Der Pure-Player Appliances Only (kurz: AO) aus UK verkauft auf der Insel seit 15 Jahren Waschmaschinen, Kühlschränke, Musik-Anlagen, Computer und TV-Geräte etc. Und gilt damit als einer der erfolgreichsten Online-Händler im Vereinigten Königreich. Seit acht Monaten verkauft er seine weiße und braune Ware nun auch in Deutschland. Auch wenn AO dieser Markteintritt bisher etwa elf Mio. Pfund kostete, zeigt sich deren Deutschland-Chef Kevin Monk in einem Interview mit der Wirtschaftswoche sehr zufrieden:
Deutschland Servicewüste
Möglicherweise beflügelt dies die Phantasie. Monk zeigt sich jedenfalls sehr selbstbewusst und ist sich sicher, dass sein Unternehmen den deutschen Online-Händlern um Jahre voraus sei. Dies läge vor allem daran, dass Online-Händler aus UK bereits sehr früh einem harten Wettbewerb ausgesetzt waren und daher vor allem auch hinsichtlich Kundenservice deutlich professioneller als deutsche Konkurrenten seien. So seien die deutschen Konsumenten hinsichtlich Service von den deutschen Händlern nicht sonderlich verwöhnt.
Dies können wir durchaus bestätigen. Wir beleuchteten in unserer fünften Ausgabe des kostenlosen Online-Händlermagazins shopanbieter to go ja das Thema Kundenservice ausführlich. Unsere Recherchen zeigten tatsächlich deutliches Optimierungpotential auf.
Ob Händler aus UK wirklich besser als deutsche Online-Händler im E-Commerce aufgestellt sind, wollten wir von Henning Heesen, Deutschland-Chef der Salesupply AG, wissen. Als Internationalisierungsprofi muss er es ja wissen:
Englische Händler sind aber in der Tat deutlich servicegetriebener als deutsche Online-Händler. Der Innovationsgrad ist generell höher. Hier heizt die „Nähe“ zu den USA den Wettbewerb stark an. Dieser übermäßige Wettbewerb zwingt die Unternehmen zu einer starken Berücksichtigung der Customer Lifetime Values (CLV). Hier wiederum hat Kundenservice die oberste Priorität.
Es dreht sich dabei jedoch nicht um die Beratung an sich, sondern eher um das Thema Service. Deutsche Kunden informieren sich gerne vorher, er liest sich alle Informationen erst durch oder fragt den Kundenservice-Berater aus. Nach dem Kauf werden fast keine Fragen mehr gestellt. In der UK, aber auch in Holland wird erst einmal bestellt und nur angerufen wenn danach noch Fragen auftauchen.
„Preis, Verfügbarkeit, Kundenservice“, benennt AO-Deutschland-Chef Monk in der Wirtschaftswoche den Dreiklang, mit dem er deutsche Händler ausstechen will. AO verspricht nicht nur eine große Produktauswahl, sondern gibt auch eine Niedrigpreisgarantie: Gibt es das Produkt bei einem anderem Händler günstiger, wird der Preis angeglichen.
AO sehr preisaggressiv
Dass AO sehr preisagressiv in den Markt geht, wird durch Beobachtungen von Martin Sinner, Media Saturn, bestätigt:
AO.com nimmt eine Konsolidierung der Branche vorweg, weil das Unternehmen seine Marge nur aus Upselling-Services erwirtschaftet.
Der britische Online-Händler habe gar nicht das Ziel, Geld mit dem Hardware-Handel zu verdienen. AO.com verkaufe Haushaltsgeräte quasi zum Einkaufspreis und setzte stattdessen darauf, an Zusatzservices wie Finanzierung oder Versicherungen zu verdienen. Von der einmaligen Transaktion habe das Unternehmen den Fokus auf den Customer Lifetime-Value verschoben.
AO wird sich strecken müssen
Ich bin mir nicht sicher, wie die Aussagen von AO einzuschätzen sind. Gerade in dieser Branche scheint es mir nicht so, als hätte sie auf den Category-Killer noch gewartet. Im Gegenteil, scheint mir der Markt hier anbieterseitig durchaus bereits sehr gut besetzt. Im Wiwo-Artikel, gibt es einige weitere Faktoren die gegen einen „Durchmarsch“ von AO in Deutschland sprechen.
wiechert leipzig meint
Nunja,
dass das einzig Profitable im Versandhandel die „Zahlpause“ oder „Ratenzahlung“ ist, ist ja kein wirklich neues Phänomen.
Marco meint
Mal wieder der alte Trick: Polarisieren, um den Mediendurchsatz zu erhöhen.
Ich kann nur sagen, meine bisherigen Erfahrungen mit britischen Händlern, die unter .de Domains arbeiten sind mehr als ernüchternd.
Service habe ich nicht erlebt. Ganz im Gegenteil, deutsches und europäisches Recht wird mit Füßen getreten.
Telefonisch nicht erreichbar, Mails werden nach 1-2 Wochen und mehreren Aufforderungen mit Textbausteinen beantwortet, Rücksendungen müssen selbst bezahlt und nach UK geschickt werden.
Und an die fehlerhaften gesetzlichen Vorschriften wie Impressum und Widerrufsbelehrung scheinen sich die sonst so umtriebigen Abmahnvereine nicht ran zu trauen.