Wie kommt es eigentlich, dass andere das neue-große-bunte!, tolle!!, Web 2.0!!!-Projekt Dealjaeger feiern und wir noch gar nix dazu geschrieben haben? Kann das richtig sein?
Das dachte sich auch der Pressesprecher von Dealjaeger und rief bei mir an. Doch, ich hatte das Projekt schon wahrgenommen und auch die Euphorie der Kollegen von Exciting Commerce. Aber irgendwie hatte ich noch keine richtige Position zu der Sache gefunden…
Und auch wenn ich meine Fragen jetzt bequem am Telefon klären lassen konnte, anstatt selbst zu recherchieren – meine Ratlosigkeit hält an. Das geht ja schon bei der Rubrizierung dieses Artikels hier los: Ist Dealjaeger für Shophändler nun eine Marketing-Möglichkeit? Oder ist das Ganze eher eine kuriose Idee, die ich unter ‚Bunte Kiste‘ einordnen würde? Dafür hat es aber schon zu viele Wellen geschlagen…
(Und: nein, eine ‚Web 2.0‘-Kategorie will ich nicht einführen. Ich halte das nicht für eine Sache zum Selbstzweck sondern vielmehr um eine normale Entwicklung menschlichen Verhaltens. Evolution sozusagen ;-))
Dealjaeger, das ist eine Art Preisvergleichs-Site. Nein, das trifft es nicht, denn es werden nicht flächendeckend Produkte abgebildet, sondern nur einzelne Produkte, die ‚Dealjaegern‘ eben so einaufgefallen sind. Es ist aber auch keine Sammlung von Wunschlisten oder Empfehlungslisten. Um ehrlich zu sein: ich weiss nicht recht, was es sein soll.
Es funktioniert so: Schnäppchenjäger präsentieren auf Dealjaeger ihre billigsten Schnäppchen. Andere versuchen noch billigere Quellen für die selben Produkte zu finden, dann können sie nämlich damit die ‚Deals‘ abschießen.
Damit können sie zeigen, dass sie ‚besser‘ sind. Mein Haus, mein Auto, mein Top-Deal oder so? Ach so, neben dem ‚Ruhm‘ kann man noch was gewinnen: Dealjaeger-T-Shirts, aber auch Geld (oder Gutscheine und so). Das scheint zu funktionieren, denn es gibt laut Pressemitteilung über 1.500 100 Jaeger, darunter einige, die offenbar nix anderes machen. Z.B. ‚Micha555‘, der hat schon über 180 Deals.
Soweit zur Motivation der Deal-Nenner. Die andere Seite sind die Nutzer der Deals. Also wenn ich beispielsweise eine Anschaffung plane – sagen wir einen neuen Staubsauger – dann suche ich normalerweise erst mal nach Informationen, welche die besten sind. Und danach nach den Preisen der 2-3 Modelle, die für mich in Frage kommen. Da finde ich auf Dealjaeger aber nix.
Also vielleicht sind die vorhanden, aber ich finde die nicht (gleich). Ich finde erst mal Top-Deals (MP3-Player, Fernseher, DVDs und Poster – Poster? Poster!). Oder neueste Deals (MP3-Player, Spiele, Bücher – Bücher? Bücher!). Staubsauger gibt es auch, aber nicht die, die mich interessieren und keine Infos zu Tests. Also geplante Käufe sind wohl nicht die Motivation der Nutzer. Geht es also um Impulskäufe? Dafür aber ist (mir) das Angebot zu wenig stimmungsvoll aufbereitet – zum Stöbern läd es mich nicht ein. Es fehlen auch irgendwie die ‚Themenräume‘, wie sie beispielsweise Tchibo hat: Bloß 4 x günstige MP3-Player verführen mich nicht dazu, einen zu kaufen. Nur einer und mit begrenzter Angebotsdauer – das wäre schon eher ein Impulskauf-Trigger.
Vielleicht habe ich ja nach wie vor was nicht verstanden, aber ich kann weder die Motivation der Content liefernden ‚Dealjaeger‘ so recht nachvollziehen, noch den der Dealjäger nutzenden Kunden. Aber es gibt noch zwei weitere Blickwinkel und die sind interessanter:
- Interessant für Kaufinteressierte: Sie können die Dealjaeger-Teilnehmer (‚Community‘) als Preisscouts benutzen, die nach dem günstigsten Preis suchen. Ich könnte also für das Projekt ‚Jaeger des besten Deals‚ meinen Wunsch-Staubsauger vorschlagen und dieser würde dann auf der Dealjaeger-Site ‚ausgeschrieben‘. Leider gibt es pro Tag nur einen einzigen Suchdeal – mein Produktwunsch muss also die Dealjaeger-Redaktion absolut überzeugen, damit er wirklich ausgeschrieben wird.
- Und interessant für Shops: Shophändler sind nicht darauf angewiesen, dass Dealjaeger zufaellig ihre Super-Angebote finden, sondern können
- erstens selbst ihre besten ‚Deals‘ bei Dealjaeger einstellen,
- zweitens können sie ihre Angebote mit einem Button versehen, der es Kunden ermöglicht, Produkte per einfachem Klick bei Dealjaeger zu melden. Das funktioniert so, wie die bunten Buttons hier unter dem Artikel zum ‚Ablegen‘ dieses Textes bei Del.icio.us, Digg, Mr. Wong et al.
Somit können Shopbetreiber selbst für ihre Listung bei Dealjaeger sorgen. Im OT der Presseerklärung heißt es dazu: "Auch Online Shops können direkt profitieren: Sie können den Dealjaeger.de-Button direkt in ihre Produktbeschreibungen integrieren, so dass alle Nutzer ihr Produkte mit einem Klick bei Dealjaeger.de empfehlen." Der genaue Nutzen für Shops, sich dieser gesteigerten Form des ruinösen Spiels "Wettbewerb ausschließlich über den Preis" auszusetzen, eröffnet sich mir dennoch (noch?) nicht. Darum würden mich Erfahrungen dazu, was die Listung bei Dealjaeger bringt (und was sie kostet), wirklich heiss interessieren. Kommentare willkommen!
Übrigens: Froh las ich heute morgen im Kölner Stadtanzeiger: "Geiz ist out“, stellt Weber zumindest für die Spielwarenbranche klar." Wär doch schön, wenn sich dies auch auf andere Produktgruppen bald überträge…
Herzlich aus Hürth
Nicola Straub
Martin Schröder meint
Interessante Gedanken, finde ich. Was ich aber nicht verstehe, ist die Überlegung, aus welchen Gründen dealjaeger.de für Kaufinteressierte interessant sein könnte. „Ich könnte also für das Projekt ‚Jaeger des besten Deals‘ meinen Wunsch-Staubsauger vorschlagen und dieser würde dann auf der Dealjaeger-Site ‚ausgeschrieben‘.“ Klar. Das geht. Aber viel einfacher wäre es doch, den Wunsch-Staubsauger einfach als neuen, „normalen“ Deal einzustellen und dann zu schauen, ob jemand einen wirklich niedrigen Preis dafür findet. Dann muss man auch nicht warten, ob die Redaktion den Staubsauger interessant genug für die Aktion „Jäger des besten Deals“ hält.
Exakt so habe ich es bereits einige Male gemacht. Leider mit recht ernüchterndem Ergebnis: Bei zwei meiner drei „Testdeals“ wurde bis heute das von mir eingestellte Startangebot nicht unterboten. Beim dritten Produkt wurde mein Preis zweifach unterboten: Erst von jemandem, der übersah, dass in seinem Top-Angebot die Mehrwertsteuer fehlte, und akutell noch einmal von jemandem, der ein Angebot „nur für Käufer aus dem Education-Bereich“ als vermeintlich besten Deal eingestellt hat. Na toll…
Nicola Straub meint
Ahh, interessante Idee. Ich sagte ja, dass ich die Sache irgendwie noch nicht ganz durchschaue…
Ok, der Nutzen für die (planenden) Nutzer wäre so erklärt.
Unser Blickwinkel liegt naturgemäß vor allem beim Händler. Und wie es im Sinne der Händler sein kann, sich solch starkem Preisdruck (und nur der Preis zählt ja offenbar) auszusetzen, versteh‘ ich eben nicht.
Wobei – wenn (viele) eingestellte Deals eher selten unterboten werden, kann es ja durchaus lohnen, mal testweise einige Angebote selbst bei Dealjaeger einzustellen…
Danke für den Hinweis und den Erfahrungsbericht!
Nicola Straub
Robert meint
Evtl. sollte man das Projekt auch mal von einer anderen Seite sehen. Mich kotzt die „GEIZ IST GEIL“ Stimmung langsam an. Und das ist nicht anders hier. Alle wollen mehr verdienen um sich was schönes im Leben leisten zu können, aber ein Händler soll an einem Plasma für 1.000 EUR nur noch 20 EUR Gewinn haben, dann aber wenn einem das Teil nicht gefällt auch noch innerhalb 14 Tagen alles zurücknehmen, Transportschäden abdecken usw…
Sagt mal merkt das eigentlich keiner? Wohin soll es denn mit der Wirtschaft noch weiter gehen, wenn alles nur noch BILLIG ist?
Ich finde das ganze ganz und gar nicht so toll, wie es immer dargestellt wird.
In den 50ern und 60ern hat man Produkte für eine Mark gekauft und für 4 verkauft! Und es war für alle immernoch OK, weil man selber auch genug in der Tasche hatte. Heute Funktioniert das nach diesem Geiz-Prinzip einfach nicht mehr.
Werdet doch mal alle realistisch und macht Euch mal auch darüber Gedanken, was solche Portale und die „Geiz Ist Geil“ Revolution anrichtet!
Daniel Oppenkowski meint
Hallo Nicola,
Vielen Dank für deinen ausführlichen Erfahrungsbericht zu Dealjaeger.de. Wir stecken gerade mitten in der Auswertung des Feedbacks unserer Nutzer und werden deine Erfahrungen bzw. Probleme mit Dealjaeger mit in den Umbau der Seite einfließen lassen.
Dafür, dass wir erst seit 19 Tagen Online sind, haben wir bereits eine überwältigende Resonanz in Form von Nutzern, Zuspruch und Kritik bekommen. Will heißen: http://www.dealjaeger.de interessiert die Menschen.
Dass es bei uns noch eine Menge an Verbesserungen und Modifikationen gibt, ist unbestritten und wird von uns offen in unserem http://www.dealjaeger.de/blog mit den Nutzern diskutiert.
Die großen Themen sind aktuell: Einbeziehung der Versandkosten (seit gestern umgesetzt), Editierbarkeit von Deals und ein Redesign der Seite (Schwerpunkt Verschlankung der Seite und leichteres Handling) sowie bessere Erklärung des Konzepts.
Zu deinen Kritikpunkten:
Was ist Dealjaeger.de: Dealjaeger möchte eine unabhängige Preisvergleichsseite werden, in der nicht Algorithmen (wie bei Preissuchmaschinen) sondern Nutzer über die besten Preise entscheiden. Wichtig ist uns dabei auch die Einbeziehung von Offline-Deals. Außerdem soll man bei uns Stöbern können („Tchibo-Effekt“), ohne ein spezielles Produkt zu suchen.
Nicht ausreichende Produktpalette: Die Zahl der eingestellten Deals steigt rasant an aber natürlich kann man nach 2 ½ Wochen noch kein lückenloses Angebot erwarten.
Bewertung von Shops: steht ganz klar auf unserer Liste. In Zukunft sollen unsere Nutzer die Möglichkeit haben, die Shops zu bewerten, da der Preis allein nicht das entscheidende Kaufkriterium sein kann. Eine Bewertung der Produkte ist bereits jetzt über die Kommentarfunktion möglich.
Jäger des besten Deals: In Zukunft wird dieser „Suchdeal“ weiter ausgebaut, bspw. könnte es in jeder Kategorie ein „Jäger des besten Deals“ geben etc. Wie Martin Schröder in seinem Kommentar anmerkt, ist es aber auch möglich, das gewünschte Produkt einzustellen und sich „in die Hände der Community“ zu begeben.
Viele Grüße, das Dealjaeger.de-Team
shopanbieter.de Blog für den Onlinehandel meint
Also dass mein Dealjaeger-Artikel solche Wellen schlägt… Jochen Krisch zeigte sich verständnislos gegenüber meiner Ratlosigkeit. Meine Bedenken nachvollziehen, können dagegen die Leute von Dealjaeger selbst. Und pflegen eine starke Kommunikationskultur:
Internet Economics meint
Wen es interessiert, der kann auch auf http://www.interneteconomics.de/blog ein weiteres Interview lesen, bei denen noch ein paar andere Aspekte, wie etwa das AAL-Prinzip, bezahlte Empfehlungen und die Geiz-ist-Geil-Mentalität, angesprochen werden.