Gastartikel: Am 24.10.2015 ist das neue ElektroG in Kraft getreten. Bereits im Vorfeld wurde viel darüber diskutiert, weil es neue Pflichten für Händler schafft, die die Betroffenen vor große Herausforderungen stellen. Seit dem Tag des Inkrafttretens laufen die Umsetzungsfristen.
Mit Inkrafttreten des neuen Elektrogesetzes (ElektroG) sind neben den Herstellern nun auch Vertreiber verpflichtet, Elektro- und Elektronikaltgeräte (EAG) zurückzunehmen. Das betrifft nicht nur den stationären Handel, sondern auch den E-Commerce. Erwirbt ein Kunde ein neues Elektro- oder Elektronikgerät, ist der Verkäufer verpflichtet, ein funktional vergleichbares Altgerät zurückzunehmen (1:1-Rücknahme). Unabhängig von einem Neukauf müssen Vertreiber zudem EAG zurücknehmen, die in keiner Abmessung größer sind als 25 cm (0:1-Rücknahme).
Rücknahmepflicht bei Lager- und Versandflächen von 400 qm und mehr
Für Shop-Betreiber gilt die neue Vorgabe jedoch nur dann, wenn ihre Lager- und Versandfläche für Elektro- und Elektronikgeräte mindestens 400 Quadratmeter groß ist. Entscheidend ist dabei die Grundfläche, nicht die Regalfläche. Ist sie kleiner, besteht keine Rücknahmeverpflichtung. Händler mit mehreren Lager- und Versandflächen müssen deren Grundflächen NICHT zusammenrechnen. Relevant ist ausschließlich die Fläche des Lagers, von dem aus der konkrete Warenversand erfolgt.
Rücknahmepflicht bei mehreren Lagern
Betreibt ein Unternehmer folglich mehrere Lager, die jeweils die 400 qm nicht erreichen, ist er auch nicht zur Rücknahme verpflichtet. Auf der anderen Seite dürfte ein Verkäufer zumindest zur 0:1-Rücknahme verpflichtet sein, sobald auch nur eine seiner Lager- und Versandflächen die Mindestgröße erreicht. Denn auf den Neukauf eines funktional gleichwertigen Gerätes und die Frage, von wo aus dieses versendet wird, kommt es diesbezüglich nicht an. Zu berücksichtigen sind daher wohl alle Lager- und Versandflächen des betroffenen Händlers.
Rücknahmestellen müssen eingerichtet werden
Vertreiber sind verpflichtet, Rücknahmestellen einzurichten, an denen Endnutzer ihre EAG abgeben können. Was im stationären Handel über die Ladenlokale noch vergleichsweise leicht umgesetzt werden kann, stellt Shop-Betreiber vor nahezu unüberbrückbare Probleme. Die Rücknahmestellen müssen nämlich in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher eingerichtet werden; für den E-Commerce übersetzt heißt das, deutschlandweit! Wie Shop-Betreiber, die sich dadurch auszeichnen, dass sie keine Ladengeschäfte unterhalten, diese Pflicht umsetzen sollen, ist mehr als fraglich.
Rücknahmestellen durch Kooperationen
Der Gesetzgeber schlägt unter anderem Kooperationen mit dem stationären Handel – also der Konkurrenz – oder Paketdienstleistern vor. Die konkrete Umsetzung bleibt jedoch den Vertreibern überlassen. Ob und zu welchem Preis sich lokale Händler zur Rücknahme bereit erklären, ist das eine. Beauftragt werden müssten sie aber in ganz Deutschland. Einfacher könnten Kooperationen mit Paketzustellern sein, die bereits ein flächendeckendes Netz von Annahmestationen eingerichtet haben. Auch hier stellt sich jedoch die Frage des Preises.
Übergangsfristen
Einzige – wenn auch kleine – Lichtblicke sind die gesetzlichen Übergangsfristen. Die betroffenen Händler müssen, bevor sie die Rücknahme starten, die Rücknahmestellen eingerichtet und den zuständigen Behörden gemeldet haben. Dafür haben sie 3 bzw. 9 Monate ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes Zeit. Die Fristen laufen also seit dem 24.10.2015.
Pflicht zur Rücknahme spätestens ab dem 24.07.2016
Vertreibern, die bereits nach der alten Rechtslage EAG freiwillig zurückgenommen haben, bleiben 3 Monate zur Erfüllung ihrer Anzeigepflicht. Sie haben folglich bis zum 24.01.2016 Zeit. Mitten im Weihnachtsgeschäft müssen sie überprüfen, ob die bereits eingerichteten Rücknahmestellen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, gegebenenfalls nachbessern und die zuständigen Behörden darüber informieren.
Shop-Betreiber, die erst mit Inkrafttreten des neuen ElektroG EAG zurücknehmen, haben immerhin 9 Monate, also bis zum 24.07.2016 Zeit, die Rücknahmestellen einzurichten und der zuständigen Behörde anzuzeigen. Dennoch sollten auch sie nicht allzu lange warten. Denn es müssen nicht nur praktikable Lösungen gefunden, sondern in vielen Fällen auch Kooperationsverträge ausgehandelt und geschlossen werden.
Zusätzliche Informationspflichten
Ohne Übergangsfrist müssen hingegen die neuen Informationspflichten erfüllt werden. Vertreiber haben Endnutzer darauf hinzuweisen,
- dass diese ihre EAG nicht mit dem unsortierten Siedlungsabfall, sondern getrennt von diesem entsorgen und zuvor Altbatterien oder –akkus daraus entfernen müssen, sofern das möglich ist,
- dass und wie die Rücknahme durch den Händler erfolgt,
- dass persönliche Daten eigenverantwortlich von den EAG entfernt werden müssen und
- welche Bedeutung das Symbol der durchgestrichenen Mülltonne hat, das auf Elektro- und Elektronikgeräten durch die Hersteller anzubringen ist.
Pflichtangaben innerhalb des Webshops
Wie die Informationspflicht zu erfüllen ist, hat der Gesetzgeber nicht festgelegt. Im Webshop könnten die Hinweise z.B. auf einer gesonderten Seite oder innerhalb der Produktbeschreibung vorgehalten werden. Ob die Information auch in der Vertragsbestätigung oder als gedruckte Beilage im Paket – also nachdem ein Kaufvertrag zustande gekommen ist – zulässig ist, muss zunächst geklärt werden. Abmahnsichere Vorgehensweisen werden wohl erst an Hand gerichtlicher Urteile entwickelt werden können.
Angabe der WEEE-Nummer im Impressum?
Weitere Angaben im Webshop sind dann erforderlich, wenn Händler Elektro- und Elektronikgeräte von Herstellern anbieten, die überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß registriert sind. Denn dann werden die Verkäufer wie Hersteller behandelt und sind unter anderem verpflichtet, ihre WEEE-Nummer anzugeben. Was vor der Novellierung des ElektroG nur im schriftlichen Geschäftsverkehr erforderlich war (also auf Rechnungen oder Lieferscheinen), muss seit dem 24.10.2015 erfolgen, sobald Geräte angeboten werden; im E-Commerce also im Webshop, z.B. innerhalb des Impressums.
Selbstverwertende oder -entsorgende Vertreiber
Weitere Anzeigepflichten gegenüber der zuständigen Behörde ergeben sich für Vertreiber, die zur Rücknahme von EAG verpflichtet sind, diese dann aber weder an den Hersteller, bzw. dessen Bevollmächtigten, noch an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger übergeben, sondern sie selbst verwerten und entsorgen.
Warenlieferung ins europäische Ausland
Deutsche Shop-Betreiber, die ihre Elektro- und Elektronikgeräte in andere europäische Mitgliedstaaten liefern, müssen in diesen einen Bevollmächtigten bestellen, der für sie die Verpflichtungen aus der – dem neuen ElektroG zu Grunde liegenden – WEEE-Richtlinie (RL 2012/19/EU) erfüllt. Tun sie das nicht, drohen u.a. behördliche Schreiben, die aktuell bereits aus Österreich versendet werden.
Fazit
Und wieder wird der Pflichtenkatalog für Online-Händler erweitert und verlangt den Betroffenen einiges ab. Wie die Umsetzung der neuen Pflichten in der Praxis durchgeführt werden soll und kann, steht derzeit noch in den Sternen. Feststehen dürfte jedoch, dass die Abmahnindustrie bereits wartet. Ob Verstöße gegen die neuen Vorgaben überhaupt wettbewerbsrechtlich verfolgt werden können, muss sich aber erst zeigen. Denn das novellierte ElektroG dient dem Schutz der Umwelt und der Gesundheit. Abmahnbar sind jedoch nur Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ob Gerichte die neuen Pflichten als solche einstufen, muss abgewartet werden.
Meyander meint
Und der Bürokratiewahnsinn nimmt weiter seinen Lauf!
fritz berger meint
es wäre sehr hilfreich, wenn „zuständige Behörden“ konkretisiert werden könnte! vielen dank!
Katrin Trautzold meint
Gem. § 36 ElektroG n.F. ist das Umweltbundesamt „zuständige Behörde“. Die Stiftung Elektro-Altgeräte-Register (EAR) ist „Gemeinsame Stelle“ im Sinne des ElektroG und mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut: https://www.stiftung-ear.de/
fritz berger meint
BESTEN DANK !