Persönliche Beratung ist etwas für den stationären Handel. Online-Kunden interessieren sich nur für den Preis. Lange Zeit herrschte bei vielen Online-Händlern die Ansicht vor, sich mit dem Thema Kundenservice nicht allzu intensiv befassen zu müssen. Doch das ist inzwischen Geschichte. Es wächst die Erkenntnis: Kundenservice kostet nicht nur Geld, er bringt vor allem einiges ein!
Wenn hunderte Online-Shops ähnliche Sortimente anbieten, fällt es den einzelnen Anbietern schwer, Alleinstellungsmerkmale zu schaffen. Also Gründe, die für den Kunden dafür sprechen, im eigenen und nicht in einem beliebigen anderen Shop zu kaufen. Folglich definieren sich viele Shops vor allem durch ihre günstigen Verkaufspreise – was jedoch zu Lasten der eigenen Rentabilität geht.
Geringe Rentabilität, hoher Wettbewerbsdruck: Das sind keine guten Vorzeichen, um langfristig am Markt bestehen zu können. Deshalb suchen viele Online-Händler nach Möglichkeiten, wie sie ihren Shop so aufstellen zu können, dass Neukunden auch dann bestellen, wenn Mitbewerber möglicherweise günstiger sind. Und hierbei kann der Kundenservice zu einem wichtigen Faktor werden.
Warum ist ein professioneller Kundenservice für die Neukundenakquise wichtig?
Viele Online-Shops bieten ihren Kunden auf den Produktdetailseiten ausführliche Produktbeschreibungen, verzichten jedoch darauf, aktiv auf eine Service-Hotline hinzuweisen. Eine Telefonnummer bekommt der Kunde nur zu sehen, wenn er im Impressum des Online-Shops danach sucht. Ein Fehler, denn ein Teil der Kunden bestellt im Online-Handel bevorzugt telefonisch. 2014 lag der Anteil telefonischer Bestellungen im E-Commerce laut aktueller bevh-Zahlen bei 11 Prozent!
Nicht aufgeführt sind bei diesen Zahlen die telefonischen Kontaktaufnahmen, in deren direkter Folge Online-Bestellungen aufgegeben werden. „Generell sind alle gezielten Anfragen zu Artikeln ein Zeichen für Kaufbereitschaft. Die Qualität des Kundenservices gibt dann den letzten Ausschlag, ob der Kunde gewonnen wird. Dabei müssen die Reaktionszeiten im Kundenservice sehr kurz sein, denn die Kauf-Interessenten haben wenig Geduld und wandern bei zu langsamer Reaktion schnell zum nächsten Shop ab“, erklärt die E-Commerce-Expertin Nicola Straub, die seit 1999 als Projektleiterin für Internetplattformen sowie im Content Marketing tätig ist.
Mit einem funktionierenden Kundenservice per Telefon, Chat und E-Mail steigt deshalb in der Regel die Conversion Rate eines Online-Shops. Shop-Besucher, deren Anfragen schnell, freundlich und kompetent beantwortet werden, bekommen den letzten fehlenden Impuls, um bei diesem Anbieter zu bestellen.
Wie kann der Kundenservice die Kundenbindung unterstützen?
Ein guter Kundenservice kann also bei der Neukundenakquise wertvolle Dienste leisten. Doch nicht nur dort. Kunden, die mit dem Service eines Shops zufrieden sind, bleiben diesem erhalten. Dabei spielt nicht nur ein kompetenter, gut zu erreichender Telefonservice eine Rolle, sondern auch der Umgang eines Shops mit Problemen bei Bestellungen, Mängeln und Gewährleistungsansprüchen.
Händler, die sich hier kulant zeigen, werden von ihren Kunden auf diversen Plattformen gut bewertet – was wiederum der Neukundengewinnung dient. Mindestens ebenso wichtig: Wenn der Kunde weiß, dass er im Schadensfall nicht ewig mit dem Händler um Lösungen feilschen muss, bestellt dort gerne wieder. Auch wenn es anderswo möglicherweise etwas günstiger wäre.
Ulrich Pöhner, der E-Commerce-Unternehmen seit vielen Jahren bei der Optimierung ihrer Kommunikations- und Informationsprozesse begleitet, kommt deshalb zu dem Schluss: „Guter Kundenservice ist ein wichtiger Faktor für die Kundenbindung und hat ja auch im Einzelhandel einen enorm hohen Stellenwert. Verbraucher sind den Geschäften treu geblieben, die einen guten und freundlichen Service geboten haben – und das ist meines Erachtens nach 1:1 auch auf den Onlinehandel übertragbar.“
Wie können die sozialen Medien in ein Service-Konzept einbezogen werden?
Bedenken sollten Online-Händler jedoch, dass Kunden sämtliche verfügbaren Kanäle für Beschwerden oder Anfragen nutzen können. Dazu zählt auch die Facebook-Seite eines Online-Shops. „Oft fehlt initial die Erkenntnis, dass Social Media bedeutet, dass der Kunde entscheidet wann, wo und wie er mit dem Händler kommunizieren will. Das heißt: jede Social Media Plattform ist potentiell eine Serviceplattform. Darauf muss ich vorbereitet sein. Wer das nicht einplant, dem fehlt dann meist die saubere Integration in Prozesse, die klare Zuordnung von Aufgaben, weil Social Media von den Marketingmenschen eher als Outbound Kanal gesehen wird“, erklärt Sven-Olaf Peeck, Gründer und Geschäftsführer der crowdmedia GmbH.
Wie man mit Kundenfeedback in den sozialen Medien optimal umgeht, beschreibt Nicola Straub am Beispiel der Telekom: „Hier werden alle Anfragen, die mit allgemeinen Hinweisen oder Links auf Hilfeseiten geregelt werden können, direkt beantwortet. Alles darüber Hinausgehende leiten die Mitarbeiter auf die E-Mail-Ebene bzw. Formulare um, wo es in den normalen Customer Care Workflow einfließen kann“, erklärt die E-Commerce-Expertin.
Können nur große Online-Shops einen professionellen Kundenservice leisten?
Eine ständig besetzte Telefon-Hotline, Mitarbeiter, die per Chat verfügbar sind, E-Mail-Anfragen schnell beantworten und auch noch den Facebook-Kommentarbereich im Blick haben: Bei all diesen Anforderungen werden viele Online-Händler vermutlich schon im Vorneherein das Handtuch werfen. Bei kleinen Unternehmen fehlt hierfür vermeintlich einfach das erforderliche Personal. Doch das ist ein Irrglaube, meint Pöhner: „Die personelle Stärke allein ist nicht kriegsentscheidend. Auch mit geringen Ressourcen kann ein guter Job gemacht werden. Wichtig ist es dabei aber, auf die Ausrüstung der Mitarbeiter zu achten. Angenehmes Arbeitsklima, gute Headsets, performante Computer mit zwei Bildschirmen sowie professionelle und gut integrierte Software.“
Wie können CRM-Lösungen bei der Umsetzung helfen?
Bei der Umsetzung eines funktionierenden Kundenservices ist die Implementierung einer ganzheitlichen CRM-Lösung von großer Hilfe. Dabei sollte die Lösung mit der Shop-Software verknüpft werden können, damit die Service-Mitarbeiter die Kompetenz bekommen, den Kunden nicht nur Auskunft geben, sondern auch aktiv helfen zu können. So wenden sich beispielsweise auch Kunden an den Support, um Bestellungen nachträglich zu ändern, Zusatzartikel hinzuzufügen oder Aufträge zu stornieren. Wenn dies bereits während des Telefonats mit dem Kunden erledigt werden kann, steigt dessen Zufriedenheit.
Intelligente CRM-Lösungen können auch dabei helfen, den Arbeitsaufwand für die Beantwortung von Mails zu reduzieren. Indem Textbausteine verwendet und kunden- und bestellspezifische Daten eingefügt werden, lassen sich Antwort-Mails innerhalb kürzester Zeit erstellen – ohne, dass der Kunde das Gefühl bekommt, mit einer automatisch erstellten Mail abgespeist worden zu sein.
Ulrich Pöhner, der für das Marketing und das Partnermanagement des Herstellers der Software GREYHOUND CRM verantwortlich ist, nennt eine konkrete Zahl, wie viel Zeit sich damit einsparen lässt: „Kurz- und mittelfristig lässt sich mit einer professionellen Kundenservicesoftware eine Menge des anfallenden Aufwands reduzieren. Nutzer unserer Lösung sprechen hier von 40 bis teils 60 Prozent dank Bündelung der Multichannel-Kommunikation in einer Oberfläche, der Anbindung an die Warenwirtschaft oder die ERP.“
Ein funktionierender Kundenservice lässt sich also auch mit geringen personellen Ressourcen aufbauen. Und Online-Händler sollten diese Investition aus Eigeninteresse in Angriff nehmen, denn das eingesetzte Geld ist gut angelegt. Wenn die Conversion Rate und die Kundenbindung eines Online-Shops steigt, wird dessen Marktposition gefestigt – die Umsatzrendite steigt. Ausführliche Informationen zum Thema Kundenbindung finden Online-Händler in der aktuellen Ausgabe von shopanbieter to go. Dort warten neben den Fachbeiträgen „Dr. Sommer für Kunden: Kundenservice professionalisieren“ und „Service macht den Unterschied“ von Nicola Straub auch mehrere Experten-Interviews.
Nils Bluhm meint
Der Anteil teleongetriebener Bestellungen liegt bei uns bei ca. 30%. Es ist essenziell eine einfache Kontaktmöglichkeit zu geschultem Fachpersonal zu bieten. Wir präsentieren in unseren Shops die Nummer an diversen Stellen unter anderem auch direkt beim Bestellbutton.
Wichtig ist aber natürlich auch der Umgang mit Servicefragen. Gute Bewertungen wie z.B.: „Zwar hat mir der Artikel nicht gefallen, aber ich konnte diesen unkompliziert zurückgeben und habe schnell mein Geld erhalten“ helfen bei der Neukundengewinnung enorm.