Im Zeitalter des Facebook-Booms sind „Likes“ zur Leitdevise geworden und sorgt die Aussicht auf neue Statusanzeigen wie „Want“ und „Purchased“ bei allen Evangelisten des Social Commerce für Verzückung. Der Grund dafür ist, dass Marketing-Experten Empfehlungen durch Peers beim Kaufprozess eine wichtige Rolle zubilligen.
Dass der Wert einer Empfehlung möglicherweise doch niedriger liegen könnte als gedacht, deutet nun eine Befragung des Marktforschers Ipsos Open Thinking Exchange an. Demzufolge liegen Empfehlungen in sozialen Netzwerken zwar global im Trend. So empfehlen Vier von zehn Internetnutzern (39%) weltweit Marken, die ihnen gefallen und denen sie folgen. In Deutschland tut das allerdings nur jeder fünfte (19%). Und sogar nur jeder zehnte Internetuser in Deutschland (9%) würde ein Produkt oder eine Serviceleistung kaufen, wenn ein Freund dieser via Social Media folgt, im weltweiten Durchschnitt sind das 22 Prozent.
Die Skepsis gegenüber Empfehlungen wird noch deutlicher, wenn man auch das Verhalten außerhalb der Websphäre miteinbezieht. So vertrauen laut der Ipsos-Befragung nur 29 Prozent der Deutschen einem Produkt oder einer Serviceleistung mehr, wenn sie dafür eine Empfehlung von Freunden oder Verwandten bekommen haben. Jüngere Befragte (unter 35 Jahre) sind für derartige Tipps allerdings mit 39 Prozent überdurchschnittlich empfänglich. In den USA (46%), Kanada (47%) oder auch Russland (46%) setzt man bei Kaufentscheidungen doch deutlich stärker auf Empfehlungen des sozialen Umfeldes. Franzosen (26%), Japaner (27%) und Araber (27%) sind dagegen eher zurückhaltend.
Ipsos Deutschland-Manager Sandro Kaulartz wertet das Umfrageergebnis als Plädoyer für eine differenzierte Betrachtungsweise:
„Das Potential ist da. Je mehr eine Marke in der Lage ist, „Follower“ oder „Freunde“ zu generieren, um so stärker der potentielle Einfluss auf den heiligen Grahl „ROI“, wenn jeder einen kennt, der einen kennt, der das Produkt auf Empfehlung – via Social Media oder auf dem klassischen Weg – kaufen würde. Aber vor allem sollte es das Ziel der Marketeers sein, den Marken eine Geschichte zu geben, sie relevant und aktiv werden zu lassen, so dass es auch interessant ist, ihnen zu folgen. Und wer einer interessanten Marke folgt, überzeugt auch seine Freunde!“
Martin Schröder meint
„So vertrauen laut der Ipsos-Befragung nur 29 Prozent der Deutschen einem Produkt oder einer Serviceleistung mehr, wenn sie dafür eine Empfehlung von Freunden oder Verwandten bekommen haben.“
Wie realistisch mögen derartige Zahlen sein? Aus meiner Sicht: vollkommen unrealistisch. 71 Prozent der Deutschen stehen einem Produkt, das ihnen aus dem Freundeskreis empfohlen wird, genauso skeptisch gegenüber wie einem Produkt ohne Empfehlung? Ich glaube nicht, dass ich auch nur eine einzige Person kenne, die noch nie ein Café oder Restaurant besucht hat, von dem jemand gesagt hat, dass es dort toll sei. Die noch nie einen Film gesehen hat oder ein Theaterstück besucht hat, weil andere so davon schwärmten. Oder die noch nie aufgrund einer Empfehlung („Da müsst Ihr unbedingt mal hin!“) ein Reiseziel einem anderen vorgezogen haben. Gibt es wirklich Menschen, die derart wenig auf den Ratschlag ihrer Freunde geben? Kann ich beim besten Willen nicht glauben.