Amazon scheint es im Zweikampf mit Google gerade so richtig wissen zu wollen. Vorletzte Woche kam die überraschende Meldung, dass sich Amazon in den USA komplett aus Google Shopping zurückgezogen hat. Und letzte Woche legte der weltgrößte Online-Marktplatz noch einen drauf – mit einer Erweiterung seines Anzeigentools, die nichts weniger darstellt als einen direkten Angriff auf Google Adsense.
„Amazon Sponsored Products Extended Ad Network“ heißt das Tool, das am 18. Mai in den USA in die Beta ging. Schon vorab hatte Amazon Advertising ausgewählte Partner über den Start informiert, die entsprechende Mitteilung schlug in den Händler-Gruppen auf Facebook hohe Wellen. Kein Wunder: Schließlich erweitert Amazon damit die Werbemöglichkeiten seiner Händler erstmals über den Marktplatz hinaus. Zum Start ist der Beta-Test auf die USA beschränkt, Experten erwarten aber den Roll-out in europäische Märkte in einigen Monaten.
Bisher konnten Marketplace-Händler mit dem Marketing-Tool „Sponsored Products“ ihre Produktangebote in den Suchergebnis-Listen bewerben. Aber auch Display- und Video-Anzeigen konnten auf dem Marktplatz bereits geschaltet werden, zudem gab es gerätebasierte Werbung, die speziell auf dem Amazon-Kindle ausgespielt werden konnte.
Jetzt geht Amazon Advertising einen großen Schritt weiter und ermöglicht seinen Händlern, ihre auf Amazon verkauften Produkte auch auf externen Websites und Apps zu bewerben. Über Retargeting-Optionen können die Anzeigen gezielt an Nutzer ausgespielt werden, die sich das entsprechende Produkt auf Amazon bereits angesehen, aber noch nicht gekauft haben. Wie das Werbe-Netzwerk, das Amazon für dieses Angebot nutzt, genau aussieht, dazu hat sich Amazon bisher nicht geäußert. Auch eine Anfrage bei Amazon Deutschland dazu wurde uns bisher nicht beantwortet.
Angriff des Anzeigen-Zwergs
Noch ist Amazon im Anzeigen-Geschäft verglichen mit den Platzhirschen ein Rookie. Der Bezos-Konzern erwirtschaftete mit seinem Anzeigengeschäft im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,7 Milliarden US-Dollar, der Re-Targeting-Spezialist Criteo brachte es laut Bloomberg.com auf einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro. Alphabets Google hat 2017 rund 95 Milliarden US-Dollar aus allen Werbegeschäften eingespielt. Facebook machte damit im vergangenen Jahr 40 Milliarden US-Dollar.
Dennoch sei es ein Fehler, Amazons Ambitionen zu unterschätzen, meint Jan Bechler, Geschäftsführer der Marktplatz-Spezialagentur finc3 im Interview mit der Internetworld:
„Die von Amazon getestete Lösung überschneidet sich nur mit einem Teil der Services und Zielgruppen von Criteo oder Google. Dennoch wird der Wettbewerb im Retargeting-Feld sicher härter werden und Amazon seinen derzeit noch moderaten Marktanteil am Gesamtwerbemarkt weiter ausbauen.“
Das liegt auch daran, dass Amazon es Händlern wie gewohnt leicht macht, das neue Angebot zu nutzen. Ähnlich wie bei Google Adsense oder dem Targeting-Anbieter Criteo zahlen die werbenden Händler auch bei Amazon nicht für die Anzeige selbst, sondern nur für den Klick. Händler können zudem eine maximale Gebotshöhe pro Klick voreinstellen, was die Automatisierung von Kampagnen erleichtert. Zudem ist das Werbe-Angebot von Amazon grundsätzlich auf Händler zugeschnitten, was sich positiv auf die Performance der Anzeigen auswirkt: „Zum einen liegt die Conversion Rate auf Amazon häufig deutlich über der von herkömmlichen Webshops“, so Bechler. „Zum anderen beeinflussen durch Advertising erzielte Sales auch die Entwicklung der organisch-generierten Verkäufe positiv. Advertising auf Amazon hat damit einen zweifachen Effekt. Es spricht also einiges dafür, dass Händler zunehmend mehr Media-Budget auf Amazon allokieren.“
Bildquelle: © bigstock.com/ The Kaikoro