Gastartikel: Mittlerweile dürfte es sich rumgesprochen haben, dass Verkäufer, die Waren über die Auktionsplattform ebay versteigern, ihr einmal eingestelltes Angebot nicht einfach zurücknehmen können. Dennoch kommt das immer wieder vor. Aktuell hat der Bundesgerichtshof (BGH) dazu Stellung genommen, wann das Streichen eines Gebotes zulässig ist, ohne dass der Verkäufer Schadenersatz zahlen muss.
Was war passiert?
Im konkreten Fall ging es um den Verkäufer eines Heizkörpers, der sämtliche Gebote 3 Tage nach Einstellen seines Angebotes gestrichen hatte. Der Kläger, der zu diesem Zeitpunk Höchstbietender war, verlangte daraufhin Schadenersatz in Höhe von 3.888,- EUR, also in Höhe der Differenz zwischen dem von ihm behaupteten Wiederverkaufswert des Heizkörpers (4.000,- EUR) und seinem Gebot (112,-EUR). Der beklagte Verkäufer verweigerte die Zahlung unter Hinweis darauf, dass der Heizkörper nach Beginn der Auktion zerstört worden wäre.
Da der Kläger das so nicht glauben und vor allem nicht hinnehmen wollte, zog er vor Gericht.
Die Entscheidung der Vorinstanzen
Beide Vorinstanzen (AG Perleberg, Urt. v. 21.11.2013, AZ: 11 C 413/14; LG Neuruppin, Urt. v. 24.09.2014; AZ: 4 S 59/14) haben die Klage abgewiesen. Begründet wurde das mit dem späteren Vortrag des Beklagten, der Kläger und sein Bruder hätten innerhalb der letzten 6 Monate insgesamt 370 auf ebay abgegebene Kaufgebote zurückgenommen und seien deshalb als „unseriös“ anzusehen. Das Streichen des Gebots solcher Bieter sei zulässig. Nach Ansicht der vorinstanzlichen Richter hatte das zur Folge, dass ein Vertrag nicht zustande gekommen sei, der Kläger also keinen Anspruch auf Schadenersatz habe.
Der BGH ist andere Ansicht
Dem widersprach nun der BGH mit Urteil vom 23.09.2015 (AZ: VIII ZR 284/14). Das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit könne zwar ein Indiz dafür sein, dass nicht alle früheren Gebotsrücknahmen berechtigt waren. Daraus könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger würde sich auch im konkreten Fall seiner vertraglichen Pflicht, nämlich der Kaufpreiszahlung, entziehen. Zudem habe der Beklagte dies als Begründung für die Angebotslöschung erst im Nachhinein vorgetragen. Dass dies der tatsächliche Grund für den Abbruch war, zweifeln die Richter daher an.
Ergebnis weiterhin offen
Für den Beklagten ist dennoch nicht alles verloren. Der BGH hat den Fall zurück an das LG verwiesen, das nun zu klären hat, ob der Heizkörper nach Beginn des Bietzeitraums zerstört wurde und die Löschung der Gebote aus diesem Grund zulässig war. Auf diese – vom beklagten Verkäufer zunächst vorgetragene – Begründung waren die LG-Richter nicht weiter eingegangen. Erweist sich das in der Verhandlung nun als zutreffend, bleibt es wohl trotz allem beim ersten Ergebnis: die Klage wird abgewiesen. Der ebay-Verkäufer muss den geltend gemachten Schadenersatz nicht zahlen.
Anforderungen an den vorzeitigen Auktionsabbruch
Mit seiner Entscheidung macht der BGH deutlich, unter welchen strengen Voraussetzungen der Abbruch einer bereits laufenden ebay-Auktion zulässig ist, ohne dass der Anbieter schadenersatzpflichtig wäre.
Die Richter schließen die Begründung der „Unseriösität“ des Bieters offensichtlich nicht von vorne herein aus. Sie hielten sie nur im vorgelegten Fall für unzulässig, weil der Verkäufer zunächst einen anderen Grund für die Löschung angegeben hatte. Zudem genügten dem BGH die 370 Gebotsrücknahmen des Klägers innerhalb von 6 Monaten nicht, um von der fehlenden Bereitschaft, den Kaufpreis zu zahlen, auszugehen.
Die Streichung von Geboten ist nach Ansicht der Karlsruher Richter zudem dann erlaubt, wenn „gewichtige Umstände“ vorliegen, die die Lösung vom Vertrag – unabhängig von den ebay-Vorgaben – auch nach der Gesetzeslage erlauben würden. Gemeint sind damit die Gründe, die zur Anfechtung und zum Rücktritt berechtigen.
Fazit
Wer einen Artikel bei ebay zur Auktion einstellt, gibt bereits zu diesem Zeitpunkt ein rechtlich verbindliches Verkaufsangebot ab. Der Vertrag kommt nach Ablauf der Bietzeit mit dem Höchstbietenden zustande. Ein Löschen der Auktion, wenn auf den Artikel bereits geboten wurde, oder das Streichen einzelner Gebote ist zwar möglich, jedoch nur unter strengen Voraussetzungen. Entscheidet sich ein ebay-Händler für diesen Weg, muss ihm klar sein, dass – unter Umständen enorme – Schadenersatzansprüche auf ihn zukommen, die auch gerichtlich durchgesetzt werden können.