Ich warte ja bereits seit langem auf eine technische Lösung, mit der sich Händler untereinander vernetzen und ihre Sortimente austauschen können.
Mag paradox erscheinen, schließlich ist es ja das Ziel der meisten E-Commerce-Betreiber, sich von ihrem Wettbewerbsumfeld abzugrenzen. Aber neben dem eigentlichen Mitbewerb gibt es ja eine ganze Reihe anderer Online-Händler mit denen man gemeinsam Synergieeffekte nutzen kann.
Nur ein Beispiel: Ein Onlinehändler für den gedeckten Tisch (Geschirr, Gläser, Bestecke etc.), nimmt Möbel, Küchengeräte oder auch Weine auf. Und andersrum. Wichtig ist, dass die Sortimente nicht deckungsgleich, die Zielgruppe jedoch dieselbe ist.
Technische Lösungen zur Shop-Vernetzung sind in Sicht
Eine der größten Hürden, neben der emotionalen Hemmschwelle, sind bisher die fehlenden technischen Möglichkeiten, Onlineshops untereinander intelligent zu verknüpfen.
Den Anfang machte Ende 2011 die Intershop-Tochter The Bakery, mit dem Magento-Plugin MagBakery. Dieses, gemeinsam mit der meeva GmbH veröffentlichte Plugin, verbindet Magento-Shops mit der Transaktionsplattform von TheBakery. Das wiederum bereitet die verschiedenen Datenformate und Transaktionsprozesse auf, standardisiert sie und kann sie an die vernetzten Dienstleister verteilen. So kann – laut damaliger Pressemitteilung – jeder Online-Händler mit lagernden Waren gleichzeitig zum Lieferanten für andere Online-Shops werden.
Ebenenfalls in 2011 kündigte auch der Shop Software-Anbieter Shopware AG auf seinem Shopware Community Day erstmals ein neues System zur Vernetzung verschiedener Shopsysteme mit dem damaligem Namen Shopware Connect, an.
Zwei Namenswechsel und sicherlich etliche Entwickler-Mannmonate später, wird das neueste Shopware-Kind nun unter dem Namen Bepado im Juni das Licht der Welt erblicken bzw. die Beta-Phase hinter sich lassen.
Shopman als Retter der Online-Händler?
Ich sehe grundsätzlich großes Potential für Onlinehändler bei der Integration von Sortimenten Dritter (andere Onlinehändler, Hersteller). Möglicherweise wird dies sogar eines der wichtigsten Mittel um sich im härter werdenden E-Commerce-Geschäft behaupten zu können.
Denn, während Amazon (Eigengeschäft + Marketplace) bereits ca. 30% des deutschen E-Commerce-Umsatzes für sich beanspruchen kann, die Marketingkosten ständig steigen, gibt es immer mehr ernstzunehmende Wettbewerber.
Da sind auf der einen Seite die Markenhersteller, welche immer öfter direkt vertreiben und auf der anderen Seite die mit dicken Budgets ausgestatteten Projekte von Investoren.
Und hier könnte Shopware zum Retter der Gefährdeten werden. Dazu passt, sicherlich unbeabsichtigt, dass Shopware für eine Anzeigenserie kürzlich die Kunstfigur „Shopman“ kreierte. Doch in Wirklichkeit, wird die Plattform Bepado heissen. Schade, eigentlich.
Die Shopware Lösung Bepado wird als dezentraler Marktplatz fungieren und richtet sich vor allem an kleine und mittelständische Onlineshop-Betreiber sowie an Lieferanten und Hersteller. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist es nicht einfach sich gegen die mächtigen Marktplätze und Onlineshops durchzusetzen. Neukunden-Marketing wird beinahe unerschwinglich.
Bepado soll, kurz zusammengefasst, die kleinen und mittelständischen Händler stärken und ihnen einen einfachen und profitablen Weg im Onlinehandel aufweisen, indem jeder Händler die Sortimente anderer Versender bei sich aufnimmt und an der Marge der verkauften Produkte mitverdient. Bepado ist bis zu einer gewissen Artikelanzahl kostenlos, ab dann wird eine, laut Anbieter, geringe Gebühr pro Monat erhoben, keine Verkaufsprovision.
Einzelheiten gibt es in der vergangenen Woche veröffentlichten Vorab-Pressemitteilung und dann insbesondere im Juni bei der eigentlichen Vorstellung während der Shopware Community Days.
Bepado nicht nur für Händler
Noch lässt sich der Erfolg von Bepado natürlich nicht abschätzen. Und auch wenn Shopware scheinbar sehr viel Energie in die technische Realisierung der Plattform gesteckt und dabei auch an vieles gedacht hat – spannend wird es, wenn sich die ersten Händler gefunden haben und sich Herausforderungen ergeben, an die man im Vorfeld gar nicht denken bzw. abdecken konnte.
Hier werden sich viele Themen auftun, auf die schnell und adäquat reagiert werden muss. Beispielsweise, wenn ein Händler seine zugesagten Lieferzeiten nicht einhält, Retouren schlecht oder gar nicht abwickelt und sich dies geschäftsschädigend auf den Partnerhändler auswirkt. Oder wie hält man sich schadlos, wenn mir der Partnershop abmahnfähige Produktdaten bereitstellt?
Generell, scheinen die Händler als künftige Nutzer der größte Unsicherheitsfaktor zu sein. Sehen sie vor allem die Chancen, die sich daraus ergeben oder schauen sie ausschließlich auf die durchaus vorhandenen Risiken und Herausforderungen?
Gleichzeitig, ist jedoch noch völlig offen welche Anwendungsbereiche sich, quasi als Nebeneffekt, aus Bepado ergeben.
Hersteller und Affiliates können sich freuen
Beispielsweise, für Themenportale und Affiliates zur Veredelung ihrer Reichweite. Diese warten, ja schon lange auf eine Marktplatz-Lösung für Jedermann. Auch wenn sie keine Vorstellung davon haben, was dass für sie bedeutet. Deren Meinung scheint zu sein, ein Marktplatz ist in der Abwicklung, nichts weiter als ein Affiliate-Programm mit deutlich höheren Provisionen. Ist etwas blauäugig, aber egal – die guten Affiliates und SEO-Leute, bekommen auch Themen wie Recht oder Payment leicht in den Griff.
Oder für Markenhersteller, um endlich kontrolliert den Vertrieb ihrer Produkte über Internet-Händler steuern zu können. Deren Vorteile und möglicher Nutzen von Bepado sind klar:
- Zentrale Einbindung aller zu beliefernden Händler über eine Plattform
- Kontakt zu neuen Händlern
- Kleine Händler sind ohne hohen Aufwand einbindbar
- Geringere Kosten im Bereich Technische Integration & Akquisition
- Und vielleicht am wichtigsten für Hersteller: Bessere Kontrollmöglichkeit der Verkaufspreise
Von der Idee her, hat Bepado sicherlich das Potential zum Turbo für Online-Händler zu werden. Die große Herausforderung für Shopware wird sein, Bepado dem Online-Handel nahezubringen und auftretende Probleme bzw. Anforderungen, die man heute noch gar nicht kennt, zügig zu lösen. Und dies nicht nur auf technischer Ebene.
Möglicherweise, wird es für die Initialzündung auch am wichtigsten sein, unbekanntes Terrain zu betreten und Bepado der zusätzlichen Zielgruppe Hersteller und Affiliates schmackhaft zu machen.
H.P. meint
Wir werden auf jeden Fall erstmal schauen wie so etwas anläuft. Wie peter schon richtig sagt, Marketing ist in Zeiten der übermächtig erscheinenden e-Commerce Dickschiffe eine schwierige Sache geworden, meist läuft letztendlich der Vertrieb einfach über eine Drittplattform der oben erwähnten Anbieter.
Technisch gesehen ist ein solches „product sharing“ an sich kein Thema, wir haben so etwas beispielsweise mit den Shopconnections bereits seit längerem im Portfolio. Es lässt sich aber beobachten das dieses Tool das schließlich für jeden unserer Händler nutzbar wäre ausschließlich in Großhandels- oder Multishopszenarien überhaupt genutzt wird.
Grundsätzlich ist es natürlich interessant neue Wege zu suchen, preiswert und vor allem unabhängig vom Shopsystem oder einer Drittplattform Aquise betreiben zu können. Dabei sollte vor allem die Unsicherheit die Marketingformen die nach per view oder per click Modellen abgerechnet werden umgangen werden, sichere Modelle beispielsweise per sale sind wohl nicht nur eine Alternative sondern die einzig kalkulierbare Variante in diesem Umfeld. Das Produktportfolio zu erweitern und in Gegenzug auf anderen Plattformen anzubieten ist ein interessanter Weg, bricht aber mit den gewohnheiten der Händler und mit den gewöhnlich verwendeten Marketingstrategien, wird hier doch Produktdatenmaterial händlerseitig zur Verfügung gestellt was SEO deutlichst erschwert werden Nischen geschlossen da die Händler mit immer umfassenderen Produktportfolios arbeiten, werden logistische Probleme erzeugt da Warenkörbe über mehrere Händler zum Kunden zugestellt werden müssen. Hier wäre Einsicht seitens der Händler, großes Vertrauen sowie Werkzeuge und Lösungsansätze schwarze Schafe herauszuhalten notwendig.
Persönlich glaube ich nicht daran das diese Voraussetzungen derzeit erfüllt werden können da gegenwärtig jeder Händler Terrain abzustecken und zu vergrößern sucht, somit an ein Miteinander im e-Commerce eigentlich kaum zu denken ist.
Ich lasse mich hier natürlich gern eines Besseren belehren…
Peter Höschl meint
Es wird auf jeden Fall spannend und kein Selbstläufer. Ich bin aber überzeugt, dass Bepado sehr gute Chancen hat sich zu etablieren.
Die Zeit wird zeigen wo und wie Bepado zum Einsatz kommt bzw. genutzt wird. Aber ich sehe ebenfalls großen Nutzen für die Lieferanten (Hersteller/Großhändler).
Möglicherweise ist Bepado der Weg für Lieferanten um den Internethandel endlich adäquat einzubinden.
H.P. meint
Da wäre wohl eher ein Ansatz zu finden, zumal der Großhandel gegenwärtig noch vergleichsweise unflexibel ist was die Produktdatenlieferung anbelangt. Hier wäre eigentlich ein Standard sowie eine flächendeckende Akzeptanz wichtig, darauf aufsetzende Mittlerplattformen sind dagegen bestenfalls in Ordnung wenn der Großhändler / Distributor die Produktdatenkontrolle und somit die Kontrolle über die daran hängende Vertriebsstruktur behalten kann.
Hierfür könnte man an sich eine Plattform bauen die beispielsweise per API Produktdaten sowie deren Verfügbarkeit zugänglich macht, technisch gesehen wäre das vermutlich machbar. Organisatorisch gesehen eine ganz andere Angelegenheit.
An sich gibt es bereits etwas in der Art nämlich Icecat, nicht der Dienst mit den Produktdatenanreicherung sondern der bei dem Hersteller Ihre Produkte auf die Plattform stellen und jeder darauf zugreifen kann/darf. Nur wird der Dienst kaum genutzt und der Hersteller/Distributor hat auch keine Kontrolle über den daran hängenden Vertriebskanal was ja Voraussetzung wäre.
Es müsste also eine Plattform sein auf der Hersteller/Großhändler Produktdaten einstellen können, Händler sich für eine Partnerschaft bewerben, nach Annahme können die Produktdaten genutzt. Es müsste einen Verfügbarkeitsservice geben der ständig aktualisiert werden müsste (hier wäre der Dateneinstellende gefragt), ferner müssten diese Daten immer aktuell gehalten werden, EOL Produkte entsprechend gekennzeichnet werden, Produkte die es nicht mehr gibt entfernt werden. All das über eine Schnittstelle die den Shopbetreiber nicht überfordert, ohne irgendwelche CSV Dateien oder sonstigen Quark. Eine solche Plattform dürfte den Händler nach Möglichkeit nichts oder nur sehr wenig kosten, eher wäre der Hersteller / Großhändler für die Refinanzierung heranziehbar. Für diese Plattform müsste ein offener Datenaustauschstandard beispielsweise auf XML Basis entwickelt werden der allgemein akzeptiert wird und die Shopsysteme datentechnisch bedienen kann. Ein solcher Standard dürfte selbstverständlich nicht in solche „Monster“ wie BMEcat ausarten sondern müsste auf das Wesentliche reduziert sein, hier wird schließlich nicht die Großindustrie addressiert. Um die Anforderungen der Richterschaft in Bezug auf die Datenaktualität erfüllen zu können müssten Pushmechanismen entwickelt werden, um beispielsweise ein Produkt das ausläuft ggfls. bei tausenden Shops offline zu nehmen. Es müsste auch die frage geklärt werden wer bei juristischen Auseinandersetzungen in Haftung genommen werden kann, der Hersteller der sein Produkt spät heruntergenommen hat, die Plattform die die Aktualisierung nicht flächendeckend durchziehen konnte oder der Shopbetreiber der keine manuelle Aktualisierung vorgenommen hat. Ein solches System wäre, so es angenommen würde, zweifelsohne von recht zentraler Bedeutung für den Onlinehandel so das ein reibungsloser Betrieb in absolut jeden Falle gewähleistet werden müsste.
Allein aufgrund der Wichtigkeit für viele Shops wäre das quasi eine Einladung an Botnetzbetreiber ein bisschen Kleingeld zu erpressen.
So gesehen also recht viele Anforderungen, ich würde meinen Technik, Organisation und letztendlich auch das gesetz machen eine solche Plattform wohl eher unwahrscheinlich.
Peter Höschl meint
Fast 100% Agree.
Produktdaten sind im Internet „Gold wert“. Hesrteller sollten sich die guten Internet-Händler gezielt suchen und pampern. Eben mit guten Produktdaten und die eine oder andere WKZ-Massnahme. Und Händler sind auf gute Produktdaten angewiesen, um erfolgreicher verkaufen zu können.
Ergo, kann man m.E. sowohl Lieferanten als auch Händlern etwas abverlangen – nämlich Kompetenz und auch Geld. Wer nicht bereit ist, darin zu investieren kann im Internet auf Dauer nicht mitspielen.
P.S.: Dass der Grosshandel „teilweise unflexibel ist was Daten anbelangt“ ist sehr nett formuliert. Tatsache ist, dass die meisten auch nach beinahe 20 Jahren E-Commerce in diesem Punkt unfähig sind.