Teleshopping ist nicht nur für große Marken ein geeigneter Absatzkanal. Gerade Private Label-Anbieter, die innovative Alltagshelfer vertreiben, können von einer Präsenz in den Programmen von HSE24, QVC und anderen sehr profitieren. Allerdings muss das Produkt passen – und der Händler gut auf den Kundenansturm vorbereitet sein.
„Hallo zu der neuen Ausgabe von ‚Lamps Plus'“ – so begrüßte die US-amerikanische Innen-Ausstatterin Jennifer Farrell am „Prime Day“ Amazon-Kunden, die auf die neue Unterseite Amazon.com/live geklickt hatten. Innerhalb von 10 Minuten stellte die Moderatorin des neuen Teleshopping-Formats neun verschiedene Lampenmodelle des Herstellers 360 Lighting vor, die an Amazons Schnäppchentag für Prime-Kunden zu reduzierten Preisen angeboten wurden. Farrell war nur eine von vielen professionellen Tele-Verkäuferinnnen, die den diesjährigen Prime Day in den USA auch zu einem Teleshopping-Event machten. Geadelt wurde die Domain Amazon.com/Live, die im Februar dieses Jahres startete, zusätzlich mit der Präsenz von Weltstar Lady Gaga, die mit einem 25-minütigen Livestream ihre exklusiv für Amazon entwickelte Kosmetik-Serie Haus Laboratories vorstellte. Das hochkarätige Aufgebot zeigt: Amazon nimmt – zumindest in den USA – den Absatzkanal Teleshopping mehr als ernst. Und damit ist der Marktplatz in der E-Commerce-Branche nicht allein.
Auch unter deutschen Online-Händlern wird Teleshopping immer beliebter
In den stundenlangen Shopping-Programmen, die in Deutschland unter anderem auf QVC, HSE24 oder 1-2-3.tv laufen, finden sich immer häufiger auch Eigenmarken von großen und kleineren Online-Händlern. Kein Wunder, meint der Online-Händler und E-Commerce-Berater Marvin Stammel, der mit seinem Unternehmen apiando Home & Living und mit verschiedenen Beratungskunden gerne Teleshopping als Absatzkanal nutzt.
„Wenn man Teleshopping richtig nutzt, dann kann das ein enormer Absatzhebel sein“, so der Unternehmer. „Davon können auch Private-Label-Händler sehr profitieren.“
Tatsächlich ist der Einstieg ins Teleshopping gar nicht so kompliziert: Händler können sich bei den Sendern mit einem bestimmten Produkt bewerben; besteht der Artikel im Casting, können die Händler rund 20- bis 30-minütige Slots an Sendezeit kaufen. „20 bis 30 Minuten Sendung müssen natürlich gefüllt werden“, mahnt Stammel. „Dafür eignen sich besonders Produkte, die man gut vorführen kann, die bestimmte Probleme lösen oder den Alltag auf innovative Art erleichtern. Solche Produkte kann visuell gut erklären – und je mehr USPs ein Produkt hat, desto leichter tut sich der Moderator bei der Präsentation.“
Apropos Moderator: Der Verkaufserfolg auf einem Teleshopping-Sender steht und fällt mit der Verkaufskompetenz der Moderatoren – und die ist wiederum zu einem Gutteil vom Briefing der Hersteller abhängig. „Online-Händler, die auf Teleshopping-Kanälen verkaufen wollen, sollten sich vorher ein Konzept schreiben: Was will ich verkaufen, was sind die besten Verkaufsargumente, welche dieser Argumente können visuell und ausführlich präsentiert werden?“, rät Stammel. „Nach diesem Konzept kann dann die Schulung des Moderators erfolgen.“ Die etablierten Sender können bei der Gestaltung der Verkaufsshow helfen; und da der Sender in der Regel eine Provision an den Verkäufen bekommt, fällt die erste Beratung meist recht hilfreich aus.
Bevor die Sendung startet, muss der Händler zudem auf den Ansturm an Kunden vorbereitet sein – denn bei vielen Sendern müssen die Lieferanten die Lieferung hoher Stückzahlen in kurzen Zeitfenstern zusagen. „Das bedeutet für den Lieferanten: Vor der Sendung wird eine Menge Kapital in Waren gebunden“, warnt Stammel. „Das ist gerade für Handelsanfänger oft schwierig zu stemmen.“ Ein gewisses Risiko spielt zudem mit: Denn gerade die etablierten Shopping-Sender können zwar recht gute Prognosen über die Absatzmöglichkeiten eines Produkts machen, aber eine Garantie, dass ein Produkt sich wirklich so gut verkauft, wie von Lieferant und Sender erhofft, gibt es natürlich nicht. „Es gibt das Risiko, dass der Händler auch nach der Sendung noch auf einem Stapel an Produkten sitzt“, so Stammel. „Und wenn der Verkauf gut läuft, sprechen wir hier in der Regel von einem einmaligen Absatz-Peak. Sobald die Sendung gelaufen ist, gehen die Verkäufe wieder steil nach unten.“ Dadurch eignet sich Teleshopping bestens, um größere Produktmengen in kurzer Zeit abzusetzen – aber nicht, um Kundenstämme oder auch dauerhafte Markenbekanntheit aufzubauen.
Rampensäue können vor die eigene Kamera
Online-Händler, die kamera-affine Mitarbeiter im Unternehmen haben, können natürlich auch selbst mit Teleshopping-Formaten experimentieren. Dass man sich mit der richtigen Präsentation und einem gerüttelt Maß an Personality dadurch schnell eine treue Community aufbauen kann, beweist beispielsweise der Car-Hifi-Versender Ars24. Geschäftsführer Oliver Weiß erreicht mit seinen selbst produzierten Videos auf dem eigenen Youtube-Kanal mittlerweile über 60.000 Abonnenten – und verlinkt unter den Videos fleißig zu den verwendeten Ersatz- und Tuning-Teilen im eigenen Online-Shop.
Deutlich aufwändiger produziert der Elektronik-Versender Pearl das hauseigene Pearl-TV. „Wir haben ein professionelles Studio gebaut und sind dazu übergegangen, in HD – inzwischen sogar in 4K – zu senden. Außerdem haben wir begriffen, dass es ein abwechslungsreiches Programm braucht, um treue Zuschauer zu gewinnen“, sagte Michael Sichler, CEO des Shopping-TV-Senders kürzlich gegenüber der Internetworld. Der Vorteil der Eigenproduktion: Die gewonnenen Zuschauer halten der eigenen Marke die Treue – und nicht einem Shopping-Sender.
Egal, ob aufwändig oder hemdsärmlig produziert, ob selbstgemacht oder mithilfe von professionellen Partnern: Verkaufsfernsehen hat Konjunktur – auch für Online-Händler.
Jürgen Dell meint
Sehr interessanter Beitrag. Kann man irgendwo Erfahrungswerte herbekommen, welche Stückzahl man bereitstellen sollte?
Peter Höschl meint
Gute Frage. Ich suche mir gerade Interviewpartner für einen Folgeartikel zu dem Thema zusammen. Da werden wir dieser Frage nachgehen.
dc meint
Zu ergänzen wäre, dass die z.B. die Nummer drei im deutschen Homeshoppingmarkt, Channel21, schon seit langer Zeit ein Businessmodell „Sendezeit gegen Revenue“ anbietet. Hier können Onlinehändler recht einfach ihre Produkte anbieten. Ich empfehle umbedingt, sich über die sehr spezielle Kundengruppe des Mediums „Homeshopping“ Gedanken zu machen, und entsprechend passende Ware anzubieten. Ja, diese muss vorgehalten werden, kann aber auch per dropshipping direkt vom Hersteller zum Kunden gebracht werden. Es gibt also so einiges an Möglichkeiten, die man gerade als Händler auch mit überschaubarem Risiko einfach ausprobieren kann.
Schlaumeier meint
QSC oder QVC?
Peter Höschl meint
Vielen Dank für den Hinweis, Herr oder Frau Schlaumeier. 😉
QVC ist natürlich richtig, ist abgeändert.