In den letzten Wochen ließen verschiedene Studien aufhorchen. Ging es jahrelang im E-Commerce mit zweistelligen Wachstumsraten immer nur steil bergauf, gab es dieses Jahr erstmals Wachstumswarnungen. Und schaut man sich mal genauer an, wer denn überhaupt vom Wachstum der letzten Jahre profitierte, dem wird es ganz gruselig zumute. Und das, obwohl Halloween bereits vorbei ist.
bevh, EHI und Bundesverband der Logistiker sind skeptisch
In den letzten Wochen, haben gleich drei Verbände mit ernüchternden Zahlen hinsichtlich der Entwicklung im E-Commerce in 2013 bzw. des erwarteten Wachstums für das laufende Jahr auf sich aufmerksam gemacht:
- EHI und Statista haben den Gesamtumsatz der Top-1000 Online-Shops bewertet und kommen für diese Onlineshops für 2013 nur noch auf eine Umsatzsteigerung von 4,1 %, was rund ein Viertel vom Vorjahr ist.
- Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) ermittelt für das dritte Quartal 2014 bei einem Umsatz von 9,8 Mrd Euro (Vorjahr: 9,7 Mrd. Euro) gerade mal ein Wachstum von 1% gegenüber dem Vorjahr. Immerhin, möchte man da meinen. Schließlich ermittelte der bevh für Q2 sogar einen Rückgang um 5,2 Prozent. Jedenfalls senkt der bevh seine Umsatzprognose für 2014 von 15,4 Prozent auf nur noch einem einstelligen Umsatzwachstum.
- Der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste e.V. (BIEK) ermittelte in seiner KEP-Studie 2014 für 2013 ein um 9,1 Prozent (Vorjahreswachstum 9,2 Prozent) höheres B2C-Sendungsvolumen ihrer Partner so wie DHL, Hermes oder DPD. Für 2014 erwartet der BIEK jedoch nur noch ein B2C-Wachstum von 5,5%.
Nun ist es mit Studien ja immer so eine Sache, was sie mitunter nicht weniger wertvoll machen. Insbesondere, wenn über Jahre hinweg dieselbe Methodik angewandt wird, erlaubt dies durchaus einen guten Vergleich. Die Zahlen des BIEK wirken, da aus der Praxis, hier quasi als Bestätigung für die Studienergebnisse des bevh und die Erhebungen von EHI und Statista.
Amazon treibt das Wachstum an
Bisher ging man davon aus, dass in den letzten Jahren die Top10- bzw. bestenfalls die Top100-Shops überproportional vom E-Commerce-Wachstum profitierten. Pustekuchen, wenn man den Zahlen des EHI Glauben schenken darf und sich diese genauer ansieht. Der EHI ermittelt schon seit langem jährlich die sogenannten Top1000-Shops in Deutschland.
Bei der Auswertung deren Zahlen, stellt sich schnell raus, dass die Top100-Shops in 2013 noch um knapp sechs Prozent zulegen konnten. Rechnet man aus dieser Betrachtung jedoch die Umsätze der Top10-Händler raus, ergibt sich für die Top11 – 100-Händler ein ganz anderes Bild. Dann ist deren Umsatz nämlich um vier Prozent zurückgegangen.
Wer jetzt denkt, die Top10-Händler hätten es gut, irrt sich gewaltig. Für die sieht es auch nicht so toll aus. Denn rechnet man aus deren Umsatz nun die Amazon-Zahlen raus, steht bei dieser Umsatzgruppe plötzlich nur mehr ein Plus von 10 Prozent. Dafür darf man sich dann auch einmal bei Zalando bedanken, denn ohne deren Umsatzwachstum wäre für die Top10 lediglich nur ein mageres Plus herausgekommen.
Doch auch Amazon lässt im Wachstum nach, wie man den EHI-Zahlen entnehmen kann. So war der Versender-Gigant in den letzten Jahren in Deutschland mit einem Wachstum um die 40 Prozent verwöhnt und durfte sich in 2013 nur noch über eine 21-prozentige Umsatzsteigerung freuen.
Neueinsteiger schieben von hinten an
Angeschoben wurde das Wachstum in den vergangenen Jahren zusätzlich von den auf den Rängen 501 – 1.000 liegenden Onlineshops. So konnten diese ihren Umsatzanteil am Gesamtvolumen der Top1000 bisher jedes Jahr ausbauen. Nur vergangenes Jahr erwischte auch sie das Wachstumsloch.
Unterstellt man jedoch, dass der gesamte E-Commerce-Markt in 2013 um mindestens die von den Logistikern ermittelten 9,1 Prozent gewachsen ist, bedeutet dies zwangsläufig, dass vor allem die Umsatzgruppe gewachsen sein muss, die nicht in den Top1000-Shops gelistet sind. Denn für die Top1000 ermittelte der EHI lediglich ein Wachstum von weniger als zwei Prozent, in 2013 auf 30 Mrd. Euro.
Dies macht auch Sinn – schließlich sprießen derzeit allerorten neue kapitalstarke Onlineshops aus dem Boden. Seien es VC- bzw. Media Equity-finanzierte Online-Shops oder auch internationale Online-Händler, die den Markteintritt in Deutschland vollziehen. Hinzu kommen noch die Markenshops und diejenigen der stationären Händler, welche jetzt erst in den Internethandel einsteigen oder ihr Engagement ausweiten.
Dann spielen diejenigen Marktteilnehmer, welche bisher lediglich die Rolle des Großhändlers oder Importeurs inne hatten und jetzt ebenfalls im E-Commerce aktiv werden, schon beinahe keine Rolle mehr.
Anyway – alles Akteure, die es möglicherweise noch nicht in die Top1000-Liste schaffen, aber zusammengenommen dennoch bereits nennenswerten Umsatz machen.
Die gute Nachricht bei aller Schwarzmalerei – ich kenne auch sogenannte „Hidden Champions“, die in keiner Statistik auftauchen, und sich beim Lesen dieses Artikels sicherlich lächelnd zurücklehnen werden. Wissen sie doch um ihre Umsätze, Gewinne und Wachstumszahlen.
Aber auch diese sollten sich nur kurz zurücklehnen.
Christof meint
Die Zeiten, in denen die Eröffnung eines Online-Shops per se Gewinn versprach, sind schon lange vorbei (wenn es sie denn je gegeben hat). Auf der anderen Seite gibt es zig-1.000 „hidden champions“ (wie du ja auch schreibst, Peter), die mit Nischen-Strategien, professionellem Einsatz und Hingabe blitzsaubere Bilanzen vorweisen können. Und auch für Neu-Einsteiger gibt es immer noch richtig viel Platz, wir erleben es bei unseren Shop-Betreibern immer wieder.
Peter Höschl meint
100% Agree, es gibt auch noch genug Potentiale im Netz.
Aber, wie Du ja auch schreibst, geht es nur mit einer Strategie, professionellem Einsatz und Hingabe.
Horst meint
Danke für diese Zahlen. So etwas ähnliches habe ich mir aus den Zahlen vom bevh schon herausgerechnet. Interessant in diesem Zusammenhang sind berichte, die von einem Schrumpfen des Internets sprechen. Natürlich nur unter der Prämisse, wenn man den Trafficzuwachs der Top10-Seiten vom Internet-Gesamttraffic abzieht. Wir haben es – wie in allen reifen Industrien mit einem Konzentrationsprozess zu tun. The winner takes it all.
Peter Höschl meint
Ja, in die Richtung Traffic-Auswertung bin ich vor wenigen Monden auch schon mal gegangen. Hatte damals den selben Eindruck mitgenommen. Muss ich aber im neuen Jahr mal sauber aufbereiten.
Steffen | Alphelden.de meint
Ein Unternehmen ist erfolgreich wenn es wächst…? Ein weit verbreiteter Irrglaube. Wachstum dient doch vor allem um Marktteilnehmer zu verdrängen. Wachstum ist kein Indikator für Erfolg. Dieser misst sich am Gewinn und nicht am Umsatz. Deshalb kann ein Shop auch nicht mit Amazon wachsen…
Momentan sollten doch gerade kleine und mittelständige Unternehmen in die schon erwähnte Professionalisierung investieren, Warensortiment überarbeiten, Kernkompetenzen ausbauen und sich vor allem vom Umsatzwachstum verabschieden. Ziel sollte es doch eher sein das erreichte Niveau zu halten…
Peter Höschl meint
100% Agree – genau das ist unsere Aussage in vielen Artikeln, Workshops und Vorträgen – Umsatz ist schön, Rendite ist schöner.
Leider fokussieren sich noch immer viel zu viele Händler auf die Generierung von Besuchern. Ist ja nichts schlechtes dabei, aber zuerst sollten die Hausaufgaben bei den Prozessen, Controlling und Unternehmensplanung gemacht sein. Damit der Besucher eben nicht nur Umsatz sondern Rendite bringt.