In der letzten Zeit sind zwei Untersuchtungen zur Onlineshop-Usability veröffentlicht worden: eResult untersuchte, wie "lang" die Startseiten von Onlineshops aus Nutzersicht sein dürfen, dmc digital media center befragte Nutzer zu ihren Vorlieben bezüglich der Produktpräsentation von Modeartikel und "Weißer Ware".
Beiden Untersuchungen liegen Befragungen von je 600 zufällig ausgewählten Nutzern zugrunde – d.h., die Befragten überlegten an gezeigten Beispielen, was ihnen jeweils lieber wäre. So lassen sich ganz gut HInweise auf Nutzervorlieben erhalten. Allerdings: Im "echten Leben" kann das tatsächliche Verhalten aber abweichen – die aus Usabilitysicht "ungenügende" Website von Amazon beweist dies täglich aufs Neue…
Zu den Ergebnissen:
Startseitenlänge
Nutzer sind generell bereit, auf den Startseiten von Onlineshops zu scrollen – aber nicht allzu viel. Das ist das Kernergebnis der Untersuchung von eResult. Den Teilnehmern wurden drei stark ausgegraute Shopstartseiten (Auflösung 1024 x 768) gezeigt: eine mit nur einer Bildschirmlänge, eine mit etwa zwei Bildschirmlängen (1,5 Scrollraddrehungen) und eine deutlich längere. Die Ergebnisse:
- 48,6% der Befragten bevorzugten die kurze Shop-Startseite
- 42,8% sind bereit 1,5 Scrollradumdrehungen nach unten zu wandern
- 7,9% mögen auch länger scrollen.
- 40,4% der Befragten sagten aus, dass sie generell gar nicht scollen möchten.
Die zielgruppenspezifische Segmentierung ergab, dass Frauen eher zum Scrollen bereit sind, als Männer. Sehr junge (unter 20 Jahre) und ältere (über 60 Jahre) scrollen ebenfalls lieber als die "mittleren Jahrgänge". eResult untersuchte auch flankierende EInflussfaktoren: So waren die Probanten eher bereit zu scrollen, wenn sie sich nicht in einer konkreten Produktsuche, sondern eher beim "Stöbern" befanden. Ebenso spielte die Attraktivität der Startseiten-Angebote eine Rolle: Je interessanter die Produkte empfunden wurden, desto größer war die Bereitschaft, am Maus-Rad zu drehen. Besonders interessant: "Faktoren wie die Stimmung, Bildschirmauflösung oder Intensität der Internetnutzung (haben) keinen signifikanten Einfluss auf die Scrolltoleranz", schreibt eResult.
Fazit: Shop-Startseiten sollten nicht allzu lang sein, die gezeigten Angebote sollten für die Zielgruppe möglichst attraktiv sein. Was eResult nicht formuliert, für mich aber das vielleicht wichtigste Fazit ist: Wer seine Besucher nach Motivlage (Zielkäufer/Stöberer) unterscheiden kann, sollte dies in die Gestaltung der Seiten einbeziehen. So sollten Landeseiten für gezielte Produktsucher deutlich kürzer gestaltet sein, als Startseiten für Stöberer.
Produktpräsenstationen
dmc stellte für seine Studie seinen Nutzern sechs Fragen rund um die Produktpräsentation bei Mode und Weißer Ware. Mittels vorgegebener Antwortmöglichkeiten wurde abgefragt, welche Informationen am wichtigsten seien, welche Zusatzinformationen, und welche Zusatzfunktionen (Mode) bzw. Zusatz-Services (Waschmaschinen) als wichtig erachtet werden. Die Ergebnisse:
Welche Informationen sind Ihnen beim Kauf wichtig? (Top 6 von 13 bzw. 14 Antwortmöglichkeiten)
Mode | Waschmaschinen |
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Bei Mode vielen noch wichtig sind "Qualitätshinweise" (30,7 %), bei Weißer Ware "Vergrößerungsansicht/Zoommöglichkeit" (27,2 %) und "Weitere Bilder der Waschmachine" (26,2 %).
Welche der folgenden Zusatzinformationen sind für Sie beim Erwerb wichtig? (Top 6 von 7 bzw. 10 Antwortmöglichkeiten)
Mode | Waschmaschinen |
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Schließlich wurde noch abgefragt, welche zusätzlichen Shop-Funktionen beziehungsweise welche zusätzlichen Services für die Befragten wertvoll sind:
Welche der folgenden zusätzlichen Funktionen sind für Sie wichtig? (Top 6 von 10 bzw. 11 Antwortmöglichkeiten)
Mode | Waschmaschinen |
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Auf den weiteren Plätzen finden sich bei Mode noch eine Wunschzettel-Funktion sowie die Möglichkeiten zum Bewerten, zum Kommentieren sowie zum Empfehlen. Bei Waschmaschinen landeten die Optionen "Einen Onlineberater mit der Möglichkeit, einen Experten zu kontaktieren" sowie die Wunschzettel-, Kommentar- und Empfehlungsfunktionen auf den Folgeplätzen.
Fazit
Die Einsicht, dass bei unterschiedlichen Produktgruppen auch der Informationsbedarf der Kunden unterschiedliche ist, ist banal – Musikkäufer werden beispielsweise auch eine Anspielmöglichkeit höher werten. Ohne Unterschiede jedoch haben das Produktbild, die ausführliche Beschreibung sowie die Verfügbarkeit bei den Kunden höchste Priorität.
Dass gleichzeitig Funktionen mit so wenig Mehrwert (wie "Produktinfos drucken" bei Modeartikeln) so hoch gewertet werden, macht mich schon stutzig. Interessant ist, dass eine Videopräsentation mehrheitlich für uninteressant angesehen wird: Nur 2,7 % der Befragten fanden dies für Modeartikel, 9,8 % für den Waschmaschinenkauf wichtig. Allerdings bezwecken Videos in Onlineshops oft auch etwas anderes, als die reine Produktvorstellung. Sinnvollerweise werden Videos zur Imagebildung und Vertrauensvermittung eingesetzt. Das kann in Form von Videos ausgesuchter Produkte geschehen (wie es z.B. früher Madillo.tv (†) gemacht hat oder heute ThinkGeek macht), aber auch mittels Videos aus dem Backoffice-Bereich, z.B. vom Versand empfindlicher Produkte.
Herzlich aus Hürth
Nicola Straub
Martin Schröder meint
Was die Länge der Startseite angeht, so bezweifel ich sehr, dass sich die optimale Länge tatsächlich im Labor mit „stark ausgegrauten“ Seiten testen lässt. Ob man bereit ist zu scrollen, hängt ja nicht ausschließlich von der Bequemlichkeit der Nutzer ab, sondern vor allem von der Erwartung an die Inhalte, die nach dem Scrollen sichtbar werden. Scrollen ist lästig, und man scrollt nur, wenn man glaubt, dass es sich der Aufwand lohnt. Aber im Labor lohnt sich scrollen niemals. In der Praxis manchmal schon.
Bei Amazon weiß ich, dass die für mich interessanten Kategorien „Mehr zu entdecken“ und „Inspiriert durch Ihre Wünsche“ unten auf der Startseite zu finden sind. Also scrolle ich. Wenn ich mich zum ersten Mal auf einer Startseite befinde, dann hängt meine Scrollbereitschaft sicherlich in sehr hohem Umfang ab von den Inhalten, die gerade noch sichtbar sind.
Wenn auf einer Reisewebsite beispielsweise oben ein Suchformular gezeigt wird und darunter dann jede Menge für mich belanglose Teaser zu einzelnen Reisen, die alle nicht mein spezifisches Interesse treffen, dann werde ich wohl eher das Suchformular nutzen, als zu schauen, ob unten auf der Seite vielleicht doch noch ein für mich interessanter Teaser platziert ist. Wenn aber die Startseite (nur mal als Beispiel) aus zahlreichen, wunderschönen Reisebildern aus aller Welt bestehen würde, dann könnte ich vermutlich durch Scrollen weitere Bilder entdecken, so dass sich der Aufwand lohnen würde. So etwas lässt sich für mein Empfinden nur am konkreten Beispiel testen, aber nur sehr unzuverlässig in einer Laborsituation.
Nicola Straub meint
Hallo Herr Schröder!
Genau das ist auch die Einschränkung, die ich sehe – und so ja auch formuliert habe. Doch die eResult-Leute haben (offenbar) auch Gegentests gefahren, um die Daten zu verifizieren. Dies lese ich jedenfalls aus der Meldung, welche sonstige Einflussfaktoren zusätzliche Wirkung auf die grundsätzliche „Scroll-Willigkeit“ ausüben (und von gelernten Verhaltensforschern sollte man solch ein Vorgehen auch erwarten dürfen – eResult ist auf Verhaltensforschung spezialisiert).
Insofern liefern die Ergebnisse IMHO schon verlässliche Hinweise auf die Grundeinstellungen der Nutzer. Und genau wie Sie sagen: Will ich, dass (z.B. mittelalte Männer) dennoch scrollen, muss ich eben besondere Anreize setzen. Oder andersherum: Wenn ich eine Seite baue, die Männer während einer konkreten Produktsuche anspricht, sollte ich die versuchen sehr kurz zu gestalten…
Herzlich, Nicola Straub
shopanbieter.de Blog für den Onlinehandel meint
Die Kollegen vom Shopbetreiber-Blog rufen zur Teilnahme am Shop-Usability-Award auf. Das tun wir doch gern auch, zumal wir ja in der Jury vertreten sind: Ist Ihr Shop top? Verkaufen Sie Emotionen, sind Ihre Startseite und Produktpräsentationen optimiert,