Gastartikel:Amazons Geschäftsphilosophie „eine ASIN, eine Produktseite“ hat bereits viele Marketplace-Händler in die Abmahnfalle geschickt. Unabhängig davon, ob sie für die Rechtsverletzung verantwortlich waren oder sie überhaupt vermeiden konnten. Entwarnung gibt es jetzt zumindest bzgl. urheberrechtlicher Verstöße.
Wie vor einiger Zeit berichtet, haftet Amazon für Urheberrechtsverstöße von Marketplace-Händlern (Urteil des LG Berlin vom 26.01.2016, AZ: 16 O 103/14).
Der Vertragshändler eines Parfumherstellers hatte seine Produkte über den Marktplatz angeboten und zu diesem Zweck Artikelbilder hochgeladen. Dazu war er jedoch nicht berechtigt. Die Fotos wurden – auf Grund der Darstellungspolitik von Amazon „eine ASIN eine Produktseite“ – zugleich bei Händlern verwendet, die dieselben Produkte über die Plattform verkauften. Auch Angebote des Marktplatzbetreibers wurden mit den Artikelbildern bestückt. Amazon nutzte sie zudem für Werbebanner auf Fremdseiten.
Amazon haftet für Urheberrechtsverstöße seiner Marketplace-Händler
Der Online-Riese wurde zur Unterlassung verurteilt. Es stellt sich jedoch die weitergehende Frage, ob auch die Marketplace-Händler, in deren Angeboten die Bilder eingefügt waren, urheberrechtliche Abmahnungen fürchten müssen. Schließlich gibt es zahlreiche Urteile gegen Unternehmer, die sich an rechtswidrige Angebote „angehängt“ haben. Dahingehend können Betroffene nun zunächst aufatmen. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat mit Urteil vom 10.03.2016 (AZ: 29 U 4077/15) eine Haftung verneint.
Hersteller gegen Marketplace-Händler
Es ging erneut um die Verwendung von Produktbildern auf Amazons Marktplatz. Der Hersteller von Sport- und Freizeitrucksäcken ging im konkreten Fall nicht gegen den Plattformbetreiber, sondern gegen einen Marketplace-Händler vor. Dieser bot Artikel des Produzenten an, für die bereits eine Produktdetailseite existierte. Dort waren Artikelbilder eingefügt, an denen der Hersteller die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte hielt. Er mahnte den Verkäufer wegen unberechtigter Vervielfältigung und öffentlicher Zugänglichmachung der Fotos ab.
Kein Urheberrechtsverstoß durchs „Anhängen“
Der Abgemahnte entfernte zwar seine Angebote vom Marktplatz, weigerte sich jedoch, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, da die Bilder nicht von ihm eingestellt wurden, sondern auf den Servern von Amazon bereits vorhanden waren. Der Fall ging vor Gericht. Die Richter des OLG München bestätigten nun die Ansicht des beklagten Amazon-Händlers, dass dieser durch sein Angebot die in Rede stehenden Produktbilder weder öffentlich zugänglich gemacht noch vervielfältigt hat.
Keine Verletzungshandlung seitens des Marketplace-Händlers
Der Beklagte hatte die Bilder weder auf der Plattform eingestellt, noch hatte er Einfluss darauf, dass sie trotz Entfernung seiner Angebote zugänglich blieben. Er hat sie folglich nicht öffentlich zugänglich gemacht. Dass er sie sich „zu eigen gemacht“ haben könnte, weil sie innerhalb seiner Angebote erschienen sind, spielt für die Frage, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, keine Rolle, wie bereits die Vorinstanz betonte.
Ob die Fotos vervielfältigt wurden, weil sich der beklagte Händler an eine bereits bestehende Produktseite „angehängt“ hat, blieb im Verfahren ungeklärt. Jedoch bezweifeln die Richter des OLG einen Urheberrechtsverstoß seitens des Marketplace-Händlers auch dann, wenn es tatsächlich zu einer Vervielfältigung gekommen sein sollte. Denn diese wäre ggf. vom Plattformbetreiber vorgenommen worden.
Fazit
Marketplace-Händler können aufatmen. Zwar haftet Amazon für Urheberrechtsverstöße seiner Marktplatz-Nutzer. Das gilt aber nicht für Händler, die sich an entsprechende Angebote anhängen. Diese haben die urheberrechtsverletzenden Bilder weder eingestellt noch vervielfältigt und können daher nicht belangt werden.
Anders ist das beim Anhängen an wettbewerbswidrige Angebote. Dahingehend kann KEINE Entwarnung gegeben werden.
Kai Sturm meint
Und wie muss ein Shop vorgehen, wenn er bemerkt, dass ein Marktplace-Händler seine Bilder bei Amazon verwendet?
Meine Frage resultiert aus einem aktuellen Anlass heraus. Da dieser zu langwierig zum beschreiben ist, haben wir dazu einen Beitrag erstellt: https://www.tipronet.net/news/unwissenheit-amazon-haendler/
Aber allgemein bleibt die Frage, an wen muss sich der Rechte-Inahber in dem Fall wenden? Marktplace-Händler? (schwer greifbar), Amazon (nicht unbedingt einfach greifbar), „Hersteller“?
Freue mich über etwaige Antworten.
Kai Sturm
Philip Heilberger, LL.M. meint
Rechtlich gesehen haftet nach dem vorliegenden Urteil von LG Berlin wie von meiner Kollegin dargestellt Amazon unmittelbar für Urheberrechtsverstöße.
Amazon kann also bei Urheberrechtsverstößen wie geschehen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Zwar ist es wahrscheinlich, dass der von OLG München entschiedene Fall, dass ein Amazonhändler, der sich lediglich an ein bestehendes Angebot anhängt, für eine Urheberrechtsverletzung nicht verantwortlich ist, anders entschieden worden wäre, wenn der Amazonhändler selbst die Produktfotos hochgeladen hätte. Es spricht vieles dafür, dass in diesem Fall auch der Händler auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnte.
Jedoch wäre der Urheber für den Umstand dass der Onlinehändler selbst die Produktfotos hochgeladen hat, nachweispflichtig. Selbst wenn ein Produkt zu einem Zeitpunkt nur von einem Marketplace-Händler angeboten wird, ist nicht ausgeschlossen, dass die urheberrechtsverletzenden Produktfotos ursprünglich von einem Onlinehändler hochgeladen wurden, der dieses nun nicht mehr vertreibt.
Kai Sturm meint
Vielen Dank für Ihre Auskunft! Da sich Amazon bis dato nur schriftlich bei uns gemeldet hat und dies nicht sonderlich bereichernd war, werde ich morgen versuchen dort anzurufen. Mal schauen, wie sich das entwickelt!