Gekauften und gefälschten Bewertungen geht es aktuell mächtig an den Kragen: Amazon sperrt seit Wochen Accounts von des Rezensionsbetrugs verdächtigen Händlern, das Oberlandesgericht Frankfurt hat verfügt, dass gekaufte Bewertungen auf Amazon nur noch veröffentlicht werden dürfen, wenn aus ihnen klar hervorgeht, dass sie gegen Bezahlung entstanden sind, und der Verband Sozialer Wettbewerb hat damit begonnen, Amazon-Seller für verdächtige Bewertungen abzumahnen. Was ist von dem ganzen Trubel zu halten – und wird das große Problem „Fake-Rezensionen“, das letztlich das Geschäft aller Amazon-Seller gefährdet, dadurch tatsächlich gelöst?
Amazon greift in Sachen Rezensionsbetrug aktuell hart durch – endlich, muss man als ehrlicher Händler oder Berater sagen. Die Blüten, die Amazons bisheriger allzu lascher Umgang mit offensichtlichen Rezensionsbetrügern erst ermöglichte, waren schließlich in ihrer Dreistigkeit nicht nur absurd, sondern auch schädlich für das Kundenvertrauen in die Amazon’schen Sterne.
Damit soll jetzt Schluss sein: Seit nun mehr fast sechs Wochen sind etliche Händler-Accounts mittlerweile gesperrt. Sämtliche Bemühungen um eine Freischaltung gestalten sich schwierig, denn Amazon ist offenbar wenig gewillt, mit den beschuldigten Händlern in Kontakt zu treten. Das bestätigt durch die Blume auch der Pressesprecher des Konzerns: „Wir haben klare Teilnahmebedingungen für Rezensenten und Verkäufer definiert und ergreifen bei einem Verstoß Maßnahmen, die eine vorübergehende Sperre, einen dauerhaften Ausschluss oder rechtliche Schritte beinhalten können.“ Im Klartext: Amazon betrachtet Rezensionsoptimierer als Betrüger und hat kein Interesse daran, deren Accounts wieder scharf zu schalten.
Das ist grundsätzlich zu begrüßen; Händler, die ihre Produkte mit gefälschten oder gekauften Bewertungen anpreisen, schaden ihren Konkurrenten in unlauterer Weise. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um abmahnbare Schleichwerbung, sagt die IT-Fachanwältin Sabine Heukrodt-Bauer (siehe Interview unten).
Und auch wenn viele Händler in den einschlägigen Facebook-Gruppen darüber klagen, dass es mal wieder nur die Deutschen erwischt und die Chinesen ungestraft weiter Bewertungen fälschen: Tatsächlich berichten aber einige Seller, dass die Fabel-Bewertungen chinesischer Wettbewerber, zumindest teilweise, bereits zurückgegangen seien.
Dennoch scheint das Sperren der Accounts aktuell zumindest in Teilen händisch vorgenommen zu werden; und das kostet Zeit und führt dazu, dass die Sperrungen bisweilen ungerecht verteilt werden. Hier wird Amazon technisch noch nachbessern (müssen). Aber der Konzern hat ja auch gerade erst so richtig angefangen. Hier dürfte in den nächsten Wochen noch so einiges passieren.
Aber vielleicht können ja andere Parteien die Lücke bis zur Entwicklung einer sinnvollen Amazon-Lösung für das Problem mit rechtlichen Mitteln überbrücken? Der Verband Sozialer Wettbewerb jedenfalls hat kürzlich damit begonnen, Amazon-Seller für Fake-Reviews abzumahnen.
Der Verband bezieht sich dabei auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt, dem zufolge Bewertungen, die gegen Geld oder Geldwerte (z.B. das kostenlose Produkt) geschrieben wurden, auf Amazon als gekauft kenntlich zu machen sind. Wir haben bei der IT-Fachanwältin Sabine Heukrodt-Bauer nachgefragt, was von solchen Abmahnungen zu halten ist – und ob auch Online-Händler ihre Konkurrenten in dieser Form abmahnen könnten.
„Fake-Reviews sind Schleichwerbung“
Frau Heukrodt-Bauer, Amazon beruft sich in seinem harten Vorgehen gegen Händler, die Produktbewertungen gekauft oder gefälscht haben sollen, auf ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt, das die Veröffentlichung von bezahlten Rezensionen nur erlaubt, wenn die „Entgeltlichkeit“ der Rezension klar dargestellt wird. Sind gefälschte oder gekaufte Bewertungen damit jetzt verboten?
Sabine Heukrodt-Bauer: Noch gibt es zum Thema Bewertungen ja nicht allzu viele Urteile, aber auf Basis der aktuellen Rechtslage kann man gefälschte oder gekaufte Rezensionen klar als Schleichwerbung bzw. als irreführende geschäftliche Handlung einstufen. Gerade wegen der Nichtkennzeichnung von Werbung wurden ähnlich schon zahlreiche Influencer auf Instagram abgemahnt; und natürlich kann Amazon gegen Schleichwerbung und Wettbewerbsverstöße auf seiner Plattform vorgehen – in einem angemessenen, rechtlich klaren Rahmen natürlich.
Auch der Verband Sozialer Wettbewerb hat diese Rechtslage schon für Abmahnungen genutzt. Können dementsprechend auch Online-Händler Konkurrenten abmahnen, die ihrer Ansicht nach Bewertungen kaufen oder fälschen?
Heukrodt-Bauer: Das ist auf jeden Fall möglich, denn wettbewerbsrechtlich gehören solche Vereine ebenso wie Mitbewerber zu dem Kreis derjenigen, die zu Abmahnungen berechtigt sind. Ein Problem könnte allerdings die Beweisführung darstellen.
Inwiefern?
Heukrodt-Bauer: Das Problem ist ja: Zweifelsfrei zu beweisen, dass eine Bewertung gefälscht ist, fällt schwer, wenn man nicht gerade den Verfasser der Bewertung ausfindig machen kann. Ansonsten gibt es nur Anhaltspunkte: Mehrere hundert neue Bewertungen binnen weniger Tage, viele Bewertungen von den gleichen Nutzern, Bewertungen, die inhaltlich Zweifel aufkommen lassen, ob der Autor das Produkt überhaupt persönlich gesehen hat, etc. Letztlich muss der Kläger die Bewertungsfälschung soweit beweisen, bis das jeweilige Gericht überzeugt ist. Da gibt es natürlich auch einen gewissen Glücksfaktor, je nachdem, an welchen Richter man gerät.
Unter Händlern kursieren Strategien, nach denen man sich auf einschlägigen Produkttester-Portalen anmelden und dort nach Konkurrenten suchen soll, die des „Rezensionsmanagements“ verdächtig sind. Und deren Aktivitäten dort per Screenshot dokumentieren, um so im Falle einer Abmahnung einen besseren Stand zu haben.
Heukrodt-Bauer: Rechtlich gesehen ist dagegen nichts einzuwenden. Nur weil ich mich auf so einer Plattform einlogge, heißt das ja noch nicht, dass ich eine Bewertung abgebe oder eine gefälschte Bewertung in Auftrag gebe. Also kann man sich da durchaus umschauen und Screenshots machen.
Aber andererseits können Konkurrenten ja die gleichen Plattformen nutzen, um einem Händler gekaufte Bewertungen unterzuschieben – und diese dann abzumahnen.
Heukrodt-Bauer: In diesem Fall muss der abmahnende Händler dann beweisen, dass die Rezensionen von seinem Konkurrenten eingekauft wurden – während der beschuldigte Händler das Gegenteil beweisen muss. Letztlich entscheidet dann das Gericht.
Aber so ein Verfahren kann sich doch monatelang hinziehen. Und solange bleiben die gefälschten Bewertungen einfach stehen?
Heukrodt-Bauer: Leider ja. Gerichte können das Problem der Flut an Fake-Reviews nicht lösen. Sie können im Bestfall nur dafür sorgen, dass alle Händler auf den Marktplätzen die gleichen Chancen haben und nicht von einem übermächtigen Amazon grund- und fristlos gesperrt werden. Wenn Amazon dafür sorgen will, dass gefälschte Bewertungen erst gar nicht auf die Plattform kommen, wird es dafür eine technische Lösung finden müssen. Dafür sind nicht die Gerichte zuständig.
Wolfgang Jagsch meint
Vollkommen richtig. Amazon muss das Problem technisch lösen. Vielleicht durch einen Upload-Filter.
Daniel meint
Sehr interessanter Beitrag, eigentlich wahnsinn, dass man Bewertungen kaufen kann. Es gibt auch reviewmeta zur Analyse – also immer zuerst nachdenken, dann kaufen! Kopf einschalten!
Anm. d. Red.: Kopf einschalten, gilt natürlich auch beim Verfassen von Spam-Kommentaren.