Nichts schien die Probleme der internationalen Logistik besser in Szene zu setzen, als die Bilder der im Suezkanal quer liegenden „Ever Given“. Sechs Tage lang blockierte das Container-Schiff im März dieses Jahres die wichtige Durchfahrt und zeigte der breiten Bevölkerung auf, was Händler schon lange wissen: Die globale Logistik ist empfindlich und zerbrechlich.
Dabei war die Havarie der „Ever Given“ nur eines von vielen Problemen, mit denen Logistiker auf der ganzen Welt dieses Jahr bisher zu kämpfen hatten. Weit schlimmere Auswirkungen auf den weltweiten Handel hatte ein Corona-Ausbruch unter den Dockarbeitern im Hafen von Yantian, dem größten Containerhafen Chinas. Der Rückstau der Container, die während der Corona-Maßnahmen nicht gelöscht werden konnten, wirkt immer noch nach. Bis Ende des Jahres könnten Container dort fehlen, wo sie gerade gebraucht werden, schätzen Experten. Sind die Container aber nicht dort, wo sie erwartet werden, gerät das gesamte weltweite Logistik-System aus den Fugen: An einem Ende der Welt stauen sich die Schiffe und warten darauf, im Hafen gelöscht zu werden, am anderen stehen Hafenkräne still. In der Industrie kommen benötigte Teile nicht rechtzeitig an, in Produktionsstätten fehlt es an Auslieferkapazitäten. Der Druck – auch der politische – auf Reedereien steigt; und damit auch die Containerpreise. Und das bekommt aktuell jeder Händler zu spüren, der seine Ware aus Fernost importiert oder fertigen lässt.
Unterm Weihnachtsbaum könnte es luftig werden
„Wenn es in Asien Lieferprobleme gibt, spüren wir das auch im Preis“, sagte der Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), kürzlich dem Portal t-online.de. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass viele Produkte aus Fernost in den kommenden Monaten deutlich teurer werden.“
Das liegt an den gestiegenen Transport-Kosten: Bezahlten E-Commerce-Unternehmen vor wenigen Jahren noch 1.200 Dollar, vor einem Jahr knapp 2.000 Dollar für einen 40-Fuß-Container von Shanghai nach Rotterdam, waren es zuletzt schon bis zu 16.000 Dollar am Spot Markt. Das bringt die bisherigen Margen-Kalkulationen in ernste Schwierigkeiten.
Mancher Händler wird sich ob der Kosten genau überlegen, welche Produkte er zukünftig aufs Schiff laden lässt. Kürzlich gab der schwedische Möbelriese Ikea bekannt, im Geschäftsjahr 2022 das Sortimentsvolumen in Europa um rund 5 Prozent einzudampfen. Der Grund: „Einschränkungen des Warenflusses aus Asien“ bei steigender Nachfrage, so eine Unternehmenssprecherin.
Und selbst wenn Händler die höheren Containerpreise in Kauf nehmen und die gleichen Warenmengen wie bisher auf die Reise schicken: Die fehlenden Frachtkapazitäten und die hohe Nachfrage nach Containern – die aktuell nicht so schnell gebaut werden wie sie benötigt werden – führen zu Verzögerungen in der Lieferkette. Verspätete Lieferungen sind die Folge.
Ausweg Frachtgemeinschaften?
Dazu kommt, dass die hohe Nachfrage-Situation dazu führt, dass so mancher Logistiker seine raren Frachtkapazitäten eher an Großkunden oder langfristige Partner vergibt; die Aufträge kleinerer Händler werden dagegen immer wieder zurückgestellt – oder sie sehen sich horrenden Preisforderungen gegenüber. „Deshalb ist es wichtig, Seefrachtmengen langfristig zu denken und sich Tender kontinuierlich zu sichern“, rät Stephan Thönnissen, CCO der Berlin Brands Group (BBG). „Und: Jeder sollte auf die Auswahl der Logistikpartner achten. In Zeiten wie diesen zeigt sich, dass etablierte Partner meist auch die zuverlässigeren sind.“
Auch BBG ist von den Lieferverzögerungen durch die Wartezeiten in den chinesischen Häfen betroffen, kann aber aufgrund der großen Liefermengen der Gruppe auf priorisierte Behandlung hoffen. Händler, deren Frachtmengen klein sind, sollten über Einkaufsgemeinschaften nachdenken und das Frachtvolumen zusammenlegen, rät Thönnissen. „Das verbessert die Verhandlungsposition. Und so lassen sich auch langfristige Partnerschaften mit Forwardern und Reedereien aufbauen.“ BBG denkt offenbar aktuell über die Einrichtung einer solchen Frachtgemeinschaft mit anderen DTC-Marken nach. Denn die Probleme in der internationalen Logistik werden sich noch mindestens bis nächstes Jahr hinziehen. Und bis zum Weihnachtsgeschäft müssen Händler eine Lösung gefunden haben.
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