Der Handel auf Amazon ist kein Kindergeburtstag: Viele Dritthändler nutzen jeden nur denkbaren Trick, um sich gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen. Häufig wird dabei die Grenze der Legalität überschritten. Vor allem Händlern aus Fernost sagen deutsche Seller besondere Rücksichtslosigkeit nach. Doch sollte das Gesetz den betroffenen Händlern nicht den Rücken stärken? Die IT-Rechtsanwältin Sabine Heukrodt-Bauer von der Mainzer Kanzlei res-media meint: Theoretisch ja – aber in Praxis… schwierig.
Als etailment Anfang des Jahres einen Artikel über das rücksichtslose Verhalten einiger Amazon Marketplace-Händler schrieb, las sich der Text wie eine Kriegsberichterstattung. „Händler kopieren, täuschen, sabotieren, bedrohen und erpressen Konkurrenten – und bestechen sogar Konzernmitarbeiter“, hieß es da; und tatsächlich war der Text voll von nachgerade verstörenden Beispielen an großen und kleinen Gemeinheiten, mit denen auf Amazon.de um Kunden gekämpft wird. Die Reaktion der Händlerschaft auf den blutigen Artikel war trotzdem verhalten; denn tatsächlich beschrieb etailment aus Sicht der meisten Händler nichts Neues. Manipulationen, Erpressungen und Sabotage gehören schon längst zum Händler-Alltag; und in den meisten Diskussionen in den Facebook-Händlergruppen dominiert die Überzeugung, dass man gegen das Hauen und Stechen eben nichts tun könne.
Dabei ist Resignation fehl am Platze, wie das Beispiel eines rührigen Händlers zeigt, der sich mithilfe seines Anwalts erfolgreich gegen die Billig-Produkte seiner chinesischen Konkurrenten wehrt. Der Gang zum Rechtsbeistand kann sich also lohnen – allerdings müssen Händler genau abwägen, für welche Zwecke sie in juristische Unterstützung investieren wollen, sagt Sabine Heukrodt-Bauer, IT-Rechtsanwältin bei der Mainzer Kanzlei res-media im Podcast-Interview mit shopanbieter.de.
Mögliche Rechtswege gibt es viele, aber nur wenige sind wirtschaftlich sinnvoll und zeigen tatsächlich Wirkung“, so die Anwältin. Eine Strafanzeige beispielsweise verliefe häufig im Sand. „Sehr oft werden Anzeigen nicht weiter verfolgt, weil der Täter nicht zu ermitteln ist, oder weil gegen einen Täter bereits andere Verfahren laufen. Außerdem sind die deutschen Staatsanwaltschaften und Gerichte klar überlastet und nutzen deshalb die verfügbaren Möglichkeiten, um Aktendeckel einfach mal zuzumachen.“
Eine Zivilrechtsklage hat oft mehr Aussichten auf Erfolg, ist aber aufwändiger. „Erst einmal muss Amazon von dem Vergehen Kenntnis gesetzt werden, um die Marktplatzhaftung geltend zu machen. Dann muss man Amazon auffordern, den Täter der Straftat – beispielsweise den Käufer von Fake-Rezensionen – zu nennen. Darauf reagiert Amazon oft schleppend“, so die Anwältin. „Wenn man die nötigen Informationen bekommen hat, kann man abmahnen oder eine einstweilige Verfügung gegen den Konkurrenten beantragen – was gegen Konkurrenten aus Fernost sehr schwierig ist, weil man ihrer kaum habhaft werden kann.“
Und selbst wenn man einen Konkurrenten mit Rechtsmitteln los geworden sei, würden bereits andere parat stehen. „Es ist oft genug ein Kampf gegen Windmühlen – auch, weil Amazon die Händler mit den Rechtsproblemen komplett allein lässt“, kritisiert Heukrodt-Bauer. „Im Zivilrecht trägt die klagende Partei die Beweislast und das nutzt Amazon aus und lässt die Händler am ausgestreckten Arm verhungern.
Ihr Fazit: Wer auf Amazon unter Konkurrenten-Beschuss steht, muss sich genau überlegen, ob er es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen will. „Letztlich hängt das vom Umsatz ab, der durch die unfaire Konkurrenz auf Amazon bedroht wird“, so die Anwältin. „Ist der hoch genug, kann sich der Weg über eine Zivilrechtsklage lohnen – aber dafür brauchen Händler einen langen Atem.“