Gastartikel: Das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) regelt die Anforderungen an die Sicherheit von Produkten und sieht Pflichten beim Inverkehrbringen von Verbraucherprodukten vor. Hersteller haben beispielsweise dafür zu sorgen, dass jedes Produkt ihren Namen und ihre Kontaktanschrift trägt.
Auch Händler stehen in der Pflicht: Sie dürfen beispielsweise nicht mit Waren handeln, die ihrem Wissen und ihrer Erfahrung nach nicht den Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes entsprechen. Dies ist in § 6 Abs. 5 ProdSG geregelt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich jetzt zu der Frage zu äußern, inwieweit auch der Händler haftet, wenn er ein Produkt ohne Name und Anschrift des Herstellers in den Verkehr bringt, obwohl die Kennzeichnung eine Pflicht des Herstellers ist.
Was war geschehen?
Ein Online-Händler verkauft in seinem Shop u.a. Motivkontaktlinsen ohne Sehstärke. Ein Mitbewerber erwarb bei einem Testkauf Kontaktlinsen mit der Bezeichnung „Purple Leopard“. Die Linsen wiesen weder selbst noch in dem Glasfläschchen, in dem sie enthalten waren, Angaben zum Hersteller auf.
Der Mitbewerber ist der Ansicht, dass der Beklagte wettbewerbswidrig handelte, indem er das Produkt ohne Angabe des Herstellers in den Verkehr gebracht hat und machte zunächst einen Unterlassungsanspruch geltend. Dieser blieb ohne Erfolg. In der Revisionsinstanz ist der BGH dagegen der Ansicht des Mitbewerbers gefolgt.
Die Entscheidung
Mit Urteil vom 12.01.2017 (Az: I ZR 258/15) entschied der BGH, dass zwar grundsätzlich die Pflicht zur Angabe des Namens und der Kontaktanschrift den Hersteller und nicht den Händler trifft. Fehlen jedoch auf dem Produkt Name und Anschrift des Herstellers, darf der Händler die Ware nicht vertreiben. Daher muss der Händler vorher auch seine Waren auf diese Angaben hin prüfen. Versäumt er dies und vertreibt die Produkte dennoch, handelt er wettbewerbswidrig und haftet auf Unterlassung.
Der BGH begründete eine Pflicht des Händlers durch die Hintertüre:
Nach § 6 Abs. 5 ProdSG hat der Händler dazu beizutragen, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden. Er hat also eine gewisse Mitwirkungspflicht.
Bei den Angaben des Namens und der Anschrift des Händlers handele es sich um Angaben, die für die Sicherheit von Verbraucherprodukten von Bedeutung sind. Händler haben dafür Sorge zu tragen, dass sie keine Produkte in den Verkehr bringen, von denen sie wissen oder bei denen sie anhand der ihnen vorliegenden Informationen als Gewerbetreibende davon ausgehen hätten müssen, dass sie diesen Anforderungen nicht genügen.
Verschärfung der Mitwirkungspflicht
Bislang war umstritten, wie weitreichend die Mitwirkungspflicht des Händlers ist. Viele Gerichte entschieden, dass ein Händler nur in der Pflicht ist, den Rückruf eines Verbraucherprodukts zu veranlassen, wenn von ihm eine tatsächliche Gefahr ausgeht. Wenn beispielsweise ein defekter Akku eines Notebooks eine Verpuffung oder gar einen Brand auslöst, muss der Händler im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht die entsprechenden Notebooks des Herstellers in seinem Lager auf die Gefahr hin prüfen und die Ware gegebenenfalls aus dem Verkehr ziehen.
Der BGH hat diese Mitwirkungspflicht und den damit verbundenen Haftungsmaßstab jetzt deutlich höher angesetzt, indem er entschieden hat, dass Händler die Verbraucherprodukte auch auf Formalitäten wie eine fehlende Anschrift und Namen des Herstellers zu prüfen hat.
Die Nichtkennzeichnung ist dem Online-Händler nach also vorzuwerfen.
Verkauft der Händler dennoch Produkte ohne Namen und die Kontaktanschrift, verstößt er nach Ansicht des BGH gegen das Produktsicherheitsgesetz und haftet auf Unterlassung.
Fazit
Online-Händler sollten regelmäßig die von ihnen angebotenen Produkte kontrollieren, ob diese ordnungsgemäß gekennzeichnet sind. Tun sie dies nicht, haften sie selbst für die fehlerhafte Kennzeichnung und können abgemahnt werden.