Jeder kennt die kleinen Zettelchen, die an Kleidungsstücken hängen und den Kunden darüber informieren, aus welchen Fasern das Produkt hergestellt wurde. Anders als im stationären Handel kann der Kunde im Online-Shop diese Zettelchen natürlich nicht so einfach studieren. Nichtsdestotrotz besteht auch im E-Commerce die Pflicht, den Kunden vor Vertragsschluss über die Zusammensetzung von Textilien zu informieren. Daher müssen Online-Händler die Zusammensetzung in der Produktbeschreibung wiedergeben. Aber Achtung: Natürlich müssen sie sich dabei an die Textilkennzeichnungsverordnung halten. Besonders Rechtsanwalt Sandhage schaut seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs wieder genau auf Textilkennzeichnungen.
PU-Leder, Acryl und Co.
In den letzten zwei Monaten kam es vermehrt zu Abmahnungen, weil Händler die Bezeichnung „PU-Leder“ verwendet haben. Die Abmahnungen kommen unter anderem durch die Sachse Vertriebs GbR, die sich durch den bekannten Anwalt Sandhage vertreten lässt. Die Bezeichnung PU-Leder wird dabei als irreführend moniert. Zum einen liegt das daran, dass die Textilkennzeichnungsverordnung einen festen Katalog mit Faserbezeichnungen vorsieht und PU-Leder schlicht nicht kennt; zum anderen sei die Wortzusammensetzung per se irreführend. PU steht für Polyurethan. Mithin handelt sich bei PU-Leder also nicht um echtes Leder, sondern Kunstleder. Da die Bezeichnung PU-Leder aber nicht gängig sei, bestehe die Gefahr, dass Verbraucher denken, dass es sich eigentlich um echtes Leder handeln würde.
Ähnlich ergeht es auch Online-Händlern, die die Bezeichnung Acryl verwenden. Diesen Begriff allein kennt die Textilkennzeichnungsverordnung aber nicht. Stattdessen müsste auf Polyacryl zurückgegriffen werden. Auch dieser Fehler wird sehr oft von Verbänden und Mitbewerbern abgemahnt.
Hoffnungsschimmer vom OLG Frankfurt a. M.?
Aufgrund der Abmahnproblematik dürfte ein aktuelles Urteil aus Frankfurt (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.01.2021, Aktenzeichen: 6 U 256/19) bei vielen Händlern für Freude sorgen. Das Gericht stellte fest, dass die Verwendung des Wortes Acryl vielleicht gegen die Textilkennzeichnungsverordnung verstößt; allerdings keine Abmahnung begründet, da kein Wettbewerbsverstoß vorliegt. Dafür müsste die falsche Bezeichnung den Wettbewerb spürbar beeinflussen. Auch eine Irreführung der Verbraucher liege nicht vor. „Der juristisch nicht gebildete Verkehr wird sich nämlich bei seiner Anschauung nicht an der Anlage zur TextilKennzVO orientieren, sondern am allgemeinen Sprachgebrauch“, heißt es in der Begründung. Ob sich diese Rechtsprechung durch andere Urteile festigt, wird sich erst noch zeigen. In jedem Fall stellt das Urteil eine erste, gute Nachricht für Online-Händler dar, da eben offenbar nicht jeder kleine Gesetzesverstoß direkt mit einer teuren Abmahnung abgestraft werden kann.