Das lange gefeierte Matratzen-Start-up Casper versemmelte seinen Börsengang, die Zahnbürsten-Hersteller von Happybrush finden keinen Käufer für einen Exit, MyMuesli musste letztes Jahr etliche Filialen schließen – seit einiger Zeit häufen sich die schlechten Nachrichten um einst boomende Online-Brands. Das „Handelsblatt“ konstatierte deshalb kürzlich: Der Eigenmarken-Hype ist vorbei. Die These drängt sich auf und stimmt in Teilen sogar – wenn der Eigenmarken-Halter ein VC-getriebenes Start-up auf der Suche nach dem schnellen Exit ist. Als zusätzliche Einnahmequelle und Branding-Methode sind Eigenmarken für KMU-Onlinehändler aber weiter unverzichtbar.
Vor rund drei Jahren hat der Hype um die Online-Brands begonnen. Rein im Netz aufgebaute Marken wie Casper, Foodspring oder Emma dominierten die Nachrichten der Start-up-Magazine und pausbäckige Gründer von Ankerkraut, LittleLunch oder Popcornloop stürmten das Studio von „Die Höhle der Löwen“. Wer im E-Commerce Investorengeld anlocken will, muss eine Eigenmarke haben, so schien es damals.
Diese Gründerzeit hat deutlich an Schwung verloren, wie Handelsblatt-Autor Christoph Kapalschinski zu Recht ausführt. HappyBrush, ein VC-finanzierter Hersteller elektrischer Zahnbürsten, würde gern einen Exit anstoßen – findet aber keinen interessierten Käufer. Für den völlig verunglückten Börsengang des Matratzen-Start-ups Casper Mitte Februar müsse „man sich schämen“, schrieb CNN im Rahmen einer vernichtenden Kritik. Brandless, eine 2017 mit großem Bohei gestartete Marke für Bio-Produkte, die 2018 bei einer Finanzierungsrunde noch mit über 500 Millionen US-Dollar bewertet wurde, ging kürzlich pleite, 90 Prozent der Mitarbeiter verloren ihren Job.
Ist die DTC-Blase kurz vorm Platzen?
Schon Mitte 2019 kamen deshalb erste Zweifel am großen Hype um Direct-to-Consumer-Brands auf: Florian Heinemann, Gründer des Berliner VCs Project-A und lange bekennender DTC-Fan, ließ in einem OMR-Podcastschon letzten Mai deutlich Ernüchterung durchklingen. Das Problem vieler DTC-Brands sei das gleiche: Sie müssen in kurzer Zeit hohe Umsätze erzielen, um eine gesunde Marktrelevanz zu erreichen, bevor sie von ihrer eigenen Kapitalineffizienz aufgefressen werden, sprich: bevor ihre enorm hohen Marketing-Ausgaben das Kapital der willigen Geldgeber verbrannt haben. Und das ist naturgemäß ein gefährliches Spiel, den Markenaufbau kostet viel Zeit und Geld, und oft bietet eine Nische nicht genug Platz für mehrere erfolgreiche DTCs, wie das Einbrechen der Matratzen-Start-ups im letzten Jahr gezeigt hat. Wer nicht schnell genug beim Aufbau eines hohen Bekanntheitsgrads ist, bekommt es, wenn das Produkt nicht allzu innovativ ist, schnell mit Copy Cats aus China zu tun – dieses Schicksal hat beispielsweise Happy Brush ereilt.
[Weiterlesen…] about Kommentar: Warum sich Eigenmarken immer noch lohnen