Surprise: „Eigentlich habe ich immer gedacht, dass das Internet wieder ‚weg geht‘ oder zumindest in Deutschland verboten wird“, sagt Alexander Posselt, Leiter der Marketing-Abteilung bei myToys.de. Dabei waren bereits 1997 etwa 6 Millionen Computer weltweit mit dem Internet verbunden. „Irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt und die anfänglichen Zweifel vertrieben. Bei den Mobil-Entwicklungen der letzten Jahre war es dann wieder da: dieses Gefühl, dass sich so etwas nie durchsetzen wird. Aber wieder falsch gedacht“, erklärt Posselt. Aber auch alle andere befragte Experten aus dem plentymarkets Jahrbuch des E-Commerce 2015 wurden im Laufe ihrer Karriere von so mancher Entwicklung überrascht.
Auf- und Abstiege
Alexander Posselt von myToys.de hat sich daran gewöhnt, dass das Internet in alle Bereiche vordringt. Dieses Paradigma ist aber nicht überall verbreitet, wie Dr. Björn Schäfers, Geschäftsführer der shopping24 internet group, verrät: „Dass man immer noch auf so viele Leute trifft, die davon überzeugt sind, dass das Internet ausgerechnet ihre Branche nicht beeinflussen wird und alles so bleibt wie es ist.“
Von der schnellen Verbreitung des Internets wurde aber auch Stefan Hamann, Gründer und Vorstand der shopware AG, überrascht: „Ich habe mich schon gewundert, mit welcher rasanten Geschwindigkeit das Internet eine ‚kritische Masse‘ erreicht hat und wie schnell Unternehmen aus den verschiedenen Teilbereichen gewachsen sind. Egal, ob Google, Facebook, Twitter, WhatsApp, oder wie sie alle heißen – da hat es wahnsinnig viele spannende Dinge gegeben in den letzten Jahren.“ Im Jahr 2012 hatten übrigens schon 85 Prozent der deutschen Haushalte einen Internetzugang – im EU-Durchschnitt waren es dagegen nur 76 Prozent.
Auch andere Experten haben nicht mit dem rasanten Wachstum der heutigen Internet-Giganten gerechnet: „Dass Facebook in so kurzer Zeit so mächtig wird und zu den Globalplayern im Internet aufsteigt. Nicht zu vergessen die Entwicklung von Google zum Quasi-Suchmaschinenmonopolisten – zumindest in Deutschland“, sagt Markus Müller, Geschäftsinhaber der System Com 99 e. K., und fügt hinzu: „Dass Google nebenbei in immer neue Bereiche vorstößt, kommt noch dazu. Vor 20 Jahren hat sicherlich niemand damit gerechnet, dass einmal ein Großteil der Bevölkerung das Internet im Westentaschenformat dabei hat und dass es für Kinder keine größere Strafe geben könnte, als ihnen das Smartphone wegzunehmen.“
Ähnlich geht es Dr. Sebastian Wieser, Gründer und Chief Visionary Officer bei der Mercateo AG: „Überrascht hat mich das Businessmodell von Google mit Keyword Advertising, das ich erst 2002 verstanden habe. Erstaunlich, wie wir vorher bei Mercateo ohne Google überhaupt überleben konnten.“ Mirko Platz, Geschäftsführer und Gründer von ChannelPilot Solutions, fügt hinzu: „Dass Dienste wie Tinder oder Snapchat so erfolgreich werden könnten. Das hätte ich mir niemals vorstellen können.“ Wie auch? Sonst hätten sich die Experten sicher auch an solch ein Projekt gewagt.
Amazon
Viele Experten sind sich einig, dass Amazons Entwicklung so nicht vorherzusehen war. Inzwischen ist der E-Commerce-Riese nicht nur online eine Macht. Das US-Unternehmen breitet sich auch offline immer weiter aus. Amazon will im Sommer erneut eine Abholstation an einer US-Universität eröffnen. Dieses Mal arbeitet Amazon mit dem Georgia Institute of Technology, einer Technische Hochschule in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, zusammen.
„Auch die Amazon-Entwicklung vom Buchhändler zum größten Onlinehändler und ‚Markt-Dominator‘ hätte ich so nicht erwartet“ sagt Markus Müller von der System Com 99 e. K. Dem stimmt auch Patrick Palombo zu: „Ganz ehrlich? Die Profitabilität von Amazon. Diese Entwicklung war für mich definitiv nicht vorauszusehen!“
Selbst ein großer E-Commerce-Verband wurde von Amazons Raketen-haftem Aufstieg überrascht: „Als wir im bevh als erste in Deutschland die tatsächliche Bedeutung des Amazon-Marktplatzes ermittelt haben – dass faktisch jeder zweite im B2C-Ecommerce ausgegebene Euro auf dieser Plattform gewechselt wird – konnten wir das erst nicht glauben“, sagt Martin Groß-Albenhausen vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) und fügt hinzu: „Es war für uns als E-Commerce-Verband alles andere als eine Erfolgszahl. Entsprechend wurden wir für diese Zahl massiv kritisiert, als Verräter der Branche bezeichnet – heute gilt die Zahl als unstrittig.“
Alibaba
Aber nicht nur Amazon hat ein steiles Wachstum hingelegt. Neben dem US-Player macht sich auch ein chinesisches Unternehmen auf, um den E-Commerce zu erobern. „Mich hat auch ein rasanter Aufstieg verblüfft – nämlich der von Alibaba“, sagt zum Beispiel Martin Wild, Chief Digital Officer bei der Media-Saturn Holding GmbH. Simon Becker, Prokurist und Sales & Marketing Manager bei der BB Sport GmbH & Co.KG., fügt hinzu: „Neue Internetgiganten wie Alibaba werden den Markt aufmischen und bestehende Strukturen verändern. Auf diese Entwicklung darf man sehr gespannt sein!“
So ist es, denn Alibaba hat im abgelaufenen Geschäftsjahr erneut einen E-Commerce-Meilenstein geknackt: Das Unternehmen hat erstmals Waren im Wert von rund 463 Milliarden Dollar über seine Online-Marktplätze verkauft haben. Ein Grund dafür liegt in der internationalen Expansion, welche Alibaba auch weiterhin fortführen möchte. Neben der geografischen Ausweitung stellt sich der chinesische E-Commerce-Riese auch thematisch immer breiter auf: Denn Alibaba hat ein Virtual Reality-Labor eröffnet, um das Shoppingerlebnis für seine mehr als 400 Millionen Nutzer weltweit zu verbessern. Man darf also wirklich auf die Zukunft gespannt sein.
Das passiert 2016
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