Was haben Zooplus, Redcoon, Notebooksbilliger und Globetrotter gemeinsam? Sie sind erfolgreich – und ‚fahren‘ auf selbstentwickelten Shopsystemen! Schon länger vermutet Jochen Krisch von Exciting-Commerce, dass Eigenentwicklungen (der extrem angepasste OS-Lösungen) die bessere Wahl sind für anspruchsvolle Shopprojekte.
Jetzt scheint eine schweitzerische Studie diese Hypothese zu bestätigen: Sieben von 19 befragten erfolgreichen schweitzerischen Onlineshops setzen auf individuelle Lösungen und bezeichneten in der Studie "die spezifisch ausdifferenzierte Gestaltung und laufende Weiterentwicklung ihrer eingesetzten IT-Systeme im Zusammenspiel mit den Geschäftsprozessen als Kernkompetenz."
Krisch zitiert O-Töne aus dem "E-Commerce-Report 2009" (PDF, 303 kb, Registrierung nötig) des Instituts für Wirtschaftsinformatik IWI, Competence Center E-Business Basel, die für Standardsoftware geradezu vernichtend ausfallen:
- Marcel Dobler von digitec sagt: "Mit unseren selbst entwickelten IT-Systemen sind wir effizienz- und know-how-mässig vielen anderen Firmen überlegen. Jeder einzelne Prozess wurde auf uns zugeschnitten. Durch die automatisierten Abläufe benötigen wir weniger Personal und daraus resultiert dann der Preisvorteil für den Kunden."
- Sven Betzold von ifolor sagt: "Die funktionale Anpassung und Erweiterung unserer IT-Systeme ist infolge der dynamischen Marktentwicklung eine permanente Aufgabe. Informatik ist eine unserer Kernkompetenzen."
- Christian Wanner von LeShop sagt: "Unsere Versuche mit Standardsoftware sind gescheitert. Standardsoftware mit externen Consultants anzupassen ist viel zu teuer."
OK, selbst entwickelte Shopsysteme können also ein zentraler Erfolgsfaktor für Onlineshops sein – aber ist auch der Umkehrschluss zulässig: Müssen sich Standardsoftwaren (ggf. ab einer gewissen Shopgröße) immer als Hemmschuhe auswirken? Gegenbeispiele, Kommentare?
Herzlich aus Hürth
Nicola Straub
Frank meint
Guten Morgen, individuell erstelle Shopsysteme lassen sich den Bedürfnissen eines Betriebes anpassen und der Händler kann seine Wünsche an das System verwirklichen. Nur zeige mir die enorme Anzahl von Händlern, die Entwiklungskosten von mehreren 10.000 Euro in die Hand nehmen bevor sie einen Euro Umsatz gemacht haben. Ein Shopsystem sollte das tägliche Arbeitsaufkommen entlasten und helfen, den Händler zu entwickeln, nicht umgekehrt. Ein Händler verdient sein Geld durch Handeln nicht durch Softwareentwicklung.
Insofern sin diese Annahmen vielleicht für große Händler mit vielen tausend Euro Entwicklungsbudget pro Jahr relevant aber nicht für die anderen 99% der Händler. Und die Anforderungen sind ja nicht nur an den Shop zu stellen: Was ist mit dem heute enorm wichtigen Mehrkanalsvertrieb, Abwicklungsprozessen (Einkauf, Überverkäufe vermeiden, Zahlungsmanagement, Versand,etc.), Kunden- und Auftragshandling (CRM). Soll diese Software wirklich durch einen Händler erst entwickelt werden, bevor der anfängt zu handeln?
H.P. meint
Fakt ist das sich kaum jemand die Kosten für eine komplette Eigenentwicklung leisten kann, nebenbei, für solch komplexe Softwareprojekte benötigt man nicht nur viel Geld sondern auch viel Zeit und Wissen über die abzubildenden Prozesse sowie ggfls. die entsprechenden „Inhouse Kapazitäten“.
Daher geht so etwas schon rein organisatorisch nur bei größeren Unternehmen, dort auch nur im Rahmen einer historisch gewachsenen Struktur oder über eine komplette Parallelentwicklung die alte Systeme nach Fertigstellung ablöst.
Man sollte hier grundsätzlich das Umfeld der Studie sowie das Umfeld in dem sich Jochen Krisch befindet beachten, hier passt das Ergebnis ganz gut, für die meisten Händler dagegen ist so ein Projekt niemals zu stemmen.
Allerdings gibt es mit quelloffener Software durchaus Alternativen zur kompletten Eigenentwicklung. Tatsächlich scheitern aber auch diese Projekte sehr oft, man sollte den Aufwand (eigene Erfahrung) eben nicht unterschätzen.
Stefan meint
Eigenentwickelte Lösungen sind sicherlich für grosse Volumena an Besuchern und für grosse Shops ein interesantes Thema. Leider können sich die kleineren Shopbetreiber meist einen solchen Luxus nicht leisten, was aber im Umkehrschluss nicht heissen muss, das es nicht geht. Als Betreiber eines Onlineshops ist es sicherlich ratsam, bei einer Umgestaltung es Shop oder einer geplanten Erweiterung auch die Skalierbarkeit der Software zu berücksichtigen. Nur weil der Shop nicht zu den TOP 500 zählt, heisst das noch lange nicht, das sich sowas ändern kann. Ich bin der Meinung, man sollte sich bei eventuelle Anschaffung oder Plaung auch über den Punkt der Erweiterbarkeit der Software gedanken machen. Es ist sicherlich sinnvoller eine Lösung zu benutzen, die sich individuell anpassen lässt, auch wenn man es zum aktuellen Zeitpunkt vielleicht noch nicht benötigt, aber man kann wenn man möchte dies Erweitern. Leider denken viele Betreiber nur bis zum Morgengrauen und nicht einen Schritt weiter, was insbesondere bei Softsoftware sicherlich angebracht wäre.
Robert Zajonz meint
>> Gegenbeispiele, Kommentare?
Aber ja doch! 🙂
Also dass man bei ifolor.ch aufgrund des sehr speziellen Konfigurators für die Fotobücher usw. programmieren muss ist eindeutig. Hier wird es nie Standardlösungen geben.
Bei leshop.ch ist zumindest nach außen hin kein Eigenentwicklung sichtbar. Evtl. wurde aufgrund des großen Sortiments im Backoffice optimiert.
Bei digitec.ch sehe ich ebenfalls keinen Grund für eigene Entwicklungen. Eher veraltet, mit Frame-Strukturen und langweiliger Optik. Werter Herr Dobler (bitte entschuldigen Sie meine offene Kritik), wenn ich auf http://digitec.ch/ProdukteDetails2.aspx?Reiter=Bilder&Artikel=160219 klicke (mit gedrückter Shift Taste, wie das viele so tun), geht der Artikel in einem separaten Fenster auf. Klicke ich darin auf „in den WK“ passiert das in dem Fenster darunter. Ein 0815 Besucher versteht das leider nicht.
Suche ich „Brother PT-2430PC Beschriftungssystem“ bei google.ch finde ich diesen in der TOP 100 nicht. Suchmaschinenfreundlichkeit Ihrer Lösung = NULL. Ich zitiere Sie:
> Mit unseren selbst entwickelten IT-Systemen sind wir
> effizienz- und know-how-mässig vielen anderen Firmen
> überlegen
Das sind große Worte! Sind Sie sicher, dass diese zu Ihrer Lösung passen?
Frank sagte es schon sehr deutlich, für 99% der Onlinehändler ist diese Titel-Aussage schlichtweg falsch. Im Beispiel digitec.ch sieht man in was die Selbstüberschätzung solch komplexe ecommerce Systeme selber zu programmieren enden.
Der Angesprochene Kostenfaktor ist noch höher. Mit selbst mehreren 10.000 EUR kommt man ja einmalig nicht aus. Die Entwickler (wegen Urlaub und Krankheit benötigt ein Händler gleich zwei!) kosten im Monat Ihr Geld. Einem der sein Handwerk versteht muss man schon rund 4.000 EUR Gehalt bieten. Mit Sozialblabla also rund 10.000 monatlich für 2 Mitarbeiter.
Wer nur mit einem einzigen Entwickler ins Rennen geht, untersteht einem unternehmerisch nicht tragbaren Risiko. Auch bei 2 Mitarbeitern ist die Abhängigkeit von der Eigenentwicklung sehr hoch! Es braucht nur einer der beiden zu kündigen, kann der Verbliebene schon wieder eine Gehaltserhöhung verlangen. Ich kann jetzt keinen Namen nennen, aber genau so habe ich das schon mal erlebt!
Bei einem Dienstleister, der sich auf die Entwicklung solcher Software spezialisiert hat, steht eine ganze Mannschaft zu Verfügung. Ohne dass man 5-stellig im Monat investieren muss.
Sonderlösungen wie bei ifolor.ch werden die Ausnahmen bilden, wo auch nach reiflicher Überlegung eine Eigenentwicklung (oder auf Basis einer Standardsoftware aufgesetzt) zum Einsatz kommen muss.
Fazit:
Wir holen unsere Brötchen jeden Morgen beim Bäcker und backen sie nicht selbst oder stellen dazu einen Bäcker ein.
Martin Schröder meint
Wenn sieben von neunzehn befragten Shops auf Eigenentwicklungen setzen, dann kann ich den Schluss, dass Eigenentwicklungen offenbar erfolgsversprechender sind, nicht ganz nachvollziehen. Immerhin setzt die Mehrheit der erfolgreichen Händler auf Standardlösungen, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Dass die Händler, die auf Eigenentwicklungen setzen, im Interview die Vorteile dieser Lösungen herausstellen, ist ja keine Frage. Genauso hätte man aber die zwölf anderen Händler befragen können, die die Vorteile der Standardlösungen betont hätten.