Gastartikel: Das Weihnachtsgeschäft ist für viele Online-Händler die umsatzstärkste Zeit im Jahr. Dabei kann schon mal schnell der Überblick über den Warenbestand verloren gehen. Wer die Angaben zur Lieferbarkeit seiner Artikel im Webshop jedoch nicht korrekt und aktuell hält, kann abgemahnt werden, wie zwei aktuelle Fälle zeigen.
Abmahngefahr I: „lieferbare“ Artikel tatsächlich nicht (mehr) verfügbar
So hatte der Verkäufer von Elektrofahrrädern eine Abmahnung von einem Konkurrenten erhalten, weil ein als lieferbar ausgewiesenes Produkt tatsächlich ausverkauft war. Der Abmahner hatte eine Testbestellung durchgeführt und ein E-Bike geordert, das im Webshop mit dem Hinweis versehen war „Nur noch wenige Exemplare auf Lager, Lieferzeit ca. 2-4 Werktage“. Nach Absendung der Bestellung erhielt der Testkäufer eine Bestätigung per E-Mail, in der er gleichzeitig zur Zahlung des Rechnungsbetrages aufgefordert wurde; erst anschließend sollte die Ware auf den Weg gebracht werden.
Hinweis auf Ausverkauf erst nach Bestellung
Eine knappe Stunde später erhielt er eine weitere E-Mail, in der der Verkäufer mitteilte, dass das bestellte E-Bike nicht mehr lieferbar sei. In wenigen Monaten wären jedoch die aktuellen Modelle verfügbar. Auf seine Frage, wie denn nun weiter verfahren werden solle, erhielt der Händler eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung. Das Konkurrenzunternehmen stufte die Angabe zur Lieferbarkeit im Webshop als unzulässiges „Lockangebot“ ein und forderte Unterlassung. Der Fall landete letztendlich vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm.
Lockangebot: ausverkaufter Artikel in „ca. 2-4 Tagen lieferbar“
Die Richter gaben dem Abmahner in seiner Einschätzung Recht (Urt. v. 11.08.2015; AZ: 4 U 69/15). Der Hinweis, ein tatsächlich ausverkauftes Produkt sei noch verfügbar und würde in ca. 2-4 Werktagen geliefert werden, stellt einen Verstoß gegen das Verbot von sog. „Lockangeboten“ dar. Die entsprechende Vorschrift aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) findet – entgegen der Ansicht des beklagten Händlers – auch im Fernabsatz Anwendung und nicht nur im stationären Handel. Denn auch bei Käufen über das Internet ist der Erwerber schutzwürdig, wie gerade der dem Gericht vorgelegte Fall zeige.
Verbot von Lockangeboten gilt auch im Fernabsatz
Der beklagte E-Bike-Händler war der Ansicht, dass der Kunde eines Webshops bei ausverkauftem Angebot vom Kauf einfach Abstand nehmen könne, indem er ihn nicht weiterverfolgt, während der Kunde im stationären Handel die Hemmschwelle überwinden müsse, ein einmal betretenes Ladenlokal zu verlassen, ohne etwas zu erwerben.
Wie die Richter klarstellten genügt ein bloßes Abstandnehmen jedoch auch im Online-Handel nicht, wenn der Kunde den Rechnungsbetrag bereits gezahlt hat, um einen umgehenden Warenversand zu erreichen (wie es im konkreten Fall vorgesehen war). Die Pflicht zur Vorkasse ist im Fernabsatz nicht unüblich und kann über Online-Banking zudem innerhalb weniger Minuten durchgeführt werden.
Geld oder Alternativprodukt
Dann aber muss sich der Verbraucher mit dem Händler, der das bestellte Produkt nicht liefern kann, auseinandersetzen, um sein Geld zurück zu erhalten, was vielfach als mühevoll empfunden wird. Der Einfachheit halber könnte er deshalb geneigt sein, ein vom Unternehmer vorgeschlagenes Alternativangebot anzunehmen, das er andernfalls nicht in Erwägung gezogen hätte. Auch wenn das Verbot von Lockangeboten ursprünglich für die Prospekt- und Katalogwerbung des stationären Handels konzipiert wurde, gilt es deshalb ebenfalls im Online-Bereich.
Pflicht zur ständigen Aktualisierung des Warenbestandes
Auch das Argument, dass der Beklagte die Angaben zur Warenverfügbarkeit manuell in seinen Shop eingeben würde, weil er sich ein teures Warenwirtschaftssystem nicht leisten könne, ließen die Richter nicht gelten. Die Angaben im Webshop müssen stets richtig und aktuell sein. Zudem darf es zu keinen Verzögerungen bei der Aktualisierung kommen. Wie Unternehmer dieser Pflicht nachkommen müssen, ließ das Gericht offen. In jedem Fall stellt es einen Wettbewerbsverstoß dar, wenn ausverkaufte Artikel im Shop als verfügbar gekennzeichnet sind.
Weiteres Problem: Lieferpflicht des Händlers
Neben der Gefahr von Abmahnungen können in einem Fall wie dem des OLG Hamm zusätzliche, rechtliche Schwierigkeiten auf den Shop-Betreiber zukommen. Denn mit der Bestellbestätigung, in der der Verkäufer den Kunden zur Zahlung auffordert, ist der Kaufvertrag über das georderte Elektrofahrrad zustande gekommen. Für den Händler heißt das, dass er dieses auch liefern muss. Ist er dazu nicht in der Lage, kann der Käufer verschiedene Rechte geltend machen, u.a. Schadenersatz.
Abmahngefahr II: Größerer Warenbestand als angegeben
Dass auch Angaben, die einen geringeren Warenbestand als tatsächlich vorhanden ausweisen, zu Abmahnungen führen können, musste kürzlich der Mode-Händler Zalando erfahren. Dieser hatte bei seinen Produkten den Hinweis eingefügt „3 Artikel verfügbar“. Wie Tests ergaben, konnten jedoch weitaus mehr als 3 Stück der betreffenden Artikel bestellt werden. Die Wettbewerbszentrale sah in der Angabe den Versuch, potenzielle Kunden zum schnellen Kauf zu verleiten, den sie andernfalls nicht getätigt hätten. Dieser psychologische Trick stellt nach Auffassung der Wettbewerbszentrale eine irreführende Werbung da. Sie mahnte Zalando deshalb ab.
Trotz Anpassung – LG Berlin muss über den Fall entscheiden
Das Unternehmen wollte nach eigenen Angaben mit dem Hinweis jedoch das genaue Gegenteil erreichen; nämlich seinen Kunden signalisieren, dass noch ausreichend Warenbestand vorhanden sei, und Interessenten sich mit ihrer Entscheidung Zeit lassen können. Dennoch passte Zalando nach Erhalt der Abmahnung seine Formulierungen an. Bei Artikeln die noch in größerer Menge als 3 vorrätig sind, findet sich nun der Hinweis „mehr als 3 Artikel verfügbar“, sind es noch genau 3 Stück die Angabe „noch 3 Artikel verfügbar“.
Das genügte der Wettbewerbszentrale jedoch nicht. Sie hat am 5.11.2015 Unterlassungsklage beim Landgericht (LG) Berlin eingereicht. Ob die ursprüngliche Angabe „3 Artikel verfügbar“ eine irreführende Werbung durch künstliche Warenverknappung darstellt, wird deshalb nun gerichtlich entschieden.
Fazit
Im Online-Handel wird erwartet, dass Angaben zur Warenverfügbarkeit innerhalb eines Webshops korrekt und auf dem aktuellsten Stand sind. Abweichungen – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung – können schnell zu Abmahnungen führen. Sind Waren nicht mehr verfügbar, ist eine Bestellung aber weiterhin möglich, können weitere Probleme auf Shop-Betreiber zukommen, wenn sie durch automatisierte Bestätigungs-E-Mails einen Vertragsschluss herbeiführen.
Gerade in stressigen Zeiten wie dem Weihnachtsgeschäft muss deshalb dringend der Warenbestand im Auge behalten werden, sofern kein Warenwirtschaftssystem genutzt wird.
Meyander meint
Die Frage, wie aktuell die Bestände sein müssen, bleibt offen. Genügt es die Daten alle 2 Stunden hochzuladen? Reicht es ggf. nicht aus, wenn die AKtualisierung im 10 Minuten Takt erfolgt?
Markus meint
Warenbestand in Echtzeit wird es für 90% der Onlineshops nie geben. Das ist unbezahlbar. Zudem kann das bei Dropshipping nie stimmen da man ja des Lagers eines anderen bedient.
Auch die ganzen Preisportale liefern keine Echtzeitangebote aus, sondern rufen i. d. R. 1-2 täglich den Feed vom Händler ab.
Selbst so eine 15 Minuten Reservierungsfunktion wie es Amazon bei Black Friday Angeboten macht ist meiner Meinung nach grenzwertig da man innerhalb dieser Zeit seinen Warenkorb absenden muss damit man die Ware überhaupt bekommt.
Wie so oft, Technik scheitert an Rechtsprechung (oder umgekehrt).
Hab ich 50 Stk. am Lager und die werden von 50 Usern in den Warenkorb gelegt, sollte der Artikel rausgenommen werden. Schließen jedoch 25 der 50 den Kauf nicht ab ist weiterhin Lagerbestand da, der aber nicht verkauft werden kann …. die Lieferampel würde nur ständig aus und an gehen.
Echtzeit gibt es meiner Meinung nach nicht im Onlinehandel da es zu viele Zeitverzögerungen gibt.
Meyander meint
@Markus: Genau so sehe ich das auch!
Katrin Trautzold meint
Das Gericht hat keine konkreten Vorgaben gemacht, wie Händler ihrer Pflicht zur Aktualisierung des Warenbestandes – vor allem in zeitlicher Hinsicht – nachkommen müssen. Die einzige klare Aussage der Richter war, dass Artikel, die nicht (mehr) geliefert werden können, im Webshop auch nicht angeboten – bzw. mit dem Hinweis „lieferbar“ oder vergleichbarer Formulierungen versehen – werden dürfen. Zumindest diesbezüglich ist eine unverzügliche Aktualisierung erforderlich. Das dürfte jedoch nicht zwingend eine Anpassung in der nächsten Sekunde erfordern. Mehrere Tage – wie im geschilderten Fall – sollte der Händler jedoch nicht warten.
Zugegebener Maßen besteht auch hier die – theoretische – Möglichkeit, dass Kunden gleichzeitig den letzten Artikel bestellen, dieser dann jedoch nur an einen versendet werden kann. Ob Gerichte aber in diesen Fällen von einem Wettbewerbsverstoß ausgehen, ist zweifelhaft.
In welchem genauen Zeitraum die Shop-Aktualisierung erfolgen muss, wird wohl erst über entsprechende Gerichtsentscheidungen geklärt werden können.
michael wiechert meint
Keine Frage – ein Produkt als verfügbar anzupreisen welches es ganz eindeutig nicht mehr und nirgendwo gibt um damit Kunden in den Shop zu locken, ist sicherlich wettbewerbswidrig.
Bei den Berichten über solche Urteile bleibt mir aber stets auf der Strecke wie Richter ganz normale Inventurdifferenzen und Schwund handhaben (würden). Salopp formuliert – wenn der Stapler nach dem Kauf die letzte Palette umfährt und die Ware drauf schrottet, ist die Ware halt weg – egal wie schön du vorher deine Bestände uogedatet hast…