Es war die Branchen-Nachricht der letzten Woche: Google wird seine hauseigene Produktsuchmaschine Google Shopping umstrukturieren. Der Suchdienst wird als eigenes Unternehmen ausgegliedert und wird damit zukünftig gleichberechtigt mit anderen Produktsuchmaschinen (PSM) um die Anzeigenfelder im Produkt-Fenster der Suchergebnisse mitbieten, die derzeit entweder als prominentes Fenster oberhalb der organischen Suchergebnisse oder rechts davon angezeigt werden.
Google Shopping-Konkurrenten wie Idealo oder Billiger.de dürften die Ankündigung wie einen Sieg feiern. Schließlich reagiert der Suchmaschinen-Primus damit auf die Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro, zu dem die EU-Kommission das Unternehmen im Juli 2017 verdonnert hatte. Die Begründung damals: Google hat mit der prominenten Platzierung der Google-Shopping-Ergebnisse seiner eigenen Suchmaschine einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen PSM verschafft.
Aber: Stimmt das denn? Hat Google Shopping in Sachen Sichtbarkeit wirklich gegenüber den Wettbewerbern deutlich profitiert, wie die EU argumentiert? Um eine Antwort auf diese strittige Frage zu finden (die EU-Kommission sagt ja, Google sagt nein und hat die Aufhebung des Urteils beantragt), die letztlich darüber entscheiden wird, ob Google die Rekordstrafe zahlen muss oder nicht, hat sich der SEA-Spezialist Searchmetrics einmal die Visibility-Zahlen der letzten Jahre ganz genau angesehen – und die Ergebnisse sind alles andere als eindeutig, wie die Internetworld schreibt.
Für die Analyse hat Searchmetrics sich die Sichtbarkeit von Google Shopping und seinen wichtigsten Wettbewerbern in Deutschland, Frankreich und Großbritannien in den letzten fünf Jahren (2013 wurde das Paid-Modell für Google Shopping-Anzeigen eingeführt) vorgeknöpft. Das plakativste Ergebnis zuerst:
Auf den gesamten Zeitraum und über alle drei Ländern hinweg betrachtet haben Google Shopping-Anzeigen also tatsächlich deutlich an Sichtbarkeit gewonnen, während die Wettbewerber verloren haben, wenn auch bei weitem nicht so viel. Einen ähnlichen Effekt konnte Searchmetrics für den mobilen Bereich nachweisen: Dort stieg die Mobile Visibility von Google Shopping zwischen 2015 und 2017 (weiterreichende Daten liegen für Mobile nicht vor) um 307 Prozent, die Sichtbarkeit der Konkurrenz auf mobilen Endgeräten fiel im gleichen Zeitraum um 28 Prozent.
Auf den zweiten Blick: ein Mangel an Beweisen
Hat die EU-Kommission mit ihren Vorwürfen also recht? Wie immer beim Umgang mit Zahlen und Statistiken lohnt es sich auch hier, zweimal hinzuschauen. Zum Beispiel auf die detaillierte Entwicklung der Sichtbarkeit von Google Shopping im Vergleich zu den Mitbewerbern:
Gut erkennbar ist der Sichtbarkeitseinbruch der deutschen PSM durch die Einführung des Panda-Updates Anfang 2014; Google Shopping dagegen scheint von der Algorithmus-Änderung profitiert zu haben, was ja wenig verwunderlich ist. Von 2014 bis Mitte 2016 liegt die Sichtbarkeit von Google Shopping dann tatsächlich klar höher als die der Mitbewerber – deshalb scheint die erste Rüge der EU-Kommission an Google, die bereits 2015 ausgesprochen wurde, ihre Berechtigung gehabt zu haben. Mitte 2016 ging jedoch die Sichtbarkeit von Google Shopping deutlich auf Talfahrt (ob Google hier bereits auf die Rüge der EU mit Nachbesserungen reagiert hat oder die Wettbewerber einfach SEA-technisch aufgerüstet haben, bleibt Spekulation) – und seit 2017 haben die Mitbewerber in Sachen Visibility eher die Nase vorn.
Auch den oft gehörten Vorwurf, die hohen Sichtbarkeitswerte der Google-Shopping-Wettbewerber entstünden nur aus vielen Platzierungen auf den Seiten vier und fünf der Suchergebnislisten (die für relevanten Traffic bekanntermaßen praktisch wertlos sind), kann Searchmetrics mit seinen Zahlen nicht erhärten:
Tatsächlich hat sich dieser Grafik nach zu urteilen der Prozentsatz der Platzierungen auf den vorderen Ergebnisseiten im Vergleich zu 2015 heute verbessert.
Zumindest für Deutschland kann also nur festgestellt werden, dass Google Shopping natürlich ein harter Konkurrent für Idealo, billiger.de und Co. um die Sichtbarkeit bei den Google-Nutzern ist. Ob aber tatsächlich schon von Wettbewerbsverzerrung gesprochen werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Die Entscheidung darüber dürfte die europäischen Juristen für die nächsten Jahre beschäftigen.
Wer sich vorher selbst ein Bild machen will: Die ausführliche Untersuchung von Searchmetrics steht hier zum kostenlosen Download bereit.
SE meint
Google verhält sich auch anders noch illegal. Nachweislich (!) hat Google bereits Konten gesperrt, die gegen die Richtlinien verstoßen (Verkauf nur an B2B).
Große Werbekunden, die monatlich 6-stellige Beträge an Google Shopping zahlen und ebenfalls gegen die Richtlinien verstoßen, werden auch nach 18 Monaten und über 50 Beschwerden (alleine von mir) nicht gesperrt. Angeblich mit Hinweis, dass man eine Zeit braucht das zu prüfen. Meine Kampagne wurde dagegen bereits 4 Wochen nach Bestehen gesperrt. Wohl weil mein Budget nicht 6-stellig ist. Das habe ich auch einer EU Kommission vorgelegt, die bestätigt hat, dass Googles Verhalten illegal ist. Allerdings soll man sich zuerst an deutsche Gerichte wenden.
Fazit: Zahlst Du nur genug Geld an Google, dann sehen sie auch über Deine Richtlinienverstöße hinweg.
Dennis meint
Bei dem Vergleich wird aber EIN Portal gegen mehrere Andere verglichen. Das Google gleich gegen mehrere zusammen gerade mal gleichauf ist oder sogar darüber liegt zeigt dennoch das Google den eigenen Dienst bevorzugt. Wenn sollte man wirklich mal 1zu1 vergleichen und dann sieht man klar das Google sich vor oder zumindest gleich stark präsentiert wie alle anderen zusammen genommen.
Fazit: Google Shopping wird öfters angezeigt als jeder andere Mitbewerber.
Daher liegt die EU da wohl richtig mit ihrer Aussage.