Stadt olé, Land adé: „Ja, ganz klar. Same Day Delivery (SDD) hat absolut natürliche, geografische Grenzen“, sagte Nils Fischer, Mitgründer und Geschäftsführer von dem Expresslieferservice Liefery, im „eye2eye„-Gespräch mit Olaf Kolbrück von etailment und Alexander Graf von Kassenzone. Demnach ist am Rande der Metropol-Regionen einfach Schluss, da sich auf dem Land taggleiche Lieferungen wirtschaftlich nicht mehr tragen. Das ist wiederum bitter für Graf, der gerade erst aufs Land gezogen ist. „Wenn man SDD auf dem Land anbieten kann, ist die Nachfrage sogar stärker als in der Stadt, genau weil weniger Läden vorhanden sind“, sagt der Kassenzone-Blogger. Dem stimmt Fischer zwar zu, dafür muss aber die Nachfrage entsprechend hoch sein. Denn die grundlegende Herausforderung sei, ob man mit den Bestellzahlen profitabel arbeiten kann.
Laut Timo Koch, einem Berliner Unternehmensberater für Logistik, liegen die räumlichen Grenzen in der Entfernung zwischen den Logistikzentren und den potentiellen Kunden.
Regionale Digitalisierung
Dass es immer noch Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt, zeigt der „D21-Digital-Index 2015“ von der Initiative D21 und TNS Infratest. Demnach haben zwar die „Kleinstädte und ländliche Regionen im vergangenen Jahr im gesamten Index um vier Prozentpunkte aufgeholt und damit beinahe an die Großstädte aufgeschlossen.“ Aber der Abstand beträgt laut der Erhebung immer noch 2 Punkte.
Im vergangenen Jahr hat das Land (Orte bis 50.000 Einwohner) in fast allen Bereichen der Digitalisierung zugelegt: beim Zugang, der Kompetenz und er Offenheit. Nur bei der digitalen Nutzung gab es einen Rückgang. Im Gegensatz dazu zeichnet sich für die Städte (Orte ab 50.000 Einwohner) eine fast durchweg negative Entwicklung ab.
Bestellgemeinschaften
Eine Lösung fürs Expresslieferungen auf dem Land sieht Alexander Graf in Bestellgemeinschaften für einzelne Gemeinden. „Bestellgemeinschaften wären toll, wenn der Paketfahrer einen Stopp macht und zehn Sendungen ausliefern kann“, sagt Fischer und fügt hinzu: „Das ist natürlich der Traum eines jeden Logistikers, wenn er denn auch zehn Mal Liefergebühren bekommt und nicht nur ein Mal.“ Seiner Meinung zufolge hängt es am Ende immer von der Drop-Dichte ab. „Diese beeinflusst nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern auch den Preis, den der Händler zahlen muss. Insofern funktioniert SDD im Moment nur in größeren Städten, wo wir auch so viel Volumen haben, dass sich das am Ende auch für alle Beteiligten rechnet“, erklärt der Liefery-CEO.
Das Konzept der Kooperation könnte sich auch auf Händler übertragen lassen. „Dabei könnten sich zum Beispiel Depot und Rewe zusammentun. Diese könnten sich auch in die Kosten teilen und den Lieferradius ausdehnen“, schlägt Kolbrück vor. In der Theorie klingen solche Vorschläge natürlich wunderbar, aber auch hier muss Fischer wieder Einschränkungen machen: „Delivery-Gemeinschaften können durchaus Sinn machen. Das fordert natürlich immer gewisse Anpassungen. Das sehen wir teilweise auch bei unseren Kunden. Es gibt da sehr unterschiedliche Ausprägungen von Services.“ Denn jeder Händler hat seine eigenen Vorstellungen, wie er solche Dienste anbieten möchte. Laut Fischer hat das unter anderem etwas mit der Dauer und der Anzahl von Lieferzeitfenstern zu tun, aber auch, ob es Nachbarschaftsabgabe oder Safe Place Hinterlegungen geben soll. „Das sind alles Fragen, die von allen Parteien der Liefergemeinschaft beantwortet werden müssen“, erklärt der Liefery-Mitgründer.
Zeitfenster
Same Day Delivery erwarten momentan nur 7 Prozent der deutschen Kunden, zeigte eine Studie des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagement (IIHD) an der FH Worms unter 800 Befragten im Dezember vergangenen Jahres. „Sämtliche Studien sagen, dass Same Day Delivery nicht so wichtig ist wie ein verlässliches Zeitfenster“, sagt Handelsexperte Gerrit Heinemann. Verlangen die Kunden also gar nicht unbedingt nach taggleicher Lieferung?
Laut Nils Fischer von Liefery geht es bei SDD gar nicht so sehr um Geschwindigkeit, sondern um die Planbarkeit. „Der entscheidendere Part bei der taggleichen Lieferung ist die Zustellung in einem Zeitfenster, weil es für die Kunden immer mehr um das Thema Bequemlichkeit geht“, sagt Fischer und fügt hinzu: „Die Zeitfenster-Lieferung ist eine Ausprägung von SDD. Zeitfenster können viele Logistiker schon umsetzen, aber oft nicht am selben Tag.“
Immer mehr Kunden wünschen sich genaue Anlieferversprechen, erklärt Timo Koch. „DPD versucht das beispielsweise mit seinem Live-Tracking zu kommunizieren – was auch einmal bei mir geklappt hat. Aber SDD und ein konkretes Zeitfenster müssen sich nicht ausschließen“, sagt auch der Logistikexperte.
Abholung
Eine alternative Lösung ist die Abholung im Laden. Dabei gibt es (mindestens) zwei Ausprägungen: Click & Collect und Ship to Store. Ersteres beschreibt die Reservierung oder den Kauf von Produkten, die bereits im Laden vorhanden sind. Zweiteres meint den Prozess von Reservierung oder den Kauf von Produkten, die erst noch in eine Filiale geliefert werden müssen. Ship to Store dauert also entsprechend länger.
Aber auch bei der Abholung müssen viele Aspekte berücksichtigt werden: „Die Filiale muss auf dem Weg des Empfängers liegen. Liegt der Abholpunkt in der Innenstadt, muss man unter Umständen sein Paket auch schleppen“, sagt Timo Koch. Liegt die Abholstation dagegen in einem Gewerbegebiet, dann kann ich das Paket gleich in den Kofferraum packen. „Abholstationen in der Nähe von Supermärkten, Tankstellen oder Einkaufszentren finde ich spannend. Diese Trends wurden aber bereits vor zehn Jahren diskutiert. Seitdem hat sich aber nicht viel getan“, erklärt Koch.
Mix it, Baby
Die Mischung macht’s – das gilt auch für Lieferungen: Denn laut dem Trendbuch 2016 könnte das Problem der „letzten Meile“ zum Beispiel mit Uber-Technologie kleiner werden. Welche weiteren Trends in Sachen „letzten Meile“ sich durchsetzen werden, weiß aber auch Koch nicht genau: „Das ist immer schwierig zu sagen, welche Trends sich durchsetzen. Wenn ich das wüsste, würde ich selbst derartige Unternehmungen gründen.“
Seiner Meinung zufolge wird sich ein Mix aus verschiedenen Zustell-Optionen durchsetzen. „Was aber auf jeden Fall kommen wird, ist die Zeitfenstergenaue Lieferung – Pakete werden dann angeliefert, wenn der Empfänger zu Hause ist, via mobiler Technik lässt sich das ja irgendwie an einen Zusteller übermitteln“, sagt der Berater und fügt hinzu: „Ich denke, viele Zustelloptionen werden ihre Berechtigung haben, ein Mix wird sich am Markt durchsetzen.“ Dazu zählt er zum Beispiel den Paketkasten, Packstationen und die Belieferung am Arbeitsplatz wie Pakadoo. Demnach liegen die größten Chancen in der Vernetzung von Informationen und Technologien, um dann eine Sendung zu zustellen, wenn der Empfänger anwesend oder abholbereit ist.
„Same Day Delivery wird sich für Metropolen und für bestimmte Sortimente durchsetzen, unter anderem im Elektronikbereich, ggf. auch für hochwertige Konsumgüter – also Ware, die ein Konsument unbedingt innerhalb weniger Stunden erwerben möchte“, prognostiziert der Logistik-Experte. Aufgrund der noch relativ hohen Zustellkosten lohnt sich SDD nur für Produkte mit einer gewissen Marge. „Ich denke auch, dass ‚kleinere‘ Händler eine Nische finden könnten, wenn sie sich mit Top-Sellern aus ihren Sortimenten zusammenschließen und Lager in Metropolregionen anmieten. Das soll nicht als Konkurrenz zu Amazon verstanden werden, sondern eher als Chance, dass es Konsumenten gibt, die gern kurzfristig ihre Ware erhalten möchten“, sagt Koch abschließend.
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(Beitragsbild: Roller via pixabay.de)