commerce-Cassandras: Das Sortiment auf Amazon ist zu breit, es ranken zu viele nicht verkehrsfähige oder gefakte Produkte, zu viele gefälschte Produktbewertungen verderben das Nutzererlebnis. Diese Vorwürfe sind nicht neu und, das wissen wir als aktiver Amazon-Seller aus erster Hand, sie sind in Teilen auch berechtigt. Allerdings ist die daraus gezogene Schlussfolgerung – nämlich dass Amazon in seinen eigenen Problemen ersticke und keine Lösungen entwickle – schlichtweg falsch. Amazon ist sich der Probleme, die aus der riesenhaften und stetig wachsenden Größe des Marktplatzes entstehen, durchaus bewusst – und geht dagegen vor. Das konnten aufmerksame Beobachter besonders 2019 immer wieder feststellen.
Beispiel 1: Task-Force ehrliche Produktrezensionen in Deutschland – VINE, Early Reviewer Program, Sternebewertungen & Rezensionenanfordern
2019 war medial wohl kein leichtes Jahr für Amazon-Mitarbeiter die mit Produktrezension befasst sind. Zum Höhepunkt der Diskussionen im April konnte man aufgrund der ausführlichen Berichterstattung in den Fachmedien noch den Eindruck bekommen, Amazon sei das Thema gekaufte Produktbewertungen & Bewertungsmanagementagenturen komplett entglitten. Doch im 4. Quartal sehen wir jetzt ein Bündel an Maßnahmen, die effektiv gegen gekaufte Bewertungen wirken werden und den Missbrauch schwieriger, riskanter und teurer machen. Besonders freut mich hier das amazon.de eine der ersten Amazonplattformen sein wird, die den Produkttesterclub Amazon VINE allen Verkäufern zur Verfügung stellen wird. Flankiert wird VINE von einem Algorithmus, der Bewertungsmissbrauch besser erkennt. Auch durch das Early Reviewer Program (in US/UK gestartet), das neue Feature „Produktbewertung anfordern“ und die Sternebewertungen ohne Produktrezension, was die Bewertungshäufigkeit an sich steigern dürfte, wird das Thema echte und wertvolle Bewertungen vorangetrieben.
Beispiel 2: Evolution in der Verkäuferperformance – Seller Health
Die „Amazon-Polizei“, die nicht bei jedem Verkäufer Liebesgefühle auslösen dürfte, ist viel detaillierter und sensibler geworden. Auf der einen Seite kann Amazon aufgrund der zahlreich gemessenen KPI`s immer klarer Missstände erkennen, auf der anderen Seite wird auch proaktiv mit den Verkäufern gesprochen, bevor Maßnahmen wie eine Accountsperre umgesetzt werden. Wir sehen aktuell viel häufiger, dass Maßnahmenpläne eingefordert werden, während das Konto aber bis zur Klärung des Sachverhalts live bleibt. Der Prozess wird von Amazon-Mitarbeitern telefonisch begleitet. Das hilft, das Gefühl der Ohnmacht bei einer Kontosperrung zu reduzieren und den Schaden für Verkäufer und Amazon kleiner zu halten. Dazu wurde die Abteilung passenderweise in „Seller Health“ umbenannt, was vermutlich auch dem Anspruch geschuldet ist, nun auch stärker an der Unversehrtheit der Verkäufer interessiert zu sein.

Beispiel 3: Der neue Lagerbestandsindex für Amazon Seller

Ein bisher medial wenig beachtetes Feature zeigt, dass Amazon weit mehr an nachhaltigen Geschäftsmodellen der Verkäufer gelegen sein dürfte, als oft angenommen. Das Tool zur Optimierung des eigenen FBA-Lagerbestands zeigt auf, mit welchen Maßnahmen Verkäufer tatsächliche FBA-Lagereinsparungen und Effizienzsteigerungen anhand logistischer KPIs wie Durchverkaufsrate, Lagerabdeckung & Überbestandmanagement erreichen können. Damit setzt hier klar auf Transparenz und gibt den Verkäufern gelungene Tools an die Hand, um Amazon-Gebühren zu optimieren und damit das Verkäufer-Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten.
Beispiel 4: Mehr Steuerehrlichkeit & Wettbewerbsgleichheit
Dass am deutschen Marktplatz seit Oktober 2019 kein Verkäufer mehr ohne deutsche Umsatzsteuernummer verkauft, ist zwar nicht Amazon selbst geschuldet, sondern einem Gesetz der deutschen Bundesregierung. Das ändert aber nichts an der Tatsache das amazon.de in 2019 ein besserer Ort für Chancengleichheit zwischen den Verkäufern hinsichtlich Umsatzsteuer geworden ist.
Beispiel 5: Das Ende von Produktfälschungen & Grauimporten – Das Transparency Programm
Mit dem Transparency-Progamm stellt Amazon einen Service zu Verfügung, der insbesondere für Marken interessant sein dürfte. Einmalige Produktcodes werden als QR-Code am Produkt angebracht, um das Produkt in der SupplyChain als echt zu identifizieren. Kein Lager, Transporteur oder Kunde soll mehr Produkte annehmen, die nicht über so einen Code als echt verifiziert werden können. Damit gibt Amazon Markeninhabern und starke Waffe in die Hand, um sich vor illegalen Produktkopien bzw. nicht legalen Importen zu schützen.
