Der Onlinehandel ist ein kapitalintensives Geschäft: Bis ein Händler Geld verdient, muss er erst einmal welches ausgeben – für Lagerkapazitäten, Versandstrukturen und natürlich für die Ware selbst. Wer nicht ausreichend Kapital, den führt sein Weg bei Finanzierungsgesprächen meist zur eigenen Hausbank. Doch das ist nicht zwangsweise die beste Alternative für die Warenfinanzierung.
Zugegeben: Das nicht mehr so neue Online-Business ist mittlerweile auch bei vielen Banken angekommen. Längst werden Onlinehändler nicht mehr von den meisten Bankberatern misstrauisch beäugt, längst finden sich, auch dank einer ganzen Reihe an verfügbaren staatlichen Förderprogrammen, auch in kleineren Geldinstituten wohlmeinende Partner, die Onlinehändler beim Auf- und Ausbau ihres Geschäfts unterstützen können und inzwischen auch wollen.
Doch im Portfolio der E-Commerce-Förderung der meisten Banken gibt es immer noch eine schmerzhafte Lücke – und die heißt Warenfinanzierung.
„Wir haben vor einigen Jahren mit dem Verkauf auf Amazon begonnen und dort systematisch unser Produktportfolio ausgebaut“, erzählt beispielsweise der Amazon-Seller Sascha Krause. „Irgendwann steckten wir dann in der klassischen Cashflow-Falle: Unser Kapital war in Waren gebunden, die gerade erst auf dem Weg von China nach Deutschland waren, gleichzeitig wollte aber der chinesische Produzent eine Anzahlung für die Produktion der neuen Charge. Die Zeit zwischen dieser Anzahlung und den zu erwartenden Einnahmen beim nächsten Abverkauf mussten wir finanziell überbrücken.“
Krause trug dieses typische E-Commerce-Problem seiner Hausbank vor, die zwar durchaus bemüht war und Krause für seinen fünfstelligen Finanzierungsbedarf einen weiteren klassischen Kredit vorschlug.
„Aber das Angebot war einfach zu unflexibel in der Rückzahlung. Ich wollte nicht über Monate Kreditzinsen zurückzahlen, obwohl ich dank der Warenverkäufe die gesamte geliehene Summe bereits nach wenigen Wochen hätte begleichen können.“
So wie Sascha Krause geht es vielen Onlinehändlern. Die meisten Banken bieten, so der Händler ihnen denn bekannt ist, einige Jahre im Geschäft ist und persönlich für einen Kredit bürgt, meist klassische Ratenkredite zu guten Konditionen an – der mit seinen festen Raten auch dann noch die Bilanz belastet, wenn die finanzielle Dürreperiode zwischen zwei Verkäufen längst überwunden ist.
Manche Banken räumen guten Kunden als Alternative zum Ratenkredit einen Kontokorrent ein – quasi ein vergrößerter Dispokredit, bei dem der Händler nur Zinsen für die Kreditsumme zahlt, solange sie noch nicht beglichen ist. Ähnlich wie beim Dispo sind die Konditionen für Kontokorrent-Lösungen aber oft recht teuer.
Mittlerweile gibt es auf dem Markt der Finanzprodukte aber auch flexiblere und günstigere Varianten. Die Payment-Dienstleister Klarna und Paypal haben beispielsweise im letzten Winter jeweils Finanzierungsmodelle für Händler vorgestellt, bei denen Kredite bis zu 100.000 Euro über die Zahlungsumsätze der Anbieter abgestottert werden. Monatliche Kreditzinsen fallen nicht an, es gibt nur eine feste Kreditgebühr. Auch Sonderzahlungen, mit denen der Kredit bei Einnahmesprüngen teilweise oder ganz getilgt wird, sind möglich.
Den FAQs der beiden Anbieter konnten wir leider nicht entnehmen, ob es dann auch einen Teil der Zinsen Festgebühren zurückgibt. Aber ich fürchte, die Antwort kennen wir. Ein weiterer Nachteil: Klarna und Paypal verlangen jeweils feste Zahlungsziele, man muss regelmäßig einen bestimmten Teil des Kredits zurückzahlen. Für mein Verständnis, also letztlich auch nichts anderes als ein Ratenkredit, nur mit einem deutlich einfachere Antrags- und Genehmigungsprozess.
Eine andere Möglichkeit sind Einkaufsfinanzierer. Dabei werden ausstehenden Verbindlichkeiten beim Lieferanten von einem Zwischenhändler, dem Einkaufsfinanzierer, beglichen. Auswahl der Waren, Preisverhandlungen, Bestellung, sowie dann Annahme, Lagerung und Weiterverarbeitung laufen wie gewohnt über den Händler ab.
Der Einkaufsfinanzierer bezahlt den Lieferanten (mischt sich damit in die Lieferantenbeziehung ein) und räumt dem Händler dann ein Zahlungsziel ein, bis zu welchem der Kredit zusammen mit einer bestimmten Kreditgebühr zurückgezahlt werden muss. Kann der Händler den Kredit nicht bedienen, bleibt die Ware beim Einkaufsfinanzierer.
Ähnlich, aber doch ein bisschen anders, gehen Warenfinanzierer vor: Auch sie nehmen die zu finanzierende Ware sozusagen in Pfand und geben die Produkte in festgelegten Tranchen an den Händler frei, sobald er die vorher definierten Zahlungsziele erreicht hat. Aber der Kredit landet beim Händler, nicht beim Lieferanten, so dass Lieferantenbeziehungen unangetastet bleiben.
Außerdem sind die Rückzahlungsmöglichkeiten flexibel. „Letztes Jahr haben wir einen Händler finanziert, der Regenschirme verkaufen wollte“, berichtet Nikolaus Hilgenfeldt vom Warenfinanzierer myos, für den sich der Amazon-Händler Sascha Krause letztlich entschieden hat.
„Er hatte die Vorfinanzierung auf 6 Monate angelegt; aber eine Nässeperiode hat dazu geführt, dass er seine Produkte viel schneller verkauft hat als gedacht – da konnte er seinen Kredit auch viel schneller zurückzahlen und Kreditzinsen sparen.“
Es gibt also viele Finanzierungsprodukte auf dem Markt, die für Händler interessant sein können. Leider sind die meisten, dieser Angebote, nach wie vor letztlich nichts anderes wie ein Ratenkredit, ohne auf die besonderen, flexiblen, Rückzahlungsbedürfnisse von Onlinehändlern einzugehen. Und wie Händlern zu entnehmen ist, kann der Zinssatz gerne auch mal vergleichsweise hoch liegen. Daher bitte unbedingt alle Angebote vorher genau prüfen, vergleichen und nachrechnen.
Ein Blick in eines der Finanzvergleichportale wie FinCompare oder Compeon lohnt sich dennoch – oder sie schauen sich mal die Angebote der Anbieter in unserer folgenden, sicherlich unvollständigen, Liste an. Viele der Angebote sind übrigens recht unkonkret: Genauere Konditionen erfährt man immer erst, wenn man als Händler Kontakt zu den Anbietern aufnimmt. Da sind Paypal und Klarna angenehm transparent. Dennoch gilt: Wer die Konditionen vergleichen möchte, muss von jedem Anbieter ein Beispielangebot einholen.
Finanzierungsanbieter für Online-Händler
- http://www.amacash.de
- https://www.amseba.eu
- https://www.fulfin.io
- https://www.iwoca.de
- https://www.klarna.com/
- https://www.lendico.de
- https://www.myos.co
- https://www.paypal.com/
- https://www.tradi.co
- https://www.vaitrade.de/de
Ich finde das Thema für Onlinehändler sehr wichtig. Gleichzeitig, sollte man praktische Erfahrungen gemacht haben, um mögliche Fallstricke zu kennen und Empfehlungen aussprechen zu können. Daher würde ich mich über Kommentare und Erfahrungen von Händlern sehr freuen.
Bildquelle: mikdam, Scott @ bigstockphoto
Anonym meint
Sind eigentlich selbst finanziert aber nutzen regelmäßig (bis 60k bisher) den PayPal Kredit weil die unsere Zahlen schon kennen und uns das Leben einfach machen. Allein wenn ich an den alten Greisen in meiner Hausbank denke will ich schon nichts mehr beantragen (solang nicht nötig). Für mich wäre daher ganz klart ohne PayPal Kredit würden wir keinen anderen holen
Peter Höschl meint
Bei FB hat ein Händler (sinngemäß) geschrieben, Kosten für PayPal hätte er schon alleine deswegen wieder drin, weil er dann Skonto ziehen könne.
Ziemlich einleuchtend und einfach.
BTW: Auf dieses Argument bin ich jetzt auch nicht gekommen. 😉
Adrian Krüger meint
Schöne Übersicht zu den Möglichkeiten für Händler. Je schneller sich die eigene Ware dreht und je länger der Zeitraum zwischen Beschaffung und Verkauf, desto größer ist der Nutzen für Händler. Auch können so größere Bestellungen weltweit realisiert werden, ohne selbst in Vorleistung beim Lieferanten zu gehen.
Die Finanzierung über PayPal und Klarna ist aus Händlersicht so spannend, weil sie nur in wenigen Klicks eingerichtet ist und die Rückzahlung über eine prozentuale Beteiligung an den generierten Umsätzen erfolgt.
ABER: Das hat auch seinen Preis. Sowohl PayPal als auch Klarna versuchen über die Businesskredite Anreize zu schaffen, um mehr Umsätze über ihre eigenen Schnittstellen zu generieren. Die Kosten für Klarna/ PayPal als Schnittstelle sollten dann mit anderen Angeboten wie Stripe oder Adyen abgewogen werden.
Bei PayPal läuft die Umsatzbeteiligung (mindestens 5%-10% des Gesamtbetrages alle 90 Tage, in der Praxis sind’s dann gerne 25%). Händler dürfen nicht vergessen, dass es sich hierbei um best case Szenarien handelt und sollten die Folgen einer Abhängigkeit von einem Zahlungsabieter kritisch prüfen.
Bei Einkaufsfinanzierern/Warenfinanzierern wird plattformunabhängig gearbeitet. Das Zahlungsziel kann vorab ausgewählt werden. Besonderheit bei VAI (Full disclosure: Ich arbeite bei VAI): Gewährte Skonti von Lieferanten werden 1:1 an Kunden weitergegeben und reduzieren damit die Kosten.
Zum Thema Kosten: Bei VAI ist das System einfach und auch vorab kommuniziert. Es setzt sich aus 2 Bausteinen zusammen:
1. fixes Transaktions-Entgelt: 2 %
2. variables Laufzeit-Entgelt: 0,2 – 0,7 % (bonitätsabhängiger Aufschlag für Laufzeiten > 30 Tage)
Erhält der Händler ein Skonto von 2%, fallen für eine 120 Tage Laufzeit im Durchschnitt etwa 2,1% Gebühren vom Gesamtbetrag an. Gibt es kein Skonto, wie z. B. bei Asiengeschäften, sind es 4,1%.
Wer also standardisiert Waren einkauft und diese Warenbestände schnell dreht, der erhält von diesen Finanzierungsspezialisten kurzfristig Liquidität und muss nicht in Vorleistung bei seinen Lieferanten gehen.
Viele Grüße
Adrian
Full Disclosure:
Adrian hier von VAI
Peter Höschl meint
Vielen Dank für Deinen erhellenden Kommentar. Darf dann gerne mit einem Schuss Eigenwerbung sein, da in dieser Form letztlich ja auch interessant, um das Thema an sich besser durchdringen zu können..