Ende der 90er Jahre moderierte ich, gemeinsam mit Nicola, die Mailingliste "Shopsysteme" von akademie.de. Mailinglisten waren damals das, was heute die Diskussionsforen sind. Heute gibt es nicht mehr allzuviele Mailinglisten, dafür umso mehr Diskussionsforen – nur nicht zum Thema E-Commerce.
Es gibt zwar einige Foren zum Verkauf über eBay und Konsorten, aber Foren, die sich darüber hinaus mit den Belangen eines Onlinehändlers beschäftigen, lassen sich an einer Hand abzählen. Und bei denen, die es gibt, ist meist nicht wirklich viel los. Nur woran liegt das?
Bei den Betreibern der bestehenden Diskussionsforen, wie beispielsweise Formlet oder dem Ecommerce-User-Forum handelt es sich (mehr oder weniger) um One-Man-Shows. Diese haben das jeweilige Forum mit viel Aufwand, Liebe und Enthusiasmus aufgebaut und sicherlich darauf gebaut, dass irgendwann die kritische Masse an Teilnehmern erreicht ist und sich die Nutzer – zumindest größtenteils – selbst befeuern. Nur so lässt sich der Aufwand einigermaßen im erträglichen Rahmen halten.
Die kritische Masse wurde in den genannten Fällen zwischenzeitlich sogar erreicht. Doch trotzdem fungieren die Forenbetreiber nach wie vor als Alleinunterhalter:
- Sie sind es, die Diskussionsfäden überhaupt starten und nicht die Nutzer.
- Sie sind es, die auf die Beiträge anderer, überhaupt nur antworten.
Irgendwann erlahmt so zwangsweise das Engagement und wenn sie nicht aktiv sind ist bald gar nichts mehr im Forum los. Klar, zwischenzeitlich finden sich auch immer sehr aktive Nutzer, die bereitwillig ihr Wissen teilen. Doch auch diese wenden sich irgendwann enttäuscht ab, wenn von den anderen Nutzern nichts kommt. Aber nochmal: woran liegt das?
Sind Onlineshop-Betreiber kommunikationsunfähige Einzelgänger?
Nein, daran liegt es natürlich nicht. Aber bei einem E-Commerce-Forum geht es nicht um eine Freizeitbeschäftigung, bei der man sich freut, wenn man sich mit Gleichgesinnten über die neuesten Erfolge austauschen kann.
Hier geht es ums Geschäft und die Angst davor, möglicherweise sein Erfolgsrezept – sprich seine Lebensgrundlage – an einen möglichen Konkurrenten weiterzugeben. Und nichts fürchten Onlinehändler mehr. Schließlich, hat der Mitbewerber seinen Laden nicht in einer weit entfernten Stadt, sondern dessen Onlineshop ist in den Suchmaschinen etc. direkt nebenan.
Ich persönlich sehe dies prinzipiell etwas entspannter und sehe durchaus Vorteile, sein Wissen zu teilen. Aber so ist es nun halt mal. Dies ist auch der Grund, warum wir auf shopanbieter.de noch nie der Versuchung erlegen sind, selbst ein Diskussionsforum zu betreiben.
Sind E-Commerce-Foren also zum Scheitern verurteilt?
Nein, auch das stimmt nicht. Die Frage ist nur, welche Interessen und Ziele der Betreiber mit einem Diskussionsforum verfolgt. Aus meiner Sicht muss sich der Moderationsaufwand und Betrieb eines Diskussionsforums in irgendeiner Form monetär auszahlen. Nehmen wir als Beispiel das Forum des Shopsystem-Herstellers OXID eSales.
Für einen Systemhersteller wie OXID eSales lohnt sich der Betrieb des Forums: Support wird ausgelagert, es entstehen viele Seiten mit relevanten Inhalt, was ja von den Suchmaschinen geliebt wird. Doch nicht deshalb ist das Forum ein gutes Marketinginstrument für deren Shopsystem: Viele Forenteilnehmer haben nicht einmal einen Shop von OXID, sondern sind nur von den vielen Beiträgen mit hilfreichen Informationen begeistert. Mundpropaganda – was willst Du mehr?
Davon abgesehen, dass ein Forum eine sehr günstige Möglichkeit des Kundenmanagements darstellt, ganz nebenher kann der Produktmanager in den Markt reinhören und sich Anregungen für benötigte Features holen.
Was ist bei diesem Forum anders als bei den vorgenannten Foren?
Hauptgrund für den Erfolg des OXID-Forums ist wohl, dass alle Teilnehmer – zumindest Anfangs – eine Gemeinsamkeit haben: Sie alle haben das gleiche Shopsystem. Zu diesem entstehen Fragen, Probleme etc… Und spätestens hier zeigt sich, daß Onlinehändler keine kommunikationsunfähigen Einzelgänger sind. Bei Fragen hinsichtlich Software und Systemen zeigen sich die teilnehmenden Händler durchaus aufgeschlossen und geben Hilfestellungen. Da alle mit denselben Tücken des Systems bzw. der Software zu kämpfen haben, bildet sich ein Gemeinschaftsgefühl. Und wer im gleichen Boot sitzt, unterhält sich dann sogar über sein geschäftliches KnowHow. Natürlich nicht im Detail, aber definitiv intensiv genug, um ein aktives Forentreiben zu gestalten.
An dieser Stelle kann man OXID eSales auch ein großes Lob aussprechen: Sie hatten es sehr gut verstanden, ihre Kunden in das Forum einzubinden und die aktiven Nutzer zu identifizieren und anzuregen, noch aktiver zu werden. Gleichzeitig hatte das Forum einen sehr familären Charakter. Doch etwas habe ich nie so recht verstanden:
Warum leistet sich OXID eSales keinen Community Manager?
Trotz des beschriebenen vielfältigen Nutzens des Forums stellte OXID nie einen Community Manager aus den eigenen Reihen ab. Klar, sie konnten sogenannte "User-Moderatoren" aus den Reihen der Kunden gewinnen. Doch deren "Befugnisse" in kniffligen Fällen einzugreifen ist naturgemäß begrenzt.
Selbstverständlich gab es immer schon Beiträge zu Bugs im OXID-Shop oder Hinweise auf fehlende Funktionen. Aber wo gibt es schon die "eierlegende Wollmilchsau" und gänzlich fehlerfreie Software? Und dafür ist das Forum ja auch gedacht.
Doch mittlerweile häufen sich die, oft genug auch ungerechtfertigten, negativen Stimmen zum System. Jedoch wird diesen Behauptungen meiner Beobachtung nach seitens OXID viel zu selten Paroli geboten, derlei Aussagen z.B. auch mal ad absurdum geführt und als reine Stimmungsmache entlarvt. Oder aber bei berechtigter Kritik den Kunden klar kommuniziert, dass diese angekommen und man um Lösung bemüht ist. Dabei ist vor allem viel Fingerspitzengefühl und Kommunikationsstärke gefragt. Von User-Moderatoren kann dies auf keinen Fall kommen. Hier ist ein Moderator aus dem Unternehmen gefragt.
So hat das OXID-Forum viel vom einstigen Charme verloren. Es wurden mittlerweile zwar Forenregeln eingeführt und einige Beiträge bereits gelöscht, was jedoch mit Fingerspitzengefühl und Kommunikationsstärke nichts zu tun hat – im Gegenteil.
Auch den großen Mehrwert von früher, dass Diskussionen nicht nur zum System sondern auch dem Onlinehandel selbst rege geführt werden, gibt es immer weniger. Kurzum, all die Eingangs erwähnten Vorteile für Support, Kundenmanagement, Vertrieb und Produktentwicklung werden stark abgeschwächt. Oder beginnen sich ins Gegenteil – Stichwort Marketing – zu verkehren.
Fazit:
Ein E-Commerce-Forum bedeutet einen nicht unerheblichen – dauerhaften – Aufwand. Und macht nur Sinn, wenn die genannten Vorteile für Marketing, Vertrieb, Support und Produktentwicklung tatsächlich genutzt werden können. Aus unserer Sicht eignet sich hier ein Lösungsanbieter, Portalbetreiber oder ähnliches, mit Reichweite, am ehesten.
Mirko meint
Zitat“Auch den großen Mehrwert von früher, dass Diskussionen nicht nur zum System sondern auch dem Onlinehandel selbst rege geführt werden, gibt es immer weniger.“
Genau das habe ich in ähnlichen Foren auch beobachtet dass es meistens nur noch um die Technik geht. Ich denke der Springende Punkt ist hier das die Anzahl der Onlinehändler und somit Mitbewerber stetig steigt und wie Ihr schon festgestellt habt will kein Händler dem Mitbewerber sein Erfolgsrezept verraten.
Es ist ja auch kein Wunder ich habe am Wochenende die Zeitschrift Websellig gelesen und wer Sie kennt weiß ja das es da eine Rubrik gibt in der Webseiten mit Geschäftsideen vorgestellt werden. Was soweit noch nicht schlimm ist aber dann wird den Lesern noch Tipps gegeben wie man ein ähnliches unternehmen aufbaut und was man dabei besser macht. Die Firmengründer wirken ja anscheinend noch mit damit diese Artikel verfasst werden können wo hier bei der nutzen für Sie liegt bleibt für mich fraglich da diese Zeitschrift nicht unbedingt von potentiellen Kunden gekauft wird. Das die Firmengründer wird da mitmachen wird daran Liegen das sie zum Teil noch relativ unerfahren sind erfahrene Unternehmen würden solchen Reportagen nicht unbedingt zustimmen. Nacharmer wird es immer geben aber man muss Sie ja nicht mit der Nase darauf Stürzen.
Genauso wird es auch in den Foren sein das geballte Wissen liegt meistens bei den erfahrenen Nutzern die aber jetzt begriffen haben das dieses Wissen was sie sich über Jahre angeeignet haben ein Teil des Vorsprungs ist den Sie noch vor Neugründern haben und warum sollten Sie diesen Vorsprung verschenken?
Ich denke das der zunemende Wettbewerbt ein Grund ist das manche Foren in diesem Bereich nicht von alleine laufen.
K.M.H. meint
Hallo!
Darf man korrigierend eingreifen?
Die beiden gewählten Beispiele sind nicht dazu geeignet, als eben solche her zu halten. Wenn doch, höchstens dafür, den Begriff „kritische Masse“ anders zu definieren.
Im Ecommerce-User-Forum ist im gesamten September ein einziges Posting – und das auch noch Eigenwerbung von akademie.de – veröffenlicht worden. Seit Jahren herrscht dortens ansonsten bemühtes Schweigen, von einigen wenigen ganz kurz „aufblitzenden“ Kurzdiskussionen einmal abgesehen. Wo da mit viel Liebe zum Detail, Aufwand und Enthusiasmus etwas betrieben wird, ist für mich nicht erkennbar. 2377 Karteileichen sind in der Tat eine „kritische Masse“.
Bei Formlet reden wir über, laut eigener Auskunft, 47 „aktive Benutzer“. Ich kann hier beim besten Willen nicht erkennen, wo bei dieser geringen Grundmenge inhaltlich substantielles her kommen sollte.
Hat das Gründe? Mit Sicherheit! Nur liegen diese im wesentlichen auf einem in diesem Beitrag leider nicht berücksichtigten Level. Und hier gibt es eine Überschneidung zum erst genannten Forum: Wenn die finanziellen Interessen des Betreibers über die reine Banner- und AdWords-Werbung hinaus (die aus eigener Detail-Kenntnis mehr als kostendeckend sind) Begehrlichkeiten nach der Abschöpfung der s.g. kompletten Wertschöpfungskette definiert sind – dann verlieren diese Foren ihren Charme, ihre Funktion und nach und nach auch ihre User.
Sie entpuppen sich, früher oder später, als „Kontakthof“ für Angebote jedweder Art – natürlich nur und ausschliesslich des Betreibers und seiner Reseller- und Eigenangebote, sowie der Moderatoren, denen man den ein oder anderen Brotkrumen vom Tische des Herrn abfallen lässt, um sie bei Laune zu halten.
Sie denaturieren, wie in beiden Beispielen mess- und nachweisbar, zu klebrigen Fallen für neue und abschöpfungsrelevante User, denen man, natürlich gegen Bares, aus dem Füllhorn der eigenen Tätigkeit Angebote per PN/PM formuliert, nachdem man sie in den entsprechenden Threads „reif geschossen“ hat, in dem man an dem vorgestellten Shop, der präsentierten Idee, dem vorgestellten Marketingskonzept kein gutes Haar lässt. Angst-Marketing nennt man das – and it works! Temporär natürlich nur, weil so ganz dumm sind die (Neu-)User denn mal auch nicht.
Früher oder später „riechen“ sie den klebrigen Leim aus Community-Schwülstigkeiten und erkennen, dass es hier um knallhartes Business geht. Nix da mit „Rat und Tat zur Seite stehen“. Nein! Buy me or leave me. Von Admin und Mods in die argumentative Doppelzange genommene User/Shopbetreiber erteilen zwar den ein oder anderen Auftrag – was denn mal eigentlicher Sinn des „User“-Forums ist. Das wars dann aber schon.
Im Grunde sind diese Foren, wie bereits gesagt, Kontakthöfe oder, vornehmer ausgedrückt, eine Marketing- und Verkaufsmassnahme des Betreibers zur Akquise von Neukunden seines Business.
Die auf der Strecke bleibende und absolut notwendige strikte Objektivität (wie denn auch: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing … schliesslich ist man von den Bannerkunden erpressbar und lebt von jedem Klick) wird zunehmend spürbarer und hält wirklich interessierte Shopbetreiber davon ab, sich in solch einer Community zu engagieren.
Als Profilierungsportal für Quereinsteiger mit angelesener Halbbildung des Shop-Business und „Newbie-Falle“ zum einfangen von Neukunden des eigenen Angebots (unter dem Deckmäntelchen der seriösen, neutralen und rein am Nutzen des Users ausgerichteten „Beratung“) muss man sie halt nehmen wie sie sind: Früher oder später werden sie zu einer leeren „Westernstadt“, durch die man fast körperlich spürbar die Tumbleweeds rauschen sieht, mit mehr oder weniger ausgiebigen Monologen des Betreibers.
Ob das einen Wert in sich darstellt, sei einmal dahin gestellt.
Gruss
K.M.H.
K.M.H. meint
Update
Man kann per Ende des Jahres 2007 folgendes feststellen: Es gibt in Deutschland kein einziges herstellerneutrales, objektives und seriöses Forum für Shopbetreiber.
Die beiden genannten Foren sind als „tot“ zu bezeichnen und werden im Grunde nicht weiter geführt. Das Ecommerce-User-Forum ist absolut am Ende – eine weitere nutzlose www-Leiche die nur noch zur Aufrechterhaltung der Pagerankvererbung senkrecht erhalten wird.
Formlet.de ist mit akut 37 aktiven Benutzern (Stand: 20.12.2007) ebenfalls am Ende und dient nur noch als Eigenwerbung für andere Dienste des Betreibers – eine Community ist nicht (mehr) vorhanden. Moderatoren glänzen durch Sprachlosigkeit – der Betreiber führt Selbstgespräche und ab und an vorbeikommende potenzielle Nutzer werden als lästig klassifiziert, wenn sie nicht (was die eigentliche Sinnhaftigkeit dieses Forums ist) Aufträge mit Vorkasse für recht zweifelhaft-sinnvolle Leistungen ordern.
Eine Marktlücke! Ein herstellerneutrales Shopbetreiber_Forum mit objektiven Forenbetreibern und qualifizierten Moderatoren. Ob wir es noch erleben werden? Schau’n mer mal!
Gruss
Klaus