Eigentlich ist das Thema Preisparität auf Amazon schon längst keines mehr: Auf Druck des Bundeskartellamts strich der Online-Marktplatz bereits Ende 2013 sämtliche Klauseln aus seinen AGB, mit denen Händler dazu verpflichtet wurden, ihre Waren auf Amazon im Vergleich zu anderen Verkaufskanälen am günstigsten anzubieten. Nach langem Ringen mit den US-Kartellbehörden flog die Klausel in diesem April endlich auch aus den US-amerikanischen Händler-Statuten. Also alles gut? Allen Versprechen gegenüber den Kartellämtern gestaltet sich der Händler-Alltag auf Amazon leider weiterhin ganz anders. Tatsächlich besteht Amazon offenbar weiterhin auf die günstigsten Preise – setzt für die Durchsetzung dieses Anspruchs allerdings auf subtilere, aber ebenso effektive Methoden.
Ein Bericht von Bloomberg.com ließ letzte Woche die Branche aufhorchen: Das Nachrichtenportal berichtete über mehrere E-Mails, in denen Amazon.com seine Händler darauf aufmerksam machte, dass ihre Artikel auf Konkurrenzplattformen, beispielsweise bei Walmart.com günstiger zu haben seien. Dass der Preis auf Amazon.com „nicht dem Marktpreis“ entspräche, würde sich negativ auf die Verkaufszahlen auswirken; eine Prophezeiung, die sich meist umgehend erfüllt, da Amazon das fragliche Angebot des Händlers in der Regel aus der Buybox nimmt.
Das offensichtliche, aber seitens des Marktplatzes unausgesprochene Ziel der Maßnahme: Der Händler soll seine Preise anpassen – und entweder auf Amazon.com günstiger oder auf dem Konkurrenzkanal teurer verkaufen. Meistens, so der Bloomberg-Bericht, reagierten die betroffenen Händler, indem sie die Preise auf andere Verkaufskanälen anhoben, um mit dem Amazon-Angebot im Marktvergleich günstig genug für die Rückeroberung der Buy Box zu sein.
In den USA, wo die Amazon-Händler bis zum April dieses Jahres darauf warten mussten, dass die US-Kartellbehörden der Paritätsklausel in den Amazon-AGB endlich ein Ende setzten, stößt der Bericht auf große Aufregung; in Deutschland hingegen, wo die Preisparität dem Namen nach schon 2013 dem Namen nach beseitigt wurde, ist das Verhalten des Marktplatzes in dieser Frage längst lästiger Alltag.
„Wir haben bei hunderten Artikeln die Buy Box verloren, weil in Google Shopping das Produkt ohne Versandkosten als Basis genommen wird, Amazon mich aber zwingen will inkl Versand billiger zu sein als bei Google Shopping ohne Versandkosten“, berichtet ein Händler in Facebook-Gruppe „Amazon Seller und Vendor“.
Ähnliche Fälle sind auch aus dem Vendoren-Bereich bekannt: So verlieren beispielsweise Markenhersteller die Buy Box an ihrem Produkt, obwohl sie auf Amazon der einzige Anbieter waren. Der Grund: Ein Handelspartner verkaufte das gleiche Produkt anderswo im Netz günstiger als die Marke auf Amazon.
Um die Buybox – und damit die auf Amazon mit Abstand beste Verkaufsposition – wieder zu erlangen, müssen die Marken also ihre Preise auf Amazon senken oder den Handelspartner dazu bewegen, seine Preise im Netz zu erhöhen. Das gleiche gilt für Händler, die die gefürchtete „Sie sind zu teuer“-E-Mail von Amazon bekommen: Auch sie können nur auf Amazon billiger oder anderswo teurer werden – oder auf ihre Amazon-Umsätze weitgehend verzichten.
Pikant: In der E-Mail von Amazon werden keinerlei Preisanpassungen empfohlen – kein Wunder, schließlich wäre in diesem Fall der Schriftverkehr eine direkte Einladung an das Kartellamt, sich erneut mit dem Online-Marktplatz zu beschäftigen. Stattdessen weist Amazon nur darauf hin, dass sich die Verkaufssituation durch den marktunüblichen Preis verschlechtert hat und wirft den Händler aus der Buybox. Alles andere erledigt der Händler – zähneknirschend, aber letztlich doch überwiegend gehorsam selbst. Zu groß ist die Angst vor Umsatzeinbrüchen.
Von Amazon perlt die Kritik in üblich-routinierter Manier ab: “Unsere Verkäufer haben die volle Kontrolle über ihre eigenen Preise auf und abseits von Amazon, und wir helfen ihnen dabei ihre Umsätze in unserem Shop zu steigern, in dem wir ihnen Daten zur Verfügung stellen“, sagte eine Amazon-Sprecherin gegenüber Bloomberg.com.
Denn das erfolgreichste Preisdiktat ist schließlich das, welches sich die Händler selbst setzen.