Bereits vor zwei Jahren wurde bei XING die Frage gestellt, was ein bestehender Onlineshop wert ist. Leider wurden bei der Eingangsfrage bzw. den Angaben zum Verkaufsumfang, lediglich technische Features, wie Shopsystem, gute Suchmaschinenpositionierung etc. pp. aufgezählt.
So war es kein Wunder, dass sich die folgende Diskussion lediglich um den Wert eines Shopsystems drehte. Nun wurde die Diskussion erfreulicherweise wieder hochgeholt und um die eigentlich relevanten Faktoren ergänzt.
Auf solidere Beine stellt die Diskussion nun unter anderem Jörn Steinhauer von der alphasystems gmbh, der meint: "Für den Verkauf des Shops sind Technik und Design nur sehr unwesentliche Faktoren. Das einzige was zählt, ist der Umsatz und die Nettoumsatzrendite. Anhand dieser Zahlen kann man sich ein Bild machen, ob es lohnen würde, den Shop zu kaufen oder nicht." So ist er auch der Meinung, dass betriebswirtschaftlichen Werte die einzig relevanten Grössen für einen Kauf eines Shops sind und listet diese auch gleich wie folgt auf:
- Konditionen zu den Lieferanten
- Umsatz
- Verhältnis Stammkunden / Neukunden
- Umsatzentwicklung der letzten 12 Monate
- Jahresumsatz
- Rendite
- etc. pp.
Als Faustregel – abhängig von eben diesen Zahlen, dem Entwicklungspotential und sicherlich auch der Branche und natürlich auch dem Lagerwert – gilt seiner Meinung nach: Kaufpreis = 0.5 – 1.5 fache des Jahresumsatzes.
Da alphasystems gmbh meines Wissens einige Onlineshops betreut, wäre es nun noch interessant, ob diese Faustregel auf konkreten Erfahrungswerten beim Verkauf von bestehenden Onlineshops basieren. Oder ob dies eher eine allgemeingültige Formel in der Betriebswirtschaft ist. Ich bin ja schon lange auf der Suche nach Berechnungsgrundlagen zum Wert eines Onlineshops. Falls hier in der Runde jemand etwas – via Kommentarfunktion – beitragen kann bzw. möchte, bitte gerne!
Übrigens: Wer seinen eigenen Onlineshop verkaufen möchte, hat schon seit längerem die Möglichkeit diesen kostenlos in unserem Marktplatz anzubieten. Auch Kaufgesuche wurden bereits veröffentlicht.
Jörn Steinhauer meint
Bez. genannter Wert: Das ist ein Erfahrungswert aus bekannten Shopverkäufen und deckt sich auch mit den Angaben von Wirtschaftskanzleien.
Bei all diesen Werten (nach unten und nach oben natürlich durchaus abweichend) ist ein entscheidender Faktor immer, ob sich auch ein Käufer finden lässt, der bereit ist, den Preis – welchen man immer auch ansetzen mag – zu bezahlen.
Und für den Käufer spielen sicherlich erst einmal die betriebswirtschaftlichen Zahlen eine Rolle.
Hinzu kommen weitere mögliche Faktoren, die sowohl für den Kauf als auch für den Preis entscheidend sein können:
– Mitbewerb „aufkaufen“. Eine Motivation könnte sein, sich den Mitbewerber durch Aufkauf vom Hals zu schaffen und damit die eigene Position zu stärken.
– Ein guter und „gesetzer“ Domainname, ggf. auch mit den entsprechenden Markenrechten hinterlegt. (Beispiel: pizza.com).
– Gute Lieferantenkonditionen oder Zugang zu interessanten Lieferanten (hängt stark mit dem Mitbewerbs-Thema zusammen)
Der genannte Faktor ist daher nur eine grobe Faustregel und dient erstmal dazu, ein Gefühl dafür zu bekommen, was man verlangen kann. Die Grenzen sind fliessend und nach oben und nach unten offen…
Markus Thies meint
Daß der technische Bereich gar keine Rolle spielen soll, halte ich für unwahrscheinlich. Vielmehr wird er in Abhängigkeit zu der betriebswirtschaftlichen Größe des des online Shops stehen. Sicher wird es bei dem Verkauf/Kauf eines Großgewichts keine Rolle spielen, welches Design oder oder welches Shopsystem dort genutzt wird.
Aber die Mehrzahl der Verkäufe werden doch eher als Ergänzung zu bestehenden kleinen Shops oder an stationäre Händler gehen.
Und da werden m.E. nach Googlelisting, Usability verkauft.
Jörn Steinhauer meint
technik und design spielen nicht „gar keine Rolle“ sondern nur eine sehr untergeordnete / kleine. Wir haben bei vielen verkäufen gesehen, dass sogar das Design und die Technik komplett gelöscht und durch die eigenen Systeme ersetzt wurden oder einfach nur eine Umleitung statt fand. Massgeblich waren immer die betriebswirtschaftlichen Zahlen. Oft haben die Käufer von der Technik gar keine oder nur eine sehr geringe Ahnung.
Dr. Wolf Blass meint
Nichts ist so alt, wie die Ware der letzten Saison. Man müßte in einer Due Dilligence neben den o.a. Faktoren auch die Höhe der Abschriften (bis zum 80%) der letzten 4 Jahre analysieren. Dann hätte man einen Wert des Lagerbestands. Dazu kommt noch ds 3-4-fache des EBIT, bz.w das EBI der letzten 3-4 Jahre. Das ergibt einen Kaufpreis, denn man problemlso über 4 Jahre abschreiben kann – wenn die künftigen Erträge stimmen.
Johannes Altmann meint
In den letzten zwei Jahren konnte ich einige Shopverkäufe verfolgen und sehe die Formel sehr theoretisch. Bei kleinen bis mittelständischen Online-Shops mit einer durchschnittlichen Domain stellt sich schnell die Frage nach „make or buy“.
Umsatz x 1,5 lässt vermuten, dass eine Hardware-Bude mit 50.000 € Umsatz gleich mal 75.000 € Wert ist. Tatsächlich ist der Shop vermutlich nichts Wert. Die Artikel werden beim Großhändler bezogen, die Konditionen nach Standard Preisliste berechnet und eine Kundenbindung ist nicht vorhanden, weil User nur über Preisvergleiche gewonnen wurden.
Was sagt eigentlich der Umsatz aus? Ein Shop ist doch nur gut, wenn die Conversion zwischen Besucher und Käufer gut ist. Dann lässt sich über Marketingaktivitäten der Umsatz rentabel erhöhen. Die Conversion ist dann gut, wenn der Shop-Betreiber in hochwertigen Content, gute Produktbeschreibungen, ein Logo, eine gute Usability etc… investiert hat.
Schwieriges Thema, das ich gerne auch mal gelöst hätte. Aber die Formel Umsatz mal x ist mir zu banal.
Viele Grüße
Johannes Altmann
Hans Ophüls meint
Ja, da stimme ich zu. Der Umsatz ist im allgemeinen nicht die entscheidende Größe. Eher für Jemanden interessant, der die genauen Branchenverhältnisse kennt.
Komisch, dass das noch keiner gesagt hat, entscheidend ist doch der Gewinn.
Und dann muss mann den Gewinn abzinsen und für z.B. für 5 Jahre summieren.
Zu klären ist dann noch welchen Arbeitsaufwand der bisherige Betrieber hineingesteckt hat. Habe ich z.B. einen Gewinn von 30.000 EUR. Aber der Betreiber hat dafür täglich 12 h gearbeitet, klingt das nicht besonders interessant.
Besser wäre es der Gewinn wäre 30.000 EUR und es gibt einen bezahlten GF.
Viele Grüße
Hans Ophüls
shopanbieter.de meint
Auch Exciting Commerce hat sich nun diesem Thema angenommen. Interessant ist dort auch ein Kommentar vom Betreiber des Onlineshops http://www.styleon.de, aus welchem ich gerne zitiere: „Ich habe mal mit einem Investor gesprochen der mir sagte das man in der Regel das 10 bis 20-fache des Jahresgewinns als Kaufsumme ansetzen kann. Und ich denke dass das auch einen fairen Kaufpreis darstellt.“
Setzt er diesem Wert nun die im Artikel genannte Faustregel (Kaufpreis = 0.5 – 1.5 fache des Jahresumsatzes) kommt er übrigens in etwa auf diesselbe Summe.
Link zum Exciting Commerce-Artikel: http://ecommerce.typepad.com/exciting_ecommerce/2008/06/shopbrse-wievie.html
Johannes Altmann meint
…auch nach dieser Formel würde ich wieder sagen. Kommt drauf an. Ein Shop mit 300.000 EUR Umsatz macht vielleicht 30.000 EUR Gewinn – Aus sicht einer One-Man-Show. ein Investor sagt ein Geschäftsführer sollte mit 100.000 EUR kalkuliert werden bei 40 Std. / Woche. Außerdem soll der GF nicht zugleich packen… und schon gibt’s in vielen Shops keinen Gewinn mehr. Das eigene Engagement ist doch der eigentliche Wert mancher Shops.
Jörn Steinhauer meint
Hallo Herr Altmann, hallo Herr Ophüls,
wie schon mehrfach erwähnt, ist es natürlich nur eine Faustformel, die eine „GROBE“ Annäherung an einen möglichen Preis darstellt. Dinge wie Conversion Rate, Verhältnis Stammkunden / Neukunden, etc. sind sicher ebenso wichtige Faktoren… wir haben schon Shops mit dem 3 und 5 fachen Jahresumsatz im Verkauf gehabt, genauso wie Shops, die für einen Euro übernommen wurden und nur der Lagerbestand abgelöst wurde. Die Formel ist weder heilig noch segensbringend… sondern soll nur ein „Gefühl“ dafür geben… wie auch schon geschrieben – ohne interessierten Käufer hilft keine Formel etwas 😉
Liebe Grüsse
Tobi Spill meint
Hallo die Herrn,
wenn ich schon so nett zitiert werde, möchte ich auch noch kurz ein paar Sätze zum Thema los werden.
Ich finde das Thema nämlich sehr spannend, da es für mich in 2-3 Jahren evtl. mal interessant sein könnte.
Sicher ist jedem klar das am Ende immer nur der erwirtschaftete Gewinn zählt. Der Umsatz ist keine Kennzahl an dem man den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens wirklich feststellen kann. Ausgenommen vielleicht Shops die in den Anfangsjahren sehr viel in ihre Infrastruktur investieren müssen und daher trotz gutem Umsatz kaum Gewinn erwirtschaften (Aber solche Investitionen kann man ja in den Bilanzen sehen und entsprechend raus rechnen).
Daher sollte bei einer solchen Faustregel oder Formel, immer mit dem Gewinn gerechnet werden.
Ich denke auch das wir hier sowieso über Shops sprechen im mittleren Bereich, so zwischen 20.000 und 500.000EUR Gewinn im Jahr.
Denn alles was drunter ist lohnt sich nicht für einen Investor zu kaufen und bei großen Anbietern wie die großen Versandhäuser oder Marktführer in ihren Nischen wie z.B. Zooplus.de oder Gourmondo.de kann man sowieso keine Faustregel oder Formel herleiten, da hier noch viele andere Faktoren eine Rolle spielen (z.B. Kooperationen mit großen Medienpartnern, großer Bekanntheitsgrad oder Eigenmarken etc.).
Abhängig ist die Faustregel/Formel und somit auch der Preis dann sowieso immer vom Investor.
Wann will dieser sein Kapital zurück und wie hoch muss seine Rendite sein.
Da ich leider zu wenige kenne, kann ich hierzu keine Aussagen treffen, aber vielleicht gibt es ja den ein oder anderen Leser der auf Erfahrungswerte zurück greifen kann.
Arthur W. Borens meint
Ja, irgendwo haben alle Recht. Insbesondere, dass diese Faustformel wohl nicht sehr zuverlässig ist.
Ich habe mir mal erlaubt, eine solche Schnellberechnung mit mehreren Eingabekriterien zu kreieren und die Zahlen durch einen ganzen Satz von Formeln zu jagen. Alles wurde in eine kleine Webseite gepackt: http://www.shoptax.de.
Die Sache ist natürlich auch nicht viel mehr als ein Schnellschuss, kommt aber der Realität sicher wesentlich näher als jede grobe Faustformel.
Ich würde mich über direkte Feedbacks (nicht hier, hier lese ich nur selten, gerne per eMail) freuen, denn verbessern kann man die Sache sicher noch, inbesondere was die den Berechnung zugrunde liegenden „Konstanten“ angeht. Alles fließt… 😉
MfG
AWB
Arthur W. Borens meint
Ich habe heute (Sonntag) die Formeln noch etwas verfeinert und die Hinweistexte [?] überarbeit.
MfG
AWB
Arthur W. Borens meint
Nachdem nun einige Feedbacks eingetroffen sind, wird ShopTAX noch weiter überarbeitet. Danke für die Feedbacks und bitte weiter testen… 😉
LukasS meint
abwarten,der Trend ist nicht der das online Shops in der Zukunft gekauft werden,die bringen zu wenig ein und haben alle ihre Grenzen. Dazu kommt,der Markt ist voll…naja überschwemmt ist der bessere Ausdruck
Arthur W. Borens meint
Aha! Da spricht der Fachmann!
Ich glaube, dass jeder von uns zuhause Tapeten an der Wand hat und dennoch soll es Leute geben, die welche verkaufen. Warum nur?
*SCNR*
MfG
AWB
shopanbieter.de Blog für den Onlinehandel meint
Vergangenes Jahr fragten wir was ein bestehender Onlineshop wert ist und stellten eine Faustformel als Diskussionsgrundlage vor. Bei der anschließenden, sehr interessanten, Diskussion waren sich auch die Teilnehmer einig, dass letztlich betriebswirtschaft