Der Anfang April auf Shopanbieter.de veröffentlichte Gastartikel „Markteinführung in etablierten Märkten – Fehlermuster im E-Commerce wiederholen sich“ von Alexander Hofmann sorgte in der Branche für reichlich Diskussionsstoff. Gar nicht einverstanden mit den Thesen war beispielsweise Erik Meierhoff, Head Of Business Development EU bei Rakuten. Warum, erläutern wir in diesem Artikel.
Alexander Hofmann, Geschäftsführer der HOWADO GmbH, die den Shopsysteme-Vergleich ecomparo betreibt, hatte in dem Gastartikel den Markteinstieg der neuen Payment-Lösung MasterPass zum Anlass genommen, zu erläutern, dass bei Markteinführungen in etablierten Märkten immer wieder dieselben Fehler gemacht würden: nämlich durch hohe Rabatte schnell Marktanteile gewinnen zu wollen, die jedoch nicht nachhaltig seien.
Zum Hintergrund: MasterPass ist eine Ein-Klick-Bezahllösung von Mastercard. Konsumenten können sich bei MasterPass kostenlos anmelden und ihre Anschrift sowie ihre Kreditkartendaten (auch Visa, American Express etc.) hinterlegen. Anschließend können sie im Check-out von Online-Shops, die MasterPass anbieten, mit einem Klick auf den MasterPass-Button den kompletten Check-out überspringen und ihren Kauf abschließen. Die Eingabe ihrer Anschrift und weiterer Zahlungsinformationen ist nicht erforderlich.
Alexander Hofmann sah in seinem Gastartikel hierbei keinen sonderlichen Vorteil für die Kunden und schrieb: „Bei der Betrachtung vorhandener Leistungsversprechen in der Praxis, z.B. von MasterPass, stellt man fest, dass ähnlich wie Yapital und Mpass kein in der Praxis spürbarer Mehrwert gegenüber den etablierten Wettbewerbern, wie z.B. Paypal geschaffen wird.“ Das sei ein entscheidender Grund, warum die Marketing-Maßnahmen bei der Einführung von MasterPass nicht nachhaltig sein könnten.
Keine Markteinführung, sondern „Kreditkarte 2.0“
Dem widerspricht Erik Meierhoff entschieden: „MasterPass mit mpass oder Yapital zu vergleichen ist, gelinde gesagt, abenteuerlich. Sowohl aus Merchant-, wie auch aus Kundensicht. Der Onboardingprozess für Endkunden ist bspw. um ein vielfaches einfacher bei MasterPass als bei den anderen beiden genannten Lösungen, weil MasterPass „lediglich“ den Zugang zu meiner bestehenden Kreditkarte per Nutzername/Passwort bietet. Also auf gut deutsch – die Anmeldung erfolgt in Echtzeit, die Verifizierung (KYC/AML) des Kunden hat schon lange zuvor stattgefunden. Das ist nicht disruptiv, das ist keine „Markteinführung“ im klassischen Sinne sondern eher die „Kreditkarte 2.0“.“
Hofmann führt im Artikel weiter aus, dass die Marketing-Aktivitäten bei der Einführung von MasterPass auf die schnelle Übernahme von Marktanteilen zielten. Ein wichtiger Faktor hierbei sei die Zusammenarbeit mit Online-Shops und Online-Marktplätzen wie Rakuten, wo den Kunden die neue Zahlungsart in Form von Rabatten schmackhaft gemacht werden würde. Dies sei jedoch nicht nachhaltig, weil „in erster Linie schnäppchenbewusste Käufer angelockt“ werden würden.
Falle diese marketingfinanzierte Ersparnis weg, sähen diese Kunden keinen Grund mehr, auch weiterhin die neue Zahlungsart auszuwählen. „Ohne gewichtige USPs oder mit zeitaufwändigeren Zahlungsabläufen im Vergleich zum Wettbewerb im Checkout bricht die Verwendung neuer Payment-Anbieter jedoch unmittelbar nach Einstellung der Anfangsrabatte ein, was bei Mpass und Yapital beobachtet werden konnte“, schreibt Hofmann.
Zum Hintergrund: Zum Start von MasterPass gab es unter anderem bei Rakuten und Technikdirekt.de Sonderaktionen. Bei Rakuten etwa gab es Ende letzten Jahres für Kunden 30 € Rabatt bei einem Mindestbestellwert von 50 €, wenn sie mit MasterPass zahlten.
In diesem Punkt stimmt Meierhoff dem Geschäftsführer von HOWADO zu – zumindest teilweise: „Richtig ist, dass man in gesättigten Märkten wie bspw. Deutschland auch im Payment keine begeisterten, loyalen A-Kunden mit einer einmaligen Gutscheinaktion gewinnen kann. Dazu müssen neben dem USP (Bezahlung der Einkäufe ist in Deutschland augenscheinlich kein USP) v.a. der After Sales Service, die technischen Prozesse, und v.a. der Kundenservice top sein – kurz, es muss Spaß machen.“ Genau hiermit könne MasterPass seine Kunden aber überzeugen, meint Meierhoff: „Wenn ich mich einmal mit Nutzername/Passwort angemeldet und mit meiner Kreditkarte gezahlt habe, warum soll ich dann wieder zu Kreditkartennummer und Prüfziffer zurückkehren?“
Hofmann kritisiert im Artikel, dass MasterPass den Kunden im Check-out keinen Mehrwert und Nutzengewinn biete. Vor allem deshalb, weil Anbieter mit attraktiven Zahlungslösungen wie Paypal oder auch Sofortüberweisung bereits etabliert seien. Diesen Vergleich sieht Meierhoff kritisch: „Hier werden jetzt im Artikel Äpfel mit Birnen verglichen. Ein MasterPass bspw. kann nicht Sofortüberweisung ersetzen, da die Sofortüberweisung eine Überweisung von einem Bankkonto und MasterPass eine Kreditkartentransaktion initiiert. Kunden, die bislang noch keine Kreditkarte haben, werden sicherlich nicht wegen MasterPass sich eine anschaffen. Kunden, die bisher sowohl eine Banküberweisung gemacht haben, als auch mit Kreditkarte online gezahlt haben, werden dies wohl auch weiterhin tun.
Bei MasterPass haben die Kunden Ansicht von Meierhoff sehr wohl einen konkreten Vorteil, weil sie nach der einmaligen Anmeldung anschließend den Check-out bei teilnehmenden Online-Shops mit nur einem Klick abschließen können. Desweiteren sieht er auch keinen Nachteil darin, dass die Preisaktionen zum Marktstart insbesondere Schnäppchenjäger angezogen hätten: „Schnäppchenjäger haben oft die Eigenheit, besonders aktive Onlineshopper zu sein. Wenn ich es also schaffe, diesen Käufer zu begeistern durch ein tolles Produkt, warum soll das schlecht sein?“
Einführungsaktionen als zusätzliche Geldquelle für Online-Shops?
Im Gastartikel vermutet Hofmann, dass die Shop- und Marktplatzbetreiber die Einführung von Payment-Anbietern wie MasterPass vor allem aus Eigennutz aktiv begleiten: „Die Markteinführung von neuen Payment-Anbietern wird Onlineshop-seitig v.a. deshalb begrüßt, weil die Marketingbudgets der Zahlungsanbieter schlicht zu einer – für die Onlineshops – kostenfreien Traffic und v.a. Umsatzsteigerung und Steigerung der Conversion Rate führen.“
Hier jedoch widerspricht Meierhoff vehement: „Was auf den ersten Blick durchaus logisch klingt, will auf den zweiten Blick gut überlegt sein. Bei einem schlechten neuen Payment Service riskiert man bei den Bestandskunden seinen Ruf. Ähnlich riskant bei der Neukundenakquise – die Kosten für Google und Co. sind mittlerweile extrem hoch, wie jeder weiß – bei Nichtakzeptanz durch den Kunden wird das schnell ein negatives Geschäft für den Onlineshop!“
Der Rakuten-Verantwortliche nennt zudem ein konkretes Beispiel, warum solche Aktionen für Online-Shops nicht nur Vorteile haben müssen: „Der Onlineshop von Technikdirekt war bspw. aufgrund des sehr attraktiven MasterPass Neukundenangebots mehrfach für insgesamt mehrere Stunden technisch nicht erreichbar – und das mitten im November!“
Zum Hintergrund: Bei Technikdirekt gab es zur Markteinführung von MasterPass einen Rabatt von 50 € bei einem Einkauf von mindestens 100 €, wenn man mit MasterPass bezahlte. Diese Aktion war jedoch auf 200 Bestellungen pro Tag beschränkt. Den jeweiligen Aktionsstart gab Technikdirekt jeden Tag auf seiner Facebook-Seite bekannt. Anschließend kam es regelmäßig zu hohen Besucheranstürmen.
Erik Meierhoff widerspricht auch den Thesen Hofmanns zum Customer-Lifetime-Value (CLV), wonach sich die Marketing-Aktivitäten für den neuen Payment-Provider nicht rechnen würden: „CLV- Kalkulationen sind selten nur auf die erste Transaktion (=durch Gutschein/Rabatt initiiert) limitiert. Das heißt, wenn ein CLV richtig berechnet wird, inkludiert er die Follow-Up Kosten und Erlöse gleichermaßen – deswegen ja auch „Life Time“. Wenn man sich hier in die Tasche lügt, also beispielsweise den Wettbewerb im Markt unterschätzt, ist das zwar schädlich, jedoch unabhängig von „Gutschein ja/nein“.“
Das Fazit des Rakuten-Verantwortlichen zum Sinn oder Unsinn von teuren Neukundenaktionen fällt jedenfalls eindeutig aus: „Ob Marketingbudgets in Gutscheinaktionen gehen sollten oder nicht, muss sicherlich der Einzelfall zeigen. Von „Fehlermustern“ hier zu sprechen in dem extrem komplexen Umfeld des regulierten Onlinepayments, halte ich jedoch für grundfalsch.“
Bildquelle: CC0 Public Domain, jamoluk @ pixabay
Alexander Hofmann meint
Zunächst freue ich mich darüber, dass Herr Meierhoff seine Sicht auf die Thesen des ursprünglichen Gastbeitrag mitteilt. Nur durch einen Austausch und Diskussion können Missverständnisse aufgeklärt und Aussagen nochmals konstruktiv konkretisiert werden, was denke ich im folgenden Kommentar deutlich wird.
Im ursprünglichen Gastbeitrag wurden MPass, Yapital und Masterpass u.a. deshalb in Kombination genannt, weil die im aktuellen Beitrag von Erik Meierhoff geschilderte Funktion eines „Logins mit Masterpass“ ohne vorherigen Login im Shop, Stand heute, so bei Rakuten noch nicht möglich ist. [„Anschließend können sie im Check-out von Online-Shops, die MasterPass anbieten, mit einem Klick auf den MasterPass-Button den kompletten Check-out überspringen und ihren Kauf abschließen. Die Eingabe ihrer Anschrift und weiterer Zahlungsinformationen ist nicht erforderlich.“]
Die Erstellung eines Kundenkontos, bzw. die Eingabe von Adressdaten bei Gastbestellungen ist vor der Wahl von Masterpass zur Zahlungsabwicklung noch immer zwingend notwendig. Wenn die von Herrn Meierhoff beschriebene tiefere Integration von Masterpass in den Checkout-Prozess bei Rakuten zukünftig möglich ist, wie aktuell bereits bei technikdirekt.de der Fall, dann liegt hierin in der Tat ein elementarer Unterschied zu Yapital und Mpass. Die beschriebene Login-Funktionalität bietet dann aus Kundensicht tatsächlich einen ähnlichen Checkout-Komfort, wie bspw. bei Paypal-Express bekannt.
Die Unterschiede in den Einschätzungen von Erik Meierhoff, der die zukünftige Integrationsfunktionalität (Login-Funktion) von Masterpass bei Rakuten beschreibt und mir (Betrachtung des aktuellen Checkout-Prozesses) sind aus diesem Grunde natürlich sehr groß. Daher möchte ich an dieser Stelle nicht auf die sich hieraus ergebenden Aussagen eingehen, da sowohl Herrn Meierhoffs, als auch meine Aussagen somit anders zu bewerten sind.
Der verfasste Artikel hatte trotz Kritik einen sehr konstruktiven Kern (Gutschein + „Mydealz“), der evtl. nicht 100% deutlich wurde, und dem sich jedes E-Commerce Unternehmen bewusst sein sollte: Die stetig wachsende Kundengruppe der „Mydealz“-Nutzer ist insbesondere bei Gutscheinmaßnahmen, die auf Kaufpreisreduzierungen ausgelegt sind in bestimmten Preisbereichen und Sortimenten allgegenwärtig. Sie stellt dabei nicht nur eine Gefahr für Produktneueinführungen, sondern per se für alle Gutscheinaktionen mit großzügigen oder fehlerhaften Einlösebedingungen dar. Für Marketingverantwortliche ist das Verständnis dieser Nutzergruppe daher ein Muss, da z.B. auch kundenindividuelle Gutscheincodes nur bedingt kontrollierbar sind.
Des Weiteren ergeben sich aus der Mydealz-Käufervernetzung noch weitere Herausforderungen für Händler, die bereits in einem anderen Beitrag thematisiert wurden: http://etailment.de/thema/technologie/Preisfehler-und-System-Abstuerze-Laesst-sich-der-Super-GAU-eindaemmen–2922
Einschätzungen zur Nachhaltigkeit
Meine Einschätzung im ursprünglichen Beitrag bezog sich konkret auf die beschriebenen Gutscheinaktionen vor dem Hintergrund der Mydealz-Problematik. Jeder Onlinehändler und Dienstleister muss selbst prüfen, ob er beispielsweise Gutscheinaktionen, die von „Mydealz“ betroffen sein könnten überhaupt mittels KPIs wie CLV oder CAC (Customer Acquisition Costs) valide bewerten kann, da in vielen Fällen der Großteil der Einlösekontigente innerhalb eines kurzen Zeitraums von Mydealz-Kunden genutzt wird. Eine Suchmaschinen-Anfrage von „Masterpass mydealz“ führt zu einer Vielzahl an Einführungsangeboten, die zu großen Teilen von Mydealz-Schnäppchenjägern „aufgebraucht“ und dadurch oft bereits nach kurzer Laufzeit beendet wurden.
Ich stimme Herrn Meierhoff aber definitiv zu, dass die obigen CLV-Verwerfungen durch Mydealz-Nutzer in ähnlicher Weise auch für Cashback-, und nicht auf Gutscheinaktionen beschränkt, gelten.
Ausfall bei Masterpass-Aktion durch Mydealz
Im Beitrag wurde auch die Nichterreichbarkeit von Technikdirekt aufgrund eines „sehr attraktiven MasterPass-Angebots“ thematisiert. Für diesen Komplettausfahl der Systeme verantwortlich war exakt die beschriebene und oben verlinkte Thematik der Mydealz-Vernetzung in Kombination mit Gutscheinen, mit all ihren Herausforderungen auf die Hosting-Infrastruktur des Onlineshops. http://www.mydealz.de/gutscheine/wieder-da-technikdirekt-bezahlung-mit-masterpass-50-geschenkt-100-mbw-pro-tag-200-647282
Wäre den Verantwortlichen bei TechnikDirekt die Mydealz-Relevanz von Zahlungsanbieterabhängigen Gutscheinaktionen, wie sie sich auch schon bei Mpass und Yapital gezeigt hat, bekannt gewesen, so hätte man im Vorfeld Parameter wie z.B. die prozentuale Ersparnis oder den Mindestbestellwert der Aktion verändern müssen.
Im Umkehrschluss ist ein Ausfall von Systemen aufgrund eines starken Mydealz-„Angriffs“ immer ein starkes Indiz dafür, dass Aktionsparameter falsch eingeschätzt und definiert wurden. Der Parameter des Einlösekontigents von 200 Bestellungen pro Tag ermöglicht zwar die Steuerung des Aktionsbudgets, ist aber zur Vermeidung eines „Angriffs“ denkbar ungeeignet. Bzgl. Preisfehlern bei automatischer Weiterleitung an Fulfillment Dienstleister kann ein Totalausfall eines Onlineshops sogar schlimmeres für das Unternehmen verhindern und positiv bewertet werden (siehe verlinkten Beitrag).
Man könnte zum Schluss noch konstruktiv anmerken, dass Masterpass die für Kunden wichtige, weil bequeme „Login-mit-Masterpass-Funktion“ in geeigneter Form noch besser kommunizieren könnte. So ist z.B. bei der Darstellung des „Zahlen mit Masterpass“ Logos im Checkout-Prozess bei TechnikDirekt nicht ohne weiteres ersichtlich, dass es sich a) um einen Button handelt und b) sich dadurch ein Komfortzugewinn im Gegensatz zum normalen Checkout ergibt. So kann das Logo auch als Information verstanden werden, dass nun auch Masterpass im Checkout-Prozess als Zahlungsmöglichkeit wählbar ist.