Onlinehändler verdrängen, wenn es um ihre Zahlen geht, gerne mal die Wahrheit und neigen dazu, sich ihre Situation schönzureden. Oder, um es diplomatischer auszudrücken: Sie nähren ihre Hoffnung auf die Zukunft aus einem Umsatzwachstum, der dann ja alles zum Besseren wenden wird. Dabei haben sie jedoch die Rechnung ohne die Wachstumsfalle gemacht. Diese beginnt, wie unsere aktuelle Erhebung belegt, bei ca. 2,5 Mio. Euro Jahresumsatz.
Als wir vor sechs Jahren erstmals die Wachstumsfalle ins Spiel bzw. in das Bewusstsein der Branche brachten, bekamen wir, überraschenderweise, ausschließlich Zustimmung. Dabei rechneten wir doch eher mit kollektiver Ablehnung. Wie es nun mal passieren kann, wenn unangenehme Wahrheiten angesprochen werden. Doch diesmal nickten die Köpfe von Händlern, die scheinbar schon selbst einmal Besuch vom Teufel erhielten, den wir an die Wand malten.
In Zeiten ungehemmten Umsatzwachstums fiel sie nicht auf, blieb keine Zeit für sie oder wurde gar billigend in Kauf genommen. Doch während der Umsatz stieg, stagnierte die Rendite und die Optimierung der Backend-Prozesse blieb zurück.
Anstatt die Organisation und Prozesse mitwachsen zu lassen, schielte man ausschließlich – oftmals erzwungenermaßen und eigentlich viel zu geringer Margen wegen – auf die Wachstumskurve bei Besuchern und Umsatz.
Dumm nur, dass der Umsatz auf Dauer nicht mit den Kosten mithalten kann. Und schon sitzt man mittendrin in der Wachstumsfalle.
Wir schätzten seinerzeit, dass die größten Gefahren für Onlinehändler bei einem Jahresumsatz zwischen 2,5 bis 5 Mio. Euro drohen. Hat man diese Schwelle überschritten, ist man übern Berg und kann von Skalierungseffekten und professionalisierten Prozessen profitieren.
Unsere aktuelle Erhebung aus unserer kostenlosen Shopbewertung scheint uns nun recht zu geben. Wir werteten dafür über 400 anonyme Teilnahmen aus.
Wie die erste Grafik zeigt, sind Onlinehändler, deren Umsatz zwischen 1 und 2,5 Mio. Euro liegen, prozentual gesehen am seltensten von roten Zahlen betroffen. Alles davor ist oftmals purer Überlebenskampf. Danach wird es erstmal wieder schlechter (Wachstumsfalle) und spätestens ab zehn Mio. Jahresumsatz hat man es dann vermeintlich geschafft.
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Was noch:
Dies spiegeln auch die Wachstumszahlen in der zweiten Grafik wieder, die wir ebenfalls nach Umsatzgröße geclustert haben. Das niedrigste durchschnittliche Wachstum unter unseren Teilnehmern verzeichnen dabei Onlinehändler mit den niedrigsten Umsätzen.
Der Vollständigkeit halber hier noch die Übersicht der Teilnehmerverteilung, nach Jahresumsatz.
Kurzer Nachtrag: Dass es Möglichkeiten gibt, der Wachstumsfalle zu entkommen, belegt das aktuelle Beispiel unseres Beratungskunden und bis dato wachstumsverwöhnten, erfolgreichen, Händlers:
Disclaimer: Ob unsere Erhebung nun repräsentativ ist oder nicht, mag jeder Leser selbst für sich entscheiden. Sie bestätigt jedenfalls unsere jahrelange Beobachtung der Händlerlandschaft.
Bildquelle: Ylivdesign @ bigstockphoto.com
Nils meint
Kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen!
Bis 3 Mio Umsatz und vor allem bis ca. 10 Mitarbeitern hat es Spaß gemacht. Danach musste man sich gefühlt nur noch um Sachen wie Urlaubsplanung, Krankheitsvertretung, Statistiken, Formularen und Behörden kümmern. Hinzu kamen weiche Faktoren wie zu warme oder zu kalte Gemeinschaftsbüros, einer durfte seinen Dackel mitbringen, daraus schloss der andere Mitarbeiter auch seinen Rottweiler mit ins Büro nehmen zu dürfen, Geschirr wurde nicht in die Maschine geräumt und und und…
Es ist also nicht nur eine wirtschaftliche Problematik sondern auch eine mit weichen Faktoren die den Spaß am eigenen Unternehmen schmälern.
Daher sollte man entweder von Anfang an entweder klein und ertragreich oder groß und umsatzstark planen.
Ein Hinweis: In der ersten Grafik ist der EBITDA und nicht die Umsatzgröße aufgeführt (oder die Grafik ist falsch beschriftet).
Vielen Dank für die stets tollen und informativen Beiträge!
Jürgen Dell meint
Der Artikel trifft ins Volle. Umsatz ist nicht alles. Das schlimme ist, dass durch dieses Denken bei vielen Artikeln die Margen kapput gemacht werden.