Exzerpt: Amazon sichert sich über eine relativ unbemerkt vorgenommene AGB-Änderung sowie eine entsprechende Voreinstellung im System das Recht zum Ankauf von Händler-Warenbeständen. Händler werden so automatisch zu Großhändlern und wer mit Produkten handeln, für die Vertriebsbeschränkungen bestehen, kann zudem mächtig Ärger mit dem Hersteller bekommen.
(Meinung) Amazon will an alle Waren – dumm nur, dass manche Hersteller oder Importeure sich weigern, ihre Produkte an den Giganten zu verkaufen. Beispielsweise, weil sie auf einen guten Fachhandel mit Beratung setzen wollen. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass Fachhändler die gefragten Produkte via Amazon verkaufen dürfen – Amazon selbst aber NICHT.
Nach eigenem Bekunden kann das dem Handelsriesen egal sein, denn der betont selbst immer wieder, er verdiene am Selbstvertrieb ähnlich wie an den Verkaufsprovisionen. Allerdings zeigen etliche Geschichten von Händlern und Herstellern, dass Amazon bei manchen Produkten sehr wohl extrem scharf darauf ist, selbst verkaufen zu können. Sehr schön publik geworden ist beispielsweise Amazons Gier nach Messern: Hier ließ Amazon kaum einen Versuch aus, irgendwie an die Ware zu gelangen – und sei durch übelste Tricks, wie die „Jeff, das Messer“-Geschichte zeigte.
Die aufwendige Trickserei im Einzelfall ist Amazon nun aber offensichtlich leid. Wozu auch mit vielen unwilligen Herstellern verhandeln, wenn man die Produkte eh schon im Lager liegen hat? Genauer gesagt in den Lagern von Händlern bei Amazon. Gut, dort gehören sie zwar nicht Amazon, aber das kann man ja ändern, dachte sich der Handelsgigant offenbar…
Änderung der AGB erlaubt Aufkauf durch Amazon
Und so wurden jetzt kurzerhand einfach die Amazon-AGB geändert, und zwar ohne eine flächendeckende Information der Händler. Man habe es im Seller Central kund getan, erklärt Amazon. Wobei einige Händler wohl auch eine Benachrichtigung per Mail erhalten haben, aber eben nur wenige.
Der Inhalt der aktuellen Änderung räumt Amazon das Recht ein, den Warenbestand von Händlern in den Lagern aufzukaufen. Und zwar zu dem Preis, den der Händler auch vom Endkunden verlangt hätte – nur ohne Mehrwertsteuer natürlich, Amazon ist ja kein Verbraucher.
Super für Händler, oder…?
Händler könnten also frohlocken und auch die Argumentation Amazons dazu, dass die Option zum Verkauf an Amazon bereits generell voraktiviert ist, dürfte in diese Richtung gehen: Dem Händler entstehen durch einen Ankauf seiner Waren ja nur Vorteile, da er dabei ja sogar seinen Verkaufspreis erhalte…
Andererseits dürfte jedem rechnenden Vertriebler auch klar sein, dass Amazon nicht ohne echten Mehrwert bereit sein dürfte, den Endkundenpreis zu zahlen. Doch worin könnte dieser Mehrwert liegen? Was war noch einmal Amazons größtes Problem beim Erlangen von (bestimmten) Waren? Ah ja.
Achtung: Ärger steht ins Haus!
Vielleicht möchte nicht jeder Händler über Nacht und durch Entscheidung Dritter vom Einzelhändler zum Großhändler werden. Das allein ist schon ein seltsames Gebahren von Amazon. Doch viel schlimmer sind die Auswirkungen auf Händler, die Waren mit Vertriebsgeschränkungen verkaufen und diese in Amazon-Lagern lagern. Sollten Sie zu diesen Händlern gehören, sollten Sie schleunigst in ihr System schauen: Ist hier die Option
aktiviert? Dann entfernen Sie dieses Häkchen besser ganz schnell. Ansonsten dürfte einiges an Ärger mit den Herstellern ins Haus stehen…
Aber auch wenn dicht die Gefahr besteht, dass Amazon durch den „Federstrich“ der AGB-Änderung dafür sorgt, dass Sie vertragsbrüchig werden gegenüber eventuellen Vertriebsverträgen: Vielleicht möchten Sie einfach nur nicht, dass Amazon Ihre Produkte verkauft? Auch dann müssen Sie tätig werden: Da Amazon sich das Ankaufsrecht ja bereits eingeräumt hat, müssen Sie dies aktiv wieder „ausschalten“. Am besten wie gesagt schnell – bevor Ihr Lagerbestand plötzlich zu Amazon gewechselt hat…
Wie denken Sie über Amazons neue Option, in seinen Lagern untergebrachte Händler-Waren anzukaufen? Kommentieren Sie hier oder gern auch auf Facebook.
Herzlich aus Hürth
Nicola Straub
Mehr Infos zur aktuellen AGB-Änderung gibt es beim Handelsblatt.
Bild: PublicDomainPictures via Pixabay.de
Steffen meint
…ich habe die Option gestern schon deaktiviert. Man findet die Einstellung hier:
Die Option „Zulassen das Amazon Ihren Lagerbestand kauft“ finden Sie in Ihrem
— Seller Central
— Einstellungen
— Versand durch Amazon
— Lagerbestandseinstellungen.
Warum sollte ich Amazon auch zur eigenen Konkurrenz werden lassen? Vorher steige ich lieber auf PAN um.
Viel Erfolg.
Steffen
Jürgen Dell meint
Ist das eine allgeimene Einstellung oder kann man es auf Produktebene noch steuern? Aktuell nutze ich noch kein FBA.
Ralph P. Görlach meint
Es ist eine allgemeine Einstellung. Ohne FBA auch kein Problem. Wir haben uns aufgrund der sehr Amazon-freundlichen und absolut Lieferanten-feindlichen Vertragsbedingungen gegen eine Zusammenarbeit mit Amazon entschlossen. D.h. wir beliefern Amazon nicht, obwohl Amazon unsere Produkte gern vertreiben würde.
Rainer Brouwer meint
Nun Amazon sieht natürlich Verkaufszahlen eines Produktes.
Das dann eben Produkte selbst vertrieben werden ist die logische Konsequenz daraus.So werden kleine Händler an die Wans gedrückt.
Business as usual !!