Der 2008 gegründete Plus-Size-Versender navabi ist seit einer Corona-bedingten Fast-Insolvenz im letzten September wieder ganz in der Hand seiner beiden Gründer Bahman Nedaei und Zahir Dehnadi. Ohne Investoren im Rücken haben die beiden ihr Unternehmen in kürzester Zeit auf Profitabilität getrimmt. Das gelang durch Kostenreduktion, eine knallharte Sortimentsbereinigung und der Konzentration auf Eigenmarken.
Als navabi Mitte letzten Jahres eine „Sanierung in Eigenverwaltung“ bekannt gab (also die Kurz-Vor-Knapp-Alternative zur Insolvenz), klang es erstmal wie eine weitere VC-finanzierte Bude, die beim ersten Corona-Gegenwind den Bach runtergeht. Keine ganz faire Einschätzung, schließlich wurde navabi schon 2008 gegründet und wuchs jahrelang aus eigener Kraft, bevor 2013 die ersten Investoren ins Unternehmen einstiegen. Zuletzt war die Wachstumsrate des Unternehmens aber ins Stocken geraten und navabi hatte – dank mehrerer Finanzierungsrunden in Höhe von rund 40 Millionen Euro – stark investiert, um den Wachstumsmotor wieder anzuwerfen. Unter anderem sollte der Aufbau eines Eigengeschäfts den Mode-Händler wieder auf Kurs bringen. Aber dann kam Corona.
Der „Internet World“ hat Co-Gründer Bahman Nedaei erzählt, wie sich der Lockdown auf sein Unternehmen auswirkte: „Viele Leute haben uns gefragt: Warum habt ihr denn Corona-Probleme, ihr seid doch Online-Handel. Aber wir haben den größten Teil unseres Umsatzes mit Kleidern und anlassbezogener Mode verdient. Und wenn man nicht schick ausgehen kann, braucht man auch kein Abendkleid.“ Die Umsätze des Versenders brachen von einem Tag auf den anderen um 50 Prozent ein.
Schnell wurde die wachstumsgetriebene Orientierung des Unternehmens zum Problem: Die Umsätze waren nicht profitabel, der Cashflow schon gar nicht, und die Ware fürs Sommergeschäft musste bezahlt werden. navabi ging das Geld aus.
Sortimentsbereinigung nach Controlling-Lehrbuch
Hier hätte die Geschichte zu Ende sein können – hätten die beiden Gründer sich nicht dazu entschlossen, ihr Unternehmen eben nicht abzuschreiben, sondern es stattdessen von den Investoren zurückzukaufen und ab dem 1. September 2020 wieder selbst zu führen. Keine alltägliche Story für eine VC-Bude.
Danach haben Nedaei und Dehnadi in ihrem Unternehmen nach Controlling-Handbuch aufgeräumt; Das Team wurde verkleinert, das teure Büro in Aaachen aufgegeben, das Marketing heruntergefahren – und vor allem das Sortiment entschlackt. Nur profitable Produkte durften bleiben. So machte navabi nicht nur bei jedem Verkauf Gewinn, es fielen auch weniger laufende Lagerkosten an und weniger Cashflow wurde in Waren gebunden. Zusätzlich setzte das Unternehmen weiterhin auf die hochprofitablen Eigenmarken. So schaffte es navabi zurück in die schwarzen Zahlen. Seit Anfang des Jahres sei das Unternehmen raus aus der Gefahrenzone, sagte Nedaei der „Internet World“. Seit Ende des Lockdowns im Mai gehen auch die Umsätze langsam wieder hoch. Die beiden Gründer scheinen den Turnaround geschafft zu haben.
Glückwunsch an die beiden. Ihre Story bestätigt dabei meine Erfahrungen aus vielen Unternehmensberatungen in den letzten Jahren: Mit viel Geld ist es einfach, sich eine schicke Firma aufzubauen. Aber wenn das Fundament für das Wachstum fehlt, stürzt das Hochhaus bei der kleinsten Erschütterung in sich zusammen. Aber wenn das eigene Geschäftskonzept grundsätzlich valide ist, lohnt sich ein Rettungsversuch – und der fängt immer bei einer genauen Sortimentsanalyse und der folgenden Sortimentsbereinigung an. Dann lässt sich das Steuer auch kurz vor der Insolvenz noch einmal herumreißen.
Dabei lohnt sich eine Sortimentsbereinigung auch für hochprofitable Online-Händler.
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