Die Eidgenossen zeigen sich im Moment sehr interessiert am EU-Recht: Immer mehr Bereiche des Schweizer Rechts werden zur Zeit an das europäische Rechtssystem angeglichen – teils direkt mit Verweis auf Brüsseler Bestimmungen, teils in kleinen, wohldosierten Schritten. Aktuell wurde beispielsweise die Gewährleistungsfrist im Schweizer Obligationenrecht auf zwei Jahre erhöht und damit dem EU-Standard weitgehend angepasst; ferner wurden die meisten EU-health claims direkt übernommen und das Schweizer Chemikalienrecht an die REACH-Verordnung und die GHS-Standards angepasst.
Im Schweizer Obligationenrecht (OR), dem Gegenstück zum deutschen BGB, stand Verbrauchern bislang eine Gewährleistungsfrist („Verjährung“) von einem Jahr zur Verfügung – diese wurde nun auf zwei Jahre verdoppelt. Darüber hinaus wurden noch weitere Neuerungen in das OR eingepflegt, die teilweise auch Unternehmer begünstigen. Eine vollständige Harmonisierung mit dem Unionsrecht, wie bei zahlreichen anderen Revisionen in der Schweiz, wurde hier jedoch nicht vorgenommen; im Ergebnis wurde lediglich ein identischer Fristenlauf eingeführt. Tiefergehende Probleme aus dem vertragsrechtlichen Bereich werden auch künftig vertiefte Kenntnisse des Obligationenrechts erfordern.
Des Weiteren hat die Schweiz vor kurzem ihre Vorschriften über gesundheitsbezogene Werbeaussagen bei Lebensmitteln („health claims“) nahezu vollständig mit den Vorschriften der Health-Claims-Verordnung (HCVO) der EU harmonisiert. Einige Besonderheiten sind beim grenzüberschreitenden Lebensmittelhandel mit der Schweiz aber weiterhin zu beachten: Bspw. sind Produkte, die mit probiotischen Keimen angereichert sind, zwar in der Schweiz, nicht aber in der EU zulässig. Ferner wurden aus der HCVO nicht die Claims für Aktivkohle, Lactulose, Monacoline, Melatonin und Rotschimmel übernommen, da diese Substanzen in der Schweiz dem Arzneimittelrecht unterliegen.
Zeitgleich sind in der Schweiz die Chemikalienverordnung (ChemV) und die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) durch entsprechende Änderungen an die europäische Rechtslage angeglichen worden. Im Rahmen der Revision wurden in der Schweiz einige bis dahin noch erlaubte Stoffe untersagt, ebenso wurde die unionsrechtliche Regelung zu „besonders besorgniserregenden Stoffen“ übernommen. Die Voraussetzungen für die Abgabe von Chemikalien an Endverbraucher gleichen in der Schweiz nun vollständig den Vorgaben der EU, sodass Händler künftig in beiden Rechtsräumen mit der geltenden Rechtslage vertraut sind.
So praktisch diese Angleichungen auch sind: Händler beiderseits der Schweizer Grenze sollten jedoch weiterhin bedenken, dass im jeweils anderen Rechtsraum ein abweichendes Wettbewerbs- und Kaufrecht gilt. Die Harmonisierung bezieht sich auf bestimmte Teilaspekte des Zivilrechts und bestimmte Produktkategorien, aber insbesondere nicht auf Werbung und Vertragsbeziehungen.