Gastartikel: Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung festgelegt, dass Anrufe bei Kundenhotlines nicht mehr kosten dürfen als Anrufe bei einer Festnetz- oder Mobilfunknummer. Zumindest wenn es bei dem Anruf des Kunden um Fragen geht, die seinen Vertrag mit dem Unternehmen betreffen.
Der Entscheidung des EuGH (Urteil vom 02.03.2017) liegt ein Rechtsstreit zu Grunde, in dem ein Online-Händler, der Elektro- und Elektronikartikel vertreibt, auf seiner Webseite eine kostenpflichtige 0180-Nummer eingerichtet hatte, die für den Kundenservice verwendet wurde. Ein Anruf bei dieser Nummer kostete 14 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz und maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sah darin eine unlautere Geschäftspraxis.
Die Wettbewerbszentrale war der Auffassung, dass mit der Geschäftspraxis gegen § 312 a Abs.5 S.1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verstoßen wurde.
Danach darf für einen Anruf bei einer Kundenservice-Hotline keine höhere Gebühr anfallen als das „Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes“.
Die Grundlage für diese Regelung findet sich in Artikel 21 der Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU). Da mit der Verbraucherrechte-Richtlinie europäisches Recht betroffen ist, hat das LG Stuttgart, vor dem der Rechtsstreit anhängig war, die Frage, was unter dem Begriff „Grundtarif“ zu verstehen ist, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Vorgelegte Frage: Was ist ein Grundtarif?
Die Luxemburger Richter stellten fest, dass der Begriff „Grundtarif“ in der Verbraucherrechte-Richtlinie selbst nicht definiert ist.
Die Richtlinie ordnet nur an, dass ein Verbraucher nicht mehr als den Grundtarif zahlen muss, wenn er mit einem Unternehmer im Zusammenhang mit einem bereits geschlossenen Vertrag telefonisch Kontakt aufnimmt. Der Schutzzweck der Verbraucherrechterichtlinie besteht jedoch darin, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten.
Hohe Kosten sollen Verbraucher nicht abschrecken
Diesem Schutzzweck widerspreche es, wenn ein Unternehmen eine kostenpflichtige Nummer für eine Service-Hotline einrichtet, entscheid der EuGH. Verbraucher könnten davon abgehalten werden, sich über ihren Vertrag (z.B. hinsichtlich ihrer Gewährleistungsrechte oder ihres Widerrufsrechts) zu informieren.
Richtet ein Unternehmen eine Service-Hotline für Kunden, die Fragen zu ihrem Vertrag haben (z.B. hinsichtlich ihrer Gewährleistungsrechte oder ihres Widerrufsrechts) ein, bestehe die Gefahr, dass der Verbraucher aus Gründen der Sparsamkeit den Kontakt zum Unternehmer meide, da ihm hierdurch zusätzliche Kosten entstehen. Kostenpflichtige Service-Hotlines hätten einen gewissen Abschreckungseffekt.
Aus der Systematik der Verbraucherrechte-Richtlinie folge aber, dass unwiderleglich vermutet wird, dass Service-Hotlines bereits im Kaufpreis des Produkts enthalten seien. Kostenpflichtige Service-Hotlines für Kunden zu ihren Vertragsfragen liefen nach Auffassung des EuGH daher dem Schutzweck der Richtlinie entgegen, da eine weitere Abrechnung durch hohe Telefongebühren eine doppelte Abrechnung einer Leistung darstelle. Daher seien diese kostenpflichtigen Service-Hotlines europarechtswidrig.
Keine kostenpflichtigen Nummern bei Fragen zum Vertrag
Nach dem EuGH sind jedoch nicht alle Service-Hotlines mit Tarifen, die über dem üblichen Entgelt für Anrufe ins Fest- oder Mobilfunknetz liegen, europarechtswidrig. Ein höheres als das übliche Entgelt darf beispielsweise weiterhin für Bestell-Hotlines oder eine Hotline, über die anwaltliche Beratung erbracht wird, verlangt werden.
Fazit
Online-Händler, die kostenpflichtige 0180-Nummern für ihre Service-Hotlines verwenden, müssen künftig eine Nummer ohne Zusatzkosten anbieten, um keine kostenpflichtige Abmahnung zu riskieren. Dies betrifft Hotlines für alle Kundenanfragen rund um ihren Vertrag. Reine Bestellhotlines dürfen auch weiterhin mit Zusatzkosten angeboten werden.
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