Nach fast zehn Jahren am Markt ist Crowdfunding zu einer ernstzunehmenden Finanzierungsvariante herangewachsen, vor allem für Unternehmer und Start-ups, die mit spannenden, gut erklärbaren Produkten den Nerv ihrer Kunden treffen. Doch man sollte nicht vergessen: Das Geld aus dem Schwarm ist in der Regel hart erarbeitet.
Bademäntel aus Holzfasern, Schokolade aus dem 3D-Drucker, eine neuartige Kräutermühle namens „Grinder“ oder die „beste Wasserpistole der Welt“ – Crowdfunding-Plattformen wie Startnext oder Kickstarter sind immer eine Mischung aus Zeitgeist-Spiegel, Kuriositätenkabinett und dem nächsten heißen Scheiß.
595 Millionen Euro haben deutsche Konsumenten 2017 in Crowdfunding-Projekte investiert, so eine Studie der Cambridge-Universität – neuere valide Zahlen zu dem nischigen Markt, der hierzulande mit dem Launch von Startnext begann, liegen noch nicht vor.
Doch die Aufmerksamkeit für Crowdfunding-Projekte wächst stetig; auch renommierte Handelszeitungen und TV-Redaktionen berichten mittlerweile über spektakuläre Finanzierungen und ausgefallene Produkte, die bei der Crowd besonderen Anklang gefunden haben. Und mit der steigenden Anzahl an erfolgreichen Projekten sinkt die Hemmschwelle der Hobby-Investoren.
Griffige Produkte für innovationsbegeisterte Kunden
„Crowdfunder sind in der Regel Menschen, die an neuen Ideen interessiert sind, die sich für Neuheiten, Kreativität und Innovation begeistern, oder die ein außergewöhnliches Geschenk suchen“, sagt Florian Bender, Betriebswirtschaftlicher Berater der IHK München und Oberbayern.
„Die wenigsten sehen das als Geldanlage. Bei der Ansprache der Crowd sollte also eher auf den Erlebnisfaktor wert gelegt werden – weniger auf nüchterne Zahlen und Business-relevante Informationen.“
Seit einem guten Jahr berät Bender im Auftrag der IHK Gründer zum Thema Crowdfunding – und darunter finden sich auch immer mehr Klein-Hersteller und Eigenmarken-Händler, die ihre Produkte ausschließlich online vertreiben.
90 Prozent davon streben so genannte Reward-based-Kampagnen an, bei denen die Investoren für ihr Geld einen handfesten Gegenwert bekommen – in der Regel das unterstützte Produkt oder einen Gutschein über die vorfinanzierte Dienstleistung.
Crowdfunding, so Bender, kann dadurch vor allem für die Finanzierung der Produktentwicklung eine gute Alternative zu klassischen Krediten oder dem Investment eines Business Angels sein – wenn das Produkt stimmt. „Crowdfunding eignet sich gut für neuartige und innovative Dienstleistungen und Produkte, für Dinge, die Interesse wecken und die vor allem leicht erklärbar und anfassbar sind“, so der Berater.
„In der Regel funktionieren Produkte für Privatpersonen besser, weil man damit eine größere Zielgruppe erreichen kann. Deshalb sollten die Produkte und Investitionsmöglichkeiten auch nicht zu hochpreisig sein, um keine Crowdfunder abzuschrecken.“
Nicht zu unterschätzen: Der Marketing- und Marktforschungsaspekt
Sprich: Wer mit seinem Produkt den Nerv der Zeit trifft (beispielsweise wie der „Unverpackt“-Laden in Berlin, der mit seiner Kampagne das Finanzierungsziel mit über 1000 Prozent überschreiten konnte) oder eine spannende oder witzige Geschichte zu erzählen hat (wie die Wasserspritzpistole Spyra One, die auf Kickstarter statt der erhofften 51.000 Euro über 400.000 Euro einsammelte), erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Finanzierung durch die Crowd.
Dass aber auch auf den ersten Blick weniger spektakuläre Produkte via Crowdfunding zum Erfolg geführt werden können, zeigt das Beispiel von Hendrike Gruber: Die Gründerin des Bio-Kosmetik-Labels Ponyhuetchen.com, die aktuell am UdZ-Förderprogramm von Amazon teilnimmt, hat im Juni eine Startnext-Kampagne erfolgreich abgeschlossen und dabei 20.000 Euro von knapp 750 Unterstützern eingesammelt – für die Entwicklung von drei neuen Produkten.
[Weiterlesen…] Infos zum Plugin Crowdfunding für Online-Händler, oder: Kleine Beträge, viel Arbeit„Eine Bodylotion, ein Duschgel und ein Body Scrub, das hört sich erstmal nicht nach viel Geld an“, so Hendrike. „Aber bei einer Produktneuentwicklung sind doch sehr schnell Summen auf der Uhr, die ein junges Unternehmen aus dem Cashflow heraus nur schwer stemmen kann. Also ist die Frage: Wo kriegt man dann Geld her? Crowdfunding ist eine gute Möglichkeit, um relativ schnell an das benötigte Kapital zu kommen – und hat auch einen nicht zu verachtenden Marketing-Effekt und einen Marktforschungsaspekt.“