Der Online-Lebensmittelhandel ist für den E-Commerce einer der zentralen Knackpunkte: Vom Umsatzvolumen her besitzt das Food-Segment hohe Attraktivität, zudem sollten angesichts der hohen Dichte an Handels-Schwergewichten in dem Bereich die nötigen finanziellen Ressourcen für den Aufbau erfolgreicher Geschäftsmodelle vorhanden sein. Dennoch kommt der Online-Lebensmittelhandel nicht recht vom Fleck, ist die Lieferproblematik gerade bei verderblichen Waren noch immer nicht flächendeckend gelöst und kämpfen viele Marktteilnehmer mit der Profitabilität.
Spannend ist, dass eines der erfolgsträchtigsten Online-Konzepte in dem Bereich von einem kleinen Startup stammt und noch dazu konsequent auf die Verbindung mit einer stationären Filiale setzt. Die Rede ist von Emmas Enkel, das im Oktober 2011 in der Düsseldorfer Innenstadt eröffnete. Die Gründer Sebastian Diehl und Benjamin Brüser verbinden dabei einen modernen Tante-Emma-Laden im trendigen Retro-Design konsequent mit zeitgemäßer Technik und On-/Offline-Verknüpfungen.

Vor Ort mit dem iPad einkaufen
„Wir wollten den Lebensmittel-Einzelhandel so darstellen, dass wir uns selber vorstellen konnten, dort einzukaufen“, erklärt im Gespräch Sebastian Diehl. „Der Ausgangspunkt war ein kleiner Laden mit möglichst vielen Produkten.“ Im Unterschied zum konventionellen Lebensmittelhandel setzen Emmas Enkel dabei auf eine recht geringe Anzahl an präsentierten Produkten (rund 500 Artikel), während im angeschlossenen Lager, das die Verkaufsfläche deutlich übersteigt, noch einmal ca. 1.500 Artikel verfügbar sind. Kunden können sich ihren Einkauf in der Kaffeeecke des Ladens auf iPads zusammenstellen und die fertig gepackten Tüten dann 10 Minuten später am Verkaufstresen abholen. „Um unseren Radius zu erweitern, kam schließlich der Online-Shop dazu“, berichtet Diehl. „Wir haben das alles mit Leben gefüllt und waren dann auf einmal bei diesem umfassenden Multichannel-Ansatz, der bisher in Europa einzigartig ist und eine große Resonanz hervorruft.“
Dass ihr Konzept schlüssig ist, können die Emmas-Enkel-Gründer an einer wachsenden Anzahl an Branchenpreisen ablesen – aktuell sind Diehl und Brüser sogar für den prestige-trächtigen World Retail Award in London nominiert – sowie an einer Vielzahl von Fachbesuchern: „Die ganzen Großen der Branche waren schon da, sogar auf Vorstandsebene“, erzählt Diehl. Angst, dass jemand sein Geschäftsmodell klaut, hat der Unternehmer dabei nicht: „Die Lebensmittelkonzerne sagen uns selbst, dass sie ein Konzept wie unseres so schnell nicht hinkriegen. So ein Dickschiff umzusteuern, ist schwierig.“ Zudem hätten viele Wettbewerber Angst, sich mit Online-Angeboten selbst stationär zu kannibalisieren. „Und die technischen Anforderungen müssten sie auch noch meistern“, so Diehl.

Lieferung noch am Bestelltag
Doch was sind die Besonderheiten, die Emmas Enkel vom Rest der Branche unterscheiden? Neben dem Einkauf vor Ort bietet der „Tante-Emma-Laden 2.0“ zunächst die Abholung von online bestellten Waren im Laden an. Außerdem können Kunden im Düsseldorfer Stadtgebiet sich ihren Online-Einkauf am gleichen Tag nach Hause liefern lassen und haben dabei die Möglichkeit, zwischen mehreren Liefer-Zeitfenstern zu wählen. Die Lieferkosten liegen dabei mit 4 Euro vergleichsweise niedrig, ab einem Einkaufswert von 30 Euro ist die Lieferung kostenlos. Inzwischen versenden Emmas Enkel sogar deutschlandweit, wegen der längeren Versanddauer stehen verderbliche Waren dafür allerdings nicht zur Verfügung. „Dass wir auch in den Rest von Deutschland liefern, ist nur ein Test dafür, wie das mit einer Art virtuellen Filiale läuft“, räumt Diehl ein. „Wenn man verderbliche Waren anbietet, muss man auch die Lieferung am gleichen Tag anbieten. Das Thema ist im Online-Lebenshandel noch der Knackpunkt.“
Social-Media-Maßnahmen betrachten Emmas Enkel als logischen Bestandteil ihres Unternehmenskonzepts: „Da früher Tante Emma Läden auch zur Kommunikation benutzt wurden, haben auch wir unseren Shop bei Facebook als eine Kommunikations-Plattform positioniert.“ Durch eine Reihe von Aktionen und Preisausschreiben habe Emmas Enkel dafür, dass man bisher nur in einer Stadt präsent sei, bereits eine beachtliche Fanbase aufbauen können. „Die Verkaufsschiene sehen wir bei Facebook aber bisher eher nicht. Da wird vieles davon abhängen, welche Funktionen Facebook noch entwickelt und wie sie das Thema Verkaufen unterstützen.“

Mit QR-Codes die Ladenöffnungszeiten überlisten
Für viel Publicity sorgten Emmas Enkel nach dem Start damit, dass Sie mittels einer „QR-Wand“ Passanten auch außerhalb der Öffnungszeiten den Einkauf ermöglichen. „Zum Umsatz trägt das eher nicht bei“, stellt Unternehmensgründer Diehl allerdings klar. Bei den QR-Codes handele es sich vor allem um eine Marketing-Maßnahme, um das Modell des Tante-Emma-Ladens wieder modern zu machen. „QR-Codes können aber in Zukunft noch ein Thema sein, dann aber in etwas anderer Form und auch eher weiter weg vom Laden“, erklärt Diehl.
Zunächst planen Emmas Enkel aber eine Reihe von konkreten Weiterentwicklungen. So sei das Cross-Selling im Shop noch ausbaufähig und wolle man beim Empfehlungs- und Newsletter-Marketing nachbessern. Die großen Hürden habe man allerdings bereits beim Start gemeistert, gibt sich Diehl überzeugt. Für den Unternehmer sind das vor allem die Online-Darstellung von Live-Beständen sowie die angesichts der großen Produktvielfalt recht anspruchsvolle Schaffung von Standards in der Darstellung. „Das ist das Wichtigste. Für den Rest gibt es Fachleute, die können das schon“, so Diehl.

Expansion bleibt ein Thema
Mit der Geschäftsentwicklung zeigt sich der Firmengründer zufrieden. „Gerade die lokalen Online-Bestellungen laufen sehr gut an. Wir machen bereits mehr als 50 Prozent des Umsatzes über den Online-Versand.“ Gutes Potenzial sei auch mit Abo-Services zu erzielen. Trotz dem Starterfolg setzen Emmas Enkel noch auf ein sehr kleines Team, zu dem neben 3 Leuten im Backoffice noch 4 Mitarbeiter im Verkauf zählen. Obwohl es die Defizite der Konkurrenz eigentlich nahelegen, will Diehl das Thema Expansion mit Bedacht angehen: „Man soll niemals nie sagen, aber erst einmal konzentrieren wir uns auf Düsseldorf.“
Unter dem Motto „Local Heroes“ veröffentlicht Shopanbieter.de in regelmäßiger Folge besonders spannende Beispiele für die Verknüpfung von Onlinehandel und stationärem Geschäft.
Bisher erschienen:
Martin meint
Mir gefällt bei Emmas Enkeln der Ansatz des thematischen Verkaufens. Auch die Idee, dass mir der Warenkorb gebracht wird, während ich Zeitung lese, ist nerdig-nett. Allerdings bin ich wegen einiger konzeptioneller Dinge noch nicht schlüssig, ob mich der Ansatz überzeugt.
Da ist z.B. die Artikelzahl. Soweit ich weiß, hat ein durchschnittlicher Supermarkt in Deutschland etwa 10.000 Artikel im Sortiment. 2000 Artikel haben die Discounter. Mit denen liegen die Enkel also im Sortiments-Wettbewerb – auch online. Dagegen muss man sich mal das Sortiment von mytime.de ansehen (Bünting).
Die 30 Euro Freigrenze für Lieferungen halte ich ebenfalls für sportlich. Gut, das sind vielleicht Marketing-Erwägungen, weil der Durchschnittsbon meistens ohnehin höher sein dürfte. Trotzdem – die Lieferkosten sind ein Faktor.
Die QR-Code-Wall ist ein nettes Gimmick, aber für die Bestellung so noch zu unübersichtlich. Wenn es komplizierter als vorher ist, hakt es bei der Innovation, finde ich. Sicher kann man damit aber Spot-Werbung setzen und Interessenten in die Läden ziehen. Dafür genügen aber auch weniger und gezielt gesetzte Artikel, oder?
Ein Fragezeichen würde ich auch beim Merchandising / Fotografie machen. Ich habe mir die „Grillen&Chillen“-Vorschläge angesehen. Nach allem, was ich vom Food-Verkauf weiß, kommt es mehr denn irgendetwas auf „leckere“ Bilder an. Und dann bekomme ich so was:
http://www.emmas-enkel.de/Emmas-Einkaufskorb/Grillen/Dammer-Hof-Bauchfleisch-gewuerzt-2er-Pack.html?slcatid=406
Ich kenne das Dammer-Hof-Bauchfleisch nicht, aber das Foto hilft mir hier kein Stück weiter. „Sell the Sizzle, not the Steak“ – aber wenn statt des Bratendufts eine blutige Plastiktüte gezeigt wird…
Ich bin fest davon überzeugt, dass der Lebensmittel-Onlinehandel noch geknackt wird. Da warte ich schon seit doit24.de (heute lebensmittel.de) drauf. Aber hier sehe ich weder einen Convenience-, noch einen Sortiments-, noch einen Vertriebsfortschritt, der mich wirklich umhaut.
Jessy meint
Also ich finde das Konzept von Emmas Enkel richtig Klasse! Wie diese Grünschnäbel (bitte nicht böse nehmen) es den großen Händlern mit ihren innovativen Geschäftsansatz zeigen- das ist schon richtig stark! Schade des es solche Tante Emma Läden noch nicht überall gibt. Denn wie ich im Shoptest bei Netzkonsum (http://netzkonsum.de/2012/07/testbericht-emmas-enkel-uberraschen-mit-multi-channel/) gelesen habe, ist noch nicht alles bundesweit lieferbar, was es in Düsseldorf schon beim netten Supermarkt um die Ecke gibt.
Aber Jungs macht weiter so!