Beim Onlinehandel in europäischen Ländern außerhalb Deutschlands können erhebliche Unterschiede zu gewohntem deutschen Recht vorhanden sein und damit rechtliche Schwierigkeiten auftreten. Sollte der deutsche Onlinehändler gegen die jeweiligen Vorschriften verstoßen, kann er sich im Zweifelsfall der Gefahr von Sanktionen (Geldbußen) aussetzen.
In den folgenden beiden Artikeln werden die wichtigsten Rechtsfragen erörtert, die der deutsche Online-Händler im Fall des französischen E-Commerce-Rechts kennen sollte.
AGB-Vereinbarung zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit des Gerichts
Ob ein deutscher Onlinehändlers eine Klausel in seinen AGB für den Onlinehandel in Frankreich einführen kann, um deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte geltend zu machen, hängt grundlegend davon ab, ob der deutsche Onlinehändler Waren oder Dienstleistungen an Verbraucher oder an Unternehmer verkauft.
Die folgende Übersicht zeigt in Kürze die jeweiligen Möglichkeiten, eine ausführliche Darlegung der rechtlichen Grundlagen finden Sie hier.
Der Unterschied zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Sinne der einschlägigen EU-Verordnungen ergibt sich nach folgenden Artikeln:
Art. 6 Rom I-Verordnung
(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer ….
Art 15 Abs. 1 Brüssel I-Verordnung
Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,….
Die genannten Definitionen sind auch für den Onlinehandel zwischen Deutschland und Frankreich verbindlich, da die EU-Verordnungen in der EU unmittelbar geltend sind.
Einen Vertragspartner als Verbraucher oder als Unternehmer einzustufen, kann dennoch im Einzelfall schwierig sein: ist eine normale Privatperson, die weder Kaufmann ist, noch für ein Unternehmen handelt, als Unternehmer einzustufen? In einem Rechtsstreit vor französischen Gerichten sollte diese Frage geklärt werden. Nach der französischen Rechtsprechung zur Definition des Verbrauchers gilt eine Privatperson als Verbraucher, die ein Produkt für seinen persönlichen Gebrauch oder für den Gebrauch seiner Familie erwirbt. Daher ist nicht die Frage entscheidend – im Einklang mit der oben genannten Legaldefinition der einschlägigen EU-Verordnung – welchen Status der Kunde hat z.B. Kaufmann oder Geschäftsführer einer GmbH. In Frankreich kann daher grundsätzlich auch eine Privatperson, die einen Vertrag abschließt, der einer gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden muss, als Unternehmer und nicht als Verbraucher eingestuft werden.
Bei außervertraglichen Ansprüchen wie Ansprüche von Wettbewerbern wegen Wettbewerbsverstößen haben jedoch die Vereinbarungen in B2B-Verträgen mit französischen Unternehmern bzgl. deutschem Recht und der Zuständigkeit deutscher Gerichte keine Wirkung.
Für das anzuwendende Recht gilt hier die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11. Juli 2007 (Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, „Rom II“). Gemäß Artikel 6 Abs. 1 Rom II ist bei Wettbewerbsverstößen, die sich auf den französischen Markt auswirken, französisches Recht maßgebend.
Artikel 6 Absatz 1 Rom II
(1) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtig werden.
Für die Frage des zuständigen Gerichts bei Wettbewerbsverstößen ist Art. 5 Nr. 3. 3 der EU-Verordnung Brüssel I maßgebend. Gem Art. 5 Nr. 3 Brüssel I ist bei unerlaubten Handlungen (Wettbewerbsverstöße sind als unerlaubte Handlungen anzusehen) das Gericht zuständig, wo das schädigende Ereignis eintritt. Werden also Wettbewerbsverstöße auf dem französischen Markt geltend gemacht, so sind französische Gerichte maßgebend.
Art 5 Nr. 3 Brüssel I
Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
(3) wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;
Fernabsatzverträge – Zustandekommen nach französischem Recht
Während nach deutschem Recht mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit erst die Bestellung des Kunden als verbindliches Vertragsangebot anzusehen ist, sieht die Rechtslage nach französischem Recht dies bereits durch die Darbietung der Ware eines Händlers im Onlineshop erfüllt. Dieses verbindliche Vertragsangebot nimmt der Kunde durch seine Bestellung an. Gegenüber dem Kunden ist der Onlinehändler in seiner Rechtsposition deutlich geschwächt, auch durch AGB zugunsten des Händlers kann die Frage des Zustandekommens eines Vertrages mit Darbietung der Ware nicht außer Kraft gesetzt werden. Geregelt wird das Zustandekommen von Fernabsatzverträgen mit einem Sondervertragsrecht (Art 1369-4 Code Civil).
Auch bei B2B-Verträgen gilt nach zwingendem französischem Recht, dass ein Fernabsatzvertrag bereits mit Bestellung des Kunden zustande gekommen ist.
Art. 1369-6 regelt abschließend die Fälle, in denen von 1369-6 abgewichen werden kann.
Das heißt, Ziffer 1 bis 5 des Art 1369-4 können in Verträgen zwischen Onlinehändler und Gewerbekunden ausgeschlossen werden. Der Onlinehändler kann so die in Ziffer 1 bis 5 niedergelegten Informationspflichten bei einem Fernabsatzvertrag mit einem Gewerbekunden abbedingen. Nicht abbedingen kann er aber den ersten Absatz des Art 1369-4 Code Civil.
Interessant für Onlinehändler ist darüberhinaus die Situation in Frankreich zum Umgang mit vorvertraglichen Pflichten bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern. Die einschlägigen EU-Richtlinien 97/7/EG, 2000/31/EC zum Fernabsatzrecht sind in nationales französisches Recht (insbesondere Code de la Consommation, Loi pour la confiance dans l’économie numérique) umgesetzt worden. Prinzipiell gelten keine französischen Standards, die über die vertrauten strengen Standards des deutschen Rechts hinausgehen. Die vorvertraglichen Pflichten des Onlinehändlers schließen Angaben zur Artikelbeschreibung, Preis inklusive Steuern, Zahlungsbedingungen, Versandkosten, Widerrufsrecht, Impressum und Datenschutz auf seinem Onlineshop mit ein. Weitere Details zum Thema Vorschriften zu Impressum und Datenschutz finden Sie im 2. Teil der Artikelserie.
Widerrufsrecht für Verbraucher bei Fernabsatzverträgen – Fristen und Kosten
Nach französischem Recht kann der Verbraucher nach Art L-121-20 Code de la Consommation innerhalb von 7 Kalendertagen nach Bestellung einer Dienstleistung oder Empfang der Ware sein Widerrufsrecht ausüben (bei Finanzdienstleistungen gelten nach L121-20-12 Code de la Consommation 14 Tage Widerrufsfrist). Fällt das Ende der Frist auf einen Feiertag oder das Wochenende, tritt eine Verlängerung bis zum nächsten Werktag ein. Hat der Kunde sein Widerrufsrecht ausgeübt, so muss der Onlinehändler die gesamten Zahlungen des Kunden innerhalb von 30 Tagen zurückzahlen (Art L121-20-1 Code de la Consommation).
Zu beachten:
– Informiert der Onlinehändler auf seiner Webseite nicht über das Widerrufsrecht, so verlängert sich die Widerrufsfrist nach Art L-121-20 Code de la Consommation auf 3 Monate.
– In den AGB kann vereinbart werden, dass die Rücknahmekosten vom Kunden getragen werden. Dem Kunden dürfen jedoch, im Einklang mit EU-Richtlinien, darüberhinaus keinerlei Zusatzkosten auferlegt werden.
– Bei der Ausübung des Widerrufsrechts gelten die gleichen Ausnahmen für bestimmte Verträge (bspw. Einzelanfertigungen an Kundenwunsch) wie im deutschen Recht, hier wurden gleichermaßen die Ausnahmebedingungen der einschlägigen EU-Richtlinien übernommen.
Das französische Gewährleistungs- und Produkthaftungsrecht
Prinzipiell sind Fragen der Gewährleistung und der Produkthaftung für die Mitgliedsstaaten der EU in den EU-Richtlinien 1999/44/RG und 85/374/EWG geregelt, dementsprechend auch gültig für Deutschland und Frankreich. Im französischen Recht sind die Artikel Art 1641 ff sowie Art 1386 ff Code Civil und Art L211-4 ff, Art 211-15 ff Code de la Consommation einschlägig.
Die gesetzliche Garantie für Gebrauchsgüter („Garantie légale de conformité“) übernimmt weitgehend die EU-Richtlinie 1999/44/RG, bei der „Garantie légale des vices cachés“ (gesetzliche Garantie für verborgene Mängel) gilt jedoch eine spezielle Ausformung des französischen Rechts nach Art 1641 ff Code Civil mit folgenden Voraussetzungen:
– versteckter Mangel, der bereits vor dem Kauf bestand und beim Kauf bei Anlegung eines normalen Sorgfaltsmaßstabs nicht ersichtlich war
– Käufer hat den versteckten Mangel beim Kauf nicht gekannt
Nach Entdeckung des verborgenen Mangels kann der Käufer gegen den Verkäufer innerhalb von 2 Jahren auf Schadensersatz oder Minderung des Preises oder Rückabwicklung des Vertrages klagen.
Wie im deutschen Recht ergänzt die sogenannte „Garantie commerciale“ (Händlergarantie, Vertragsgarantie) die gesetzliche Gewährleistungsgarantie. Folgende Informationen muss der Verkäufer/Fabrikant dem Kunden geben: Inhalt der Garantie, Dauer, territoriale Geltung, Adresse des Verkäufers oder Fabrikanten, Pflicht des Verkäufers/Fabrikanten hinsichtlich gesetzlicher Gewährleistung.
Die „responsabilité du fait des produits défectueux“ geht auf die EU-Richtlinie von 1985 zurück. Die Produkthaftung/Herstellerhaftung gilt auch für Deutschland und betrifft Personenschäden, aber auch durch den Fehler an einer anderen Sache hervorgerufene Schäden. Die Produkthaftung trifft den Hersteller. Wird das fehlerhafte Produkt durch den Verkäufer von außerhalb der EU eingeführt, kann der Hersteller nicht identifiziert werden oder gibt sich der Verkäufer als Hersteller aus, so trifft die Produkthaftung nach Art 1386 ff Code Civil den Verkäufer.
Im zweiten Artikel zum französischen Onlinerecht werden die Unterschiede bei den Themen Preisrecht, Vorschriften zu Impressum und Datenschutzrecht und ein Ausblick zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/83/EU betrachtet.