In Amazons aktuellem Aktionärsbrief teilt Jeff Bezos mit, dass über 140.000 Amazon Marketplace-Verkäufer in 2017 mehr als US-$ 100.000 (ca. 81.000 Euro) Umsatz auf Amazon erzielten. Was sich erstmal sehr gut anhört, kann aber auch anders interpretiert werden.
In seinem Artikel Arm werden mit Amazon: 95% aller Merchants erfolglos so Jeff Bezos, dreht Wortfilter den verbalen Spieß um und rechnet vor, dass dann ja ca. 95% weniger als die genannten 81.000 Euro Umsatz machen würden. Eine Erfolgsstory sähe dann ja doch anders aus.
Da hat der Steier Mark von Wortfilter, übrigens nicht zu verwechseln mit dem österreichischen Bundesland Steiermark, wieder einmal ein Fass aufgemacht. Zumindest in seiner Facebook-Gruppe wird, nur kurz nach Artikelveröffentlichung, bereits heftig gestritten diskutiert.
Ich selbst sehe das ja mal wieder weniger Schwarz oder Weiß, sondern sag es, frei nach Radio Eriwan: „Kommt darauf an.“ Vor allem ist die Frage, ob Amazon des Händlers einziger Kanal ist oder nur einer von vielen? Ist es der wichtigste Kanal oder nur ein eher unbedeutender? Reden wir von aktiven Händlern oder wurden alle Accounts mitgezählt und so weiter und so fort.
Egal wie man nun die Zahlen interpretieren möchte, interessant finde ich auf jeden Fall, dass der Wortfilter-Artikel diese nutzt um dem entstandenen Amazon-Ökosystem eine mitzugeben. Diese hausieren ja gerne damit, dass Amazon schon 50% Marktanteil habe und demnächst auf 75% wachsen werde. Auch wenn wir dies schon längst wiederlegt haben, gehen noch genügend damit auf Dummenfang.
Da wird auch gerne, um Amazons Marktanteil hochzurechnen, von 7 – 8% ø-Marktplatzgebühren ausgegangen. Andere, die es wissen müssen, da sie täglich mit einer Vielzahl an Amazon-Accounts zu tun haben, gehen lieber von 25% Kosten beim Verkauf über Amazon aus, dann allerdings inkl. Marktplatzgebühren, Amazon Werbung und FBA- Versandkosten.
Die gute Nachricht ist übrigens, dass unser DB-Kalkulator sagt, bei den, von Wortfilter, angenommenen Zahlen, würden immerhin noch 20% (knapp 14.000 Euro) Deckungsbeitrag 2 rauskommen. Was so schlecht ja nicht ist.
Annahme dabei war:
- 81.000 Bruttoumsatz
- Versandkostenfreie Lieferung
- 19% USt.
- 50% Rohertrag
- 15% Amazon Marktplatzgebühren
- 5% Werbebudget (für Amazon Sponsored Ads etc.)
- 5% Versandkosten (inkl.Pick & Pack, Verpackungsmaterial und Versand)
Mein Fazit jedenfalls lautet: Es ist fast wie im richtigen Leben. Es gibt Händler die machen vieles richtig und andere halt eher weniger. Es gibt welche die verdienen bei Amazon gutes Geld und die anderen eben weniger. Am Ende gibt es zwischen Schwarz und Weiß, halt ganz viele Graustufen. Mir geht sowohl dieses „Reich werden mit Amazon in 5 Minuten“ auf den Keks, wie das blindwütige Verteufeln von Amazon. Amazon ist grundsätzlich ein wichtiger Kanal, weil sich da die Kunden aufhalten. Nicht mehr und nicht weniger und auch nicht für jeden.
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Stefan Hoffmeister meint
Hallo Peter,
dem würde ich mich anschließen. Man kann daraus überhaupt keine pauschale Aussage ableiten. Für einen nebenberuflichen Händler, der alles über FBA abwickeln lässt, wäre das recht viel Umsatz. Für einen Multichannel Händler, der noch bei ebay, Rakuten, etc. ist, kann das ja auch schon interessant sein. Etc.
Aus meiner Sicht ist eher selten von einem Händler auszugehen, der zu 100 % nur Amazon macht und davon seinen gesamten Lebensunterhalt bestreiten möchte.
Maruvke meint
Leute, stellt den Schnaps wieder ins Regal: 50% Rohertrag! In welcher Kategorie listet ihr? Kokain, Cannabis und anderes?
Peter Höschl meint
Ja, ist tatsächlich verhältnismäßig hoch angesetzt, hatte ich an anderer Stelle auch schon geschrieben. Dafür wirst Du aber auch genügend finden, die keine 25% an Amazon bezahlen, alleine schon da sie keine zusätzliche Werbung schalten.
Aber auch wenn ich die Margensituation der genannten Sortimente nicht kenne: Es gibt genügend Händler die durchschnittlich mehr als 50% Rohertrag schaffen, zumindest in Teilsortimenten.
Carl Otto meint
Bei der Betrachtungsweise von Amazon werden ja gerne Teiaspekte aus dem großen Zusammenhang gerissen und dann zu einem eigenen Thema interpretiert.
Mal geht es in die Richtung, dass Amazon die Weltherrschaft übernimmt, mal munkelt man von Verlusten.
Unter diesem Aspekt sollte man versuchen, etwas mehr nüchterne Betrachtungweisen zu praktizieren.
Wichtig ist natürlich die Informationequelle und gleichzeitig die Datenbasis (Grundlage). Erst wenn beide Dinge geklärt und verlässlich sind, sollte man sich zu interpretationen hinreissen lassen, aber Spekulationen möglichst vermeiden.
Spielt es wirklich eine Rolle, ob der Marktanteil von Amazon im Onlinehandel mehr oder weniger als 50% beträgt? …oder geht es mehr um Eitelkeiten, wer den ‚heiligen Gral der Online-Wahrheit‘ in Händen hält?
Die entscheidende Frage für Shopbetreiber muss in meinen Augen doch eigentlich lauten: lässt sich im Online-Business dauerhaft Geld verdienen?
…und wenn ja, wie?
Glauben wir Jeff Bezzos, dann gibt es immerhin, weltweit 140.000 Onlinehändler, die mehr als 81.000 Euro Umsatz auf Amazon erzielen.
Auch hier gilt es fein zu unterscheiden, dass Umsatz und Gewinn nicht korrelieren müssen.
Aus einem Vortrag im Jahr 2017 (Plentydays) meine ich mich erinnern zu können, dass 50% der deutschen Top-100 Onlinehändler keine Gewinne machen. (Achtung => das ist nicht verifiziert)
Ob es auf eBay mehr glückliche Händler gibt?
Fazit: Verkaufen über Internet ist für viele Teilnehmer keine besonders lohnende Geschichte.
Der Grund?
M.E. ist eine besonders hohe Preistransparenz und hohe Konkurrenzdichte der zentrale Grund, warum für Onlinehändler heute die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen können.
Eigene Marken, spezielle Angebote in Nischen, zielgruppengerechte Produkte mit individuellem Service bieten natürlich noch reichhaltige Möglichkeiten, gute Gewinne zu erzielen.
Dabei ist es eigentlich egal, welche Traffic-Kanäle genutzt werden, um mit potentiellen Käufern in Kontakt zu kommen.
Peter Höschl meint
In den meisten Punkten bin ich bei Dir. Es spielt m.E. jedoch schon eine Rolle wie hoch der Amazon Marktanteil sein könnte(!), da diese Einschätzung unmittelbar Einfluß auf Einschätzungen und ggf. Entscheidungen von Händlern nimmt.
Nun könnte man darüber diskutieren, ob es für Händler sinnvoll ist, auf die Amazonzahlen zu schielen. Aber das ist letztlich müßig, Fakt ist meiner Beobachtung nach, dass sich Händler davon leiten lassen und ggf. Fehlentscheidungen oder zumindest Fehleinschätzungen treffen.
Carl Otto meint
Hallo Peter,
ich hatte irgendwie übersehen, dass Du meinen Kommentar abgedruckt und beantwortet hast.
Ich bin bei Deiner Argumentation leider nicht ganz bei Dir.
Welche Entscheidung von Online-Händlern wird denn von der unterschiedlichen Markteinschätzung von Analysten tatsächlich beeinflusst?
Für Neulinge oder bisherige Amazon-Verweigerer stellt sich natürlich permanent die Frage ob oder wie lange man es sich leisten kann, Amazon als Onlinemarkt zu ignorieren.
Amazon st doch für jeden ohne Zweifel der größte Online-Markt.
Da stellt sich doch permanent nur die Frage: „Machen oder nicht machen?“
Alle anderen Online-Händler, die schon teilnehmen, betrachten ausschließlich ihre eigenen betriebswirtschaftlichen Zahlen und entscheiden individuell, ob das Betriebsergebnis eine weitere Teilnahme rechtfertigt.
Welche Fehleinschätzung kann denn dann aus Deiner Sicht ein Online-Händler treffen?
Peter Höschl meint
Eine angebliche Übermacht von Amazon suggeriert bspw., dass sich ein eigener Shop nicht mehr lohnt und alles außer Amazon sinnlos sei. Was bestenfalls auf einen Teil der Geschäftsmodelle zutreffen mag.
P.S.: Wenn sich bei Amazon ein großer Teil meiner Zielgruppe aufhält, stellt sich die Frage m.E. nicht, ob man bei Amazon mitmachen soll oder nicht. Die Frage ist nur mit welcher Strategie man reingeht. Das mag aber jeder für sich entscheiden.
Roland meint
Der durchschnittliche Warenkorb lag bei Zalando im 4. Quartal 2017 bei 67,80 Euro – vermutlich brutto. https://www.handelsdaten.de/textilien-und-bekleidung/durchschnittliche-warenkorbgroesse-bei-zalando-nach-quartalen-zeitreihe
Der EU-Durchschnitt eines Warenkorbes soll 63,98 betragen – der DE-Durchschnitt sogar 67,95 Euro – beide Werte jedoch aus 2016. http://www.walterfries.de/wp-content/uploads/2016/07/Branchenanalyse-E-Commerce-02_2017.pdf
Ist bekannt, wie hoch der durchschnittliche Amazon-Warenkorb in 2017 war???
Das Statista-Dossier kostet leider 295 Euro (vermutlich netto), was ich mir aufgrund geringer Deckungsbeiträge, die ich bei Amazon erwirtschafte leider nicht leisten kann. Als Verkäufer liege ich knapp unter 20 Euro brutto, als Privat-Käufer sind es genau 14,97 Euro brutto. Ich meine mich zu erinnern, der durchschnittliche Warenkorb beträgt 19,05 Euro – finde doch die Quelle nicht mehr.
Mit den Inormationen kann ich aufgrund mir bekannter Durchschnittswerte von Amazon-Händlern den Sachverhalt einmal sauber durchkalkulieren. In den mir bekannten Buchhaltungen hat niemand einen Bruttowarenkorb von über 23 Euro. Diese Händler sind jedoch durchweg Anfänger und sicherlich nicht repräsentativ.
81.000 ergibt 68.067,23 netto. 15% Provision vom Bruttowert ergibt 12.150 Euro. Verbleiben 55.617 Euro. 81.000 / 20 Euro brutto, ergibt 4.050 Warenkörbe. 4.050 Warenkörbe x 4,32 Euro Versandkosten für Prime-Versand ergibt 17.496 Euro. Verbleiben 38.121 Euro. 4% Rücksendungen und Warenverluste (angeblich nie erhalten, besonders dann, wenn Amazon unversichert versendet), ergibt 4,32 für Hin- und Rücksendung, macht 8,64 Euro, x 4 = 34,56 Euro pro 100 Warenkörbe. Wir haben 4.050 Warenkörbe, macht insgesamt 1.399,68 Euro Verluste durch Schwund & Rücksendungen.. Verbleiben 36.721,32 Euro. Durchschnittliche Lagerdauer ca. 3 Monate, x ca. 0,08 Euro Lagergebühr pro Artikel (der Wert ist volatil, bis über 1 Euro pro Monat ist mir bekannt), ergibt 24 Cent x 4.050 Artikel, insgesamt 972 Euro. Verbleiben 35.749,32 Euro.
Anfänglich fallen mindestens 10% Werbekosten vom Brutto-Verkaufspreis für Amazon an – gesponserte Produkte usw. Das ergibt 8.100 Euro. Verbleiben 27.649,32 Euro.
Kosten für Versand zu Amazon und evtl. erforderliche Umverpackung und Etikettierung mit der Fnsku nicht inkludiert.
Wenn ich von einem DE-Produzenten einkaufe, dann beträgt der Netto-EK i. d. R. ca. 50% vom Brutto-VK. Das wären 40.500 Euro. Verbleibt jetzt schon ein Verlust von 12.850,68 Euro. China-Produkte sind etwas günstiger, jedoch auch sehr viel risikobehafteter.
Die Kosten, die nicht produktbezogen sind, belaufen sich bei mir im ersten Jahr, soviel darf ich verraten, auf 15.600 Euro. Das ergibt einen Verlust von rund 28.000 Euro netto bei einem Umsatz von 81.000 Euro brutto.
Kosten für Produktfotos, für Buchhaltung, Jahresabschluss, JTL, easybill, Treffen, Hotelübernachtungen, Internet usw sind in den Allgemeinkosten enthalten.
Um Gewinn zu erwirtschaften, muß man demnach die Verpackung klein gestalten, im Idealfall keine Werbeausgaben tätigen (was bei Anfängern nahezu unmöglich ist), sowie einen sehr günstigen EK realisieren (was bei Anfängern nicht einfach ist).Noch wichtiger scheint es mir, die Fixkosten für Büro usw. so gering wie möglich zu halten. Denn ob ich nur 1 Produkt pro Monat absetze, oder 10.0000 Produkte, die Telefonrechnung beträgt immer 24,95 Euro. Die Kosten für sämtliche Events (200 – 1.200 Euro) und Online-Kurse (300 – 990 Euro) und Guru-Verar… (beinahe wäre mir was rausgerutscht) von teilweise sogar 5.000 Euro kann man sich schenken. Wenn die jungen Gründer diese Kalkulation hier kennen würden, dann würde sicher kaum noch jemand dafür bezahlen. Der Gewinn liegt somit in der Kostenoptimierung – UND – im Einkaufspreis. Alles muß stimmen.
Eigenmarken erschweren die Vergleichbarkeit der Produkte. Jedoch wird niemand die ABC-Knoblauchpresse für 23,50 Euro kaufen, wenn eine identische XYZ-Knoblauchpresse für 8,95 Euro zu haben ist. Trotz aller Werbekosten. Die Absatzmenge wird gering bleiben.
Wenn jedoch der durchschnittliche Amazon-Warenkorb nicht 20 Euro, sondern tatsächlich 67 Euro beträgt, dann ist diese Berechnung hier hinfällig.
Peter Höschl meint
billbee hat mal Warenkorbwerte genannt: https://www.shopanbieter.de/10967-marktplatzreport-der-grosse-umsatzvergleich-zwischen-amazon-und-ebay
Passend zu Deinem Kommentar liegen der amazon-Warenkorb bei billbees Händlerkunden bei 20,80 Euro.
Vielen Dank auch für Deinen ausführlichen Kommentar! – zwei Faktoren fehlen m.E.: Erstens wird der gute Jeff den Umsatz vor Storno und Retouren genannt haben. Bedeutet der ø-Nettoumsatz liegt unter 80.000 Euro. Zweitens kann man aber nicht davon ausgehen, dass die Händler ausschließlich über Amazon verkaufen. Bedeutet die Gemeinkosten können nicht 1:1 umgelegt werden. Mancher verkauft bspw. nur seine Restposten über seine Restposten etc. Dann macht der Amazonanteil an deren Gesamtumsatz nur x% aus.
Peter Höschl meint
Ach ja – billbee wird wohl auch eher Anfänger / kleinere Händler als Kundenklientel haben.
Roland meint
Ja, das habe ich etwas falsch verstanden – die 81.000 Euro sind bereits Nettowerte.
Danke für den Hinweis!
Das zeigt uns doch auf, daß man den Leuten zeigen kann, wie sich die eigenen Umsätze entwickelt haben und es so möglich ist, ihnen in hochpreisigen Online-Kursen und Events dieses Wissen zu vermitteln. Gewinn wird kein Kursanbieter machen, wenn er selber nur 10.000 Euro FbA-Umsatz im Monat erwirtschaftet.
Wenn man dies verheimlicht, kann man die eigenen Kurse freudestrahlend und hochmotiviert an unbedarfte Gründer verkaufen. Mit dem Gewinn aus den Kursen kann man sich ein Haus kaufen / finanzieren und das notwendige Eigenkapital für neue Amazon-Produkte aufbringen. Wenn man erst einmal viele Produkte gelauncht hat, wenn man die Kosten und den EK im Blick behält, dann kann man von Amazon gut leben. Man braucht also viel Eigenkapital, um mit Amazon erfolgreich zu starten. Eher 50.000, als 500 Euro.
Die mir bekannten Gründer haben in 2017 zwischen 6.500 und über 25.000 Euro Verlust eingefahren. Geködert wurde mit Aussagen wie „mit 500 Euro kannst Du schon anfangen“. Das erklärt die Aussagen alter Profils in einigen Foren, nach denen keine 10% der Neulinge in drei Jahren noch dabei sein werden. Dies erklärt gut, warum die alten Hasen wie Carl-Otto Amazon nur als zusätzlichen Kanal nutzen – die Neulinge haben jedoch nur diesen Kanal, denn die Einrichtung eines Versand-Arbeitsplatzes alleine verschlingt ja schon ca. 10.000 Euro, plus Lagermiete, plus die Lohn- und Lohnnebenkosten für einen Mitarbeiter.
Ich freue mich sehr auf das Webinar am 16.05.
Peter Höschl meint
100% Agree – manch Kurs sollte besser „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ heissen.
Trotzdem können „gute“ Händler auch mit 100% Amazonanteil gute Gewinne einfahren, siehe http://renditemacher.de/amazon-udz-kategoriesieger/
Dieser Händler wächst übrigens auch im zweiten Amazonjahr noch sehr ordentlich. Aber auch bei ihm gilt: Von nichts, kommt nichts. In seinem Beispiel ist der Preis vor allem Zeitaufwand, Flexibilität und starkes Unternehmertun.
Und tatsächlich 100% Fokus auf die Zahlen!