Das Bundesfinanzministerium hat ein milliardenschweres Hilfsprogramm aufgelegt, um die von der Corona-Krise gebeutelte Wirtschaft zu unterstützen. Gelockerte Vorgaben für Kurzarbeit, Steuerstundungen und vor allem KfW-Kredite sollen das durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens entstandenen Umsatzlöcher ausgleichen. Wird jetzt also alles gut? Mitnichten. Denn die Bemühungen der Politik zielen an den tatsächlichen Nöten vieler Unternehmer noch vorbei.
Nicht nur Gastronomen, Hotelliers, Messebauer, Künstler und andere Freiberufler, auch Einzelhändler und ja, auch Online-Händler werden von der Krise schwer getroffen und sind zutiefst verunsichert. Das zeigt nicht nur eine aktuelle Umfrage von Andreas Frank unter über 500 Online-Händlern. Über die Hälfte der Befragten fürchtet demnach in der Krise um ihr Geschäft. Kein Wunder, denn zwei Drittel der befragten Unternehmen haben nur genug Liquidität zur Verfügung, um bis zu 3 Monaten ohne wesentliche Einnahmen durchzuhalten.
Frank befragte ausschließlich Online-Händler; doch Umfragen von bevh, HDE, Händlerbund und anderen Branchen-spezifischen Vereinigungen unter ihren Mitgliedern bestätigen seine Erkenntnisse: Vor allem kleinen und mittelständischen Betrieben droht im Shutdown ein schnelles Aus. Das bestätigen auch viele Berichte von einzelnen Händlern. „Wir haben seit 3 Tagen geschlossen und unser Offline-Geschäft ist zum Erliegen gekommen“, berichtet beispielsweise Tobias Gellhaus, Inhaber des Freudentaler Kinderladens. „Wir verlieren durchschnittlich jeden Tag knapp 4.000 Euro Nettoumsatz.“ Die Schließung seines Ladengeschäfts wird auf jeden Fall bis 19. April anhalten – was danach kommt, weiß noch niemand. Wirksame staatliche Hilfspakete müssen also schnell kommen – und sie müssen vor allem darauf abzielen, die Liquidität der Unternehmer aufzupolstern.
Die Reaktion der Regierung kam zumindest schnell
Man muss zugeben: Die Politik hat erkannt, dass die Corona-Misere die deutsche Wirtschaft hart treffen wird – und hat schnell reagiert. Bereits letzte Woche wurde das neue Gesetz zur Vereinfachung von Kurzarbeit, dessen Konzept allerdings schon fix und fertig in der Schublade von Arbeitsminister Heil lag, durchs Parlament gepeitscht. Am vergangenen Freitag traten zusätzlich Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vor die Presse und präsentierten ihren Wirtschafts-Schutzschirm.
Die Eckpfeiler des Pakets hat unter anderem die Internetworld zusammengefasst: Vereinfachtes Kurzarbeitergeld, eine Aussetzung der dreiwöchigen Insolvenzpflicht bis 30. September, zinslose Steuerstundungen und vor allem milliardenschwere Liquiditätshilfen für Unternehmen in Form von KfW-Krediten. Einzelne Länder wie Bayern und Baden-Württemberg stellen zudem Soforthilfen für betroffene Unternehmen bereit. Das Paket sei die „Bazooka, mit der wir das Notwendige tun“, sagte Altmaier ungewohnt martialisch. „Und was wir dann noch an Kleinwaffen brauchen, das gucken wir später.“
Altmaiers Bazooka ist die falsche Waffe im Kampf gegen die wirtschaftliche Corona-Krise
Wird jetzt also alles gut? Schauen wir uns die Maßnahmen doch einmal genauer an – und halten dabei vor allem kleine und mittelständische Unternehmen im Blick.
Die erleichterten Bedingungen für die Kurzarbeit, die ab 1. April gelten sollen, sorgen dafür, dass in der Krise der Staat die Lohnnebenkosten für Mitarbeiter auf Kurzarbeit übernimmt. Die Mitarbeiter bekommen dann nur noch bis zu 60 Prozent ihres Lohns. So sollen Kündigungen vermieden werden. Eine unbürokratische Umsetzung dieser neuen Regelungen könnte Unternehmern tatsächlich weiterhelfen, weil sie die laufenden Kosten reduziert, während der Betrieb stillsteht.
Die Frage wird sein, wie reagieren die Agenturen für Arbeit auf den Ansturm an Anträgen? Aus der IHK Düsseldorf wurde uns berichtete, dass die Agenturen telefonisch aufgrund der vielen Anfragen und der Umstellung auf Home Office schlecht erreichbar sind. Die IHK versucht derzeit mit der örtlichen Arbeitsagentur eine Art Vorprüfung der Anträge zu arrangieren, um den Prozess zu beschleunigen. Hier ist also noch Sand im Getriebe – das war aber angesichts der Ausnahmesituation auch zu erwarten.
Sand im Getriebe ist auch noch bei der zweiten großen Bazooka in Altmaiers Arsenal – den KfW-Krediten. Einerseits berichten uns Händler, dass die örtlichen Hausbanken häufig noch keine weiterführenden Informationen zu den Krediten haben – und deshalb auch noch keine zusätzlichen Kredite vergeben.
Und selbst wenn Unternehmer sich einen Krisen-KfW-Kredit sichern können: Je nach Ausfallwahrscheinlichkeit verlangt die KfW für ihre Kredite Zinsen zwischen 1 und 7,5 Prozent– an den Konditionen hat sich durch das Regierungsprogramm nichts geändert, nur an den benötigten Sicherheiten. Zusätzlich kann der Finanzierungspartner, also die Hausbank noch einen eigenen Aufschlag drauflegen.
Da wird aus der vermeintlichen Finanzspritze schnell zum teuren Boomerang. Denn von welchen Einnahmen sollen die Unternehmer im Shutdown die Kreditzinsen bezahlen?
Was haben wir noch? Die ausgesetzte Insolvenzpflicht gibt den Unternehmern mehr Zeit zum Brände löschen und befreit sie zumindest von der Sorge, wegen Insolvenzverschleppung belangt zu werden – eine Lösung für die Probleme bietet sie nicht.
Die Soforthilfe für Unternehmen, die Bayern auf den Weg gebracht hat, können erst beantragt werden, wenn alle Privatmittel zum Ausgleich der Unternehmensmisere aufgebraucht sind (obwohl die Frage ist, wie streng hier in der aktuellen Krise geprüft wird bzw. werden kann). Was andere Bundesländer wie Baden-Württemberg planen, wissen wir noch nicht.
Zinslose Steuerstundungen sind im gesamten Schutzschirm-Paket der Regierung die einzige Maßnahme, die Unternehmern wirklich weiterhilft – wenn sie denn tatsächlich unbürokratisch und, wie von Altmaier angekündigt, ohne „eingehendere Prüfung durch die Finanzämter“ gewährt werden. Wenn Unternehmer Steuernach- oder Vorauszahlungen zinsfrei ein- oder mehrmals verschieben können, gibt ihnen das in der akuten Krise dringend benötigte finanzielle Beinfreiheit, ohne zusätzlich Kosten zu einem späteren Zeitpunkt zu verursachen. Doch auch diese Maßnahme muss sich erst in der Praxis bewähren.
„Die Steuerstundungen habe ich bereits am 16.3. per E-Mail beim Finanzamt beantragt, bisher aber noch keine Rückmeldung, in welcher Form dies umgesetzt werden kann“, berichtet beispielsweise Tobias Gellhaus vom Freudentaler Kinderladen. „Das Finanzamt ist wegen der Infektionsgefahr aktuell nur zu 50 Prozent besetzt.“
Für eine Rettung des Mittelstands brauchen wir viel weitreichendere Maßnahmen
So sehr sich die Minister Altmaier und Scholz auch auf die Schultern klopfen: Dem Kleinunternehmern und dem Mittelstand hilft ihr derzeitiges Programm wenig. Mit überteuerten Krediten allein wird man Unternehmer, die nicht wissen, wie sie zwei Monate Shutdown überstehen sollen, nicht retten.
Stattdessen brauchen wir echte Subventionen, beispielsweise in Form von Krediten, die Unternehmen nur teilweise zurückbezahlt werden müssen.
Wenn das nicht umsetzbar ist, braucht es zumindest echte Hilfskredite – ohne Zinsen, ohne Aufschläge von der Hausbank, mit längeren Laufzeiten und erleichterten Kriterien für die Bonitätsprüfung.
Oder Soforthilfen, die echte Hilfen sind – und nicht eine Vorstufe zu Hartz4, die erst gewährt wird, wenn die Privatinsolvenz vor der Tür steht. Damit könnte die Politik zeigen, dass sie ein echtes Interesse am Schutz des Mittelstands hat. Denn die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind es, die die Corona-geschädigte deutsche Wirtschaft wiederaufbauen müssen – irgendwann, wenn die Pandemie überwunden ist.
Die bisher beschlossenen Maßnahmen taugen nicht dazu, Händlern wieder Vertrauen in ihre eigene Zukunft zu geben. Doch gerade in schlechten Zeiten soll man ja positiv denken. Und ich gehe tatsächlich fest davon aus, dass die Politik hier noch – im wahrsten Sinne des Wortes – nachschiessen wird. Nur schnell muss es jetzt gehen.