Immer öfter tauchen Meldungen auf, wonach Markenhersteller Onlinehändlern verbieten, ihre Markenartikel im Internet, etwa auf Plattformen wie Amazon oder eBay, zu verkaufen. So hat zuletzt Adidas angekündigt, den Verkauf seiner Produkte über solche Internetplattformen ab Januar 2013 verbieten zu wollen. Solche Verbote stellen sog. „vertikale Vertriebsbeschränkungen“ dar, die nicht per se unzulässig sind.
Vertikale Vertriebsbeschränkungen sind Vereinbarungen zwischen Unternehmern, die auf verschiedenen Vertriebsniveaus stehen. Der Anbieter der Waren verpflichtet sich, die Waren nur an Händler weiter zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden und in denen sich diese Händler wiederum verpflichten, die betreffenden Waren nicht zugelassene Händler zu verkaufen. Es handelt sich bei solchen Vereinbarungen um „Fachhandelsbindungen“, die ein „selektives Vertriebssystem“ entstehen lassen, weil sämtliche Vertriebspartner darin von Hersteller ausgewählt werden und bestimmten Anforderungen entsprechen.
Jeder Unternehmer hat das Recht, den eigenen Vertriebsweg zu planen und so auf den Markterfolg seines Produkts Einfluss zu nehmen. Die in das Vertriebssystem eingebundenen Händler erbringen Investitionen in Form von Marketingleistungen oder Personalschulung usw., von denen andere Händler, die nicht zum Vertriebssystem gehören, nicht kostenlos profitieren sollen. Zum Aufbau der Marke ist teilweise eine bestimmte Produktpräsentation erforderlich oder Beratungsleistung erforderlich, um eine gewisse Markenqualität zu gewährleisten. Vereinbart der Unternehmer in diesem Zusammenhang Vertriebsbeschränkungen, sind diese kartellrechtlich nicht automatisch verboten, soweit bestimmte Anforderungen eingehalten werden. Wenn Hersteller nur noch Fachhändler beliefern, die bestimmte Anforderungen an den Weiterverkauf einhalten, liegen Ausschließlichkeitsbindungen vor, die nach
- nach Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
- Art. 2 der EU-VERORDNUNG Nr. 330/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen
erlaubt sein können. Das ist unter drei Voraussetzungen der Fall:
1.
Die Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern (Hersteller und Verkäufer) dürfen keine sog. Kernbeschränkungen enthalten:
- Preisbeschränkungen des Käufers: Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen;
- Gebiets-/Kundenkreisbeschränkungen: Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die verkauft werden darf; erlaubt sind aber Beschränkungen- des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Abnehmer zugewiesen hat, sofern dadurch der Verkauf durch die Kunden des Abnehmers nicht beschränkt wird,- des Verkaufs an Endverbraucher durch Abnehmer, die auf der Großhandelsstufe tätig sind,- des Verkaufs an nicht zugelassene Händler durch die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets,- der Möglichkeit des Abnehmers, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden, an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung derselben Art von Waren verwenden würden, wie sie der Anbieter herstellt;
- Verkaufsbeschränkungen in selektiven Vertriebssystemen: Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, Mitgliedern des Systems zu untersagen, Geschäfte von nicht zugelassenen Niederlassungen aus zu betreiben;
- Querlieferungsverbote in selektiven Vertriebssystemen: die Beschränkung von Querlieferungen zwischen Händlern innerhalb eines selektiven Vertriebssystems, auch wenn diese auf verschiedenen Handelsstufen tätig sind;
- Beschränkungen von Ersatzteillieferungen: die zwischen einem Anbieter von Teilen und einem Abnehmer, der diese Teile weiterverwendet, vereinbarte Beschränkung der Möglichkeit des Anbieters, die Teile als Ersatzteile an Endverbraucher oder an Reparaturbetriebe oder andere Dienstleister zu verkaufen, die der Abnehmer nicht mit der Reparatur oder Wartung seiner Waren betraut hat.
2.
Der beteiligte Verkäufer und der beteiligte Käufer dürfen auf ihrer jeweiligen Marktseite keinen Marktanteil von 30 % erreichen.
3.
Die vertraglichen Bindungen der Vertriebspartner dürfen
- den Zeitraum von fünf Jahren nicht überschreiten;
- dürfen keine nachvertraglichen Wettbewerbsverbote beinhalten;
- dürfen die Teilnehmer eines selektiven Vertriebssystems nicht daran hindern, Konkurrenzware zu vertreiben.
Die Rechtsprechung in Fällen, in denen Hersteller Onlinehändlern den Verkauf entweder ganz verbieten oder nur beschränken ist nicht einheitlich.
So entschied das Landgericht Berlin gegen den Schulranzenhersteller Scout, der den Verkauf seiner Waren bei eBay wegen eines angeblichen Imageschadens durch den dortigen Billigvertrieb gerichtlich verbieten lassen wollte, dass Online-Händler die Ranzen dort weiterhin verkaufen dürfen (Urteil vom 21.4.2009, Az. 16 O 729/07 Kart). Ganz anders beurteilte das OLG Karlsruhe – ebenfalls zu Scout – mit Urteil vom 25.11.2009 (Az. 6 U 47/08 Kart) die Rechtslage: Selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, seien mit dem Kartellrecht vereinbar und nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen. Die Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer richteten sich nach den Anforderungen des betreffenden Produkts, die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals sowie seine sachliche Ausstattung. Auch an den Vertrieb der Markenartikel über das Internet könnten Anforderungen gestellt werden, die den genannten Zielen dienen. Soweit die Auswahlkriterien in diesem Zusammenhang einen Vertrieb über eine Auktionsplattformen wie eBay ausschlössen, handele es sich bei diesem Ausschluss ebenfalls um ein objektives, an die Art und Weise des Vertriebs anknüpfendes Auswahlkriterium. Ebenso entschied das Oberlandesgericht München in einem ähnlichen Fall zugunsten des Sportartikelherstellers Amer Sports Corporation (Urteil vom 02.07.2009, Az. U (K) 4842/08).
FAZIT: Letztlich kann die Frage, ob Markenhersteller den Internethandel verbieten oder einschränken dürfen, nicht pauschal beantwortet werden. Es kommt vielmehr konkret auf die Gestaltung der individuellen Vertriebsvereinbarung an, die der Hersteller seinen Händlern als Vertragsgrundlage vorlegt. Diese muss im Einzelfall genau anhand der kartellrechtlichen Vorgaben geprüft werden.