Immer häufiger treffen Händler und Hersteller auch im Onlinehandel sog. Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen, auch „Category Management“-Vereinbarungen genannt, die im stationären Handel längst etabliert sind.
Hierbei handelt es sich um Vereinbarungen, mit denen ein Hersteller über eine Vertriebsvereinbarung mit einem Händler als „Category Captain“ die Beratung über die Steuerung von ganzen Warengruppen, also auch der von Konkurrenzunternehmen, in einem Shop übernimmt. Der Vorteil für Handelsunternehmen liegt darin, dass der Berater über die spezielle Qualität und Kompetenz verfügt, Sortimentsentscheidungen für die jeweilige Warengruppe sicher zu treffen, ohne dass diese erst in dem Handelsunternehmen über teure Marktanalysen und Wettbewerbsanalysen entwickelt werden muss.
Beide Seiten versprechen sich dadurch eine Optimierung des Absatzes. Allerdings hat der Category Captain bei einer solchen Vereinbarung naturgemäß einen immensen Einfluss auf die Produktplatzierung und – auswahl und trifft diese Entscheidungen dann auch für die Produkte seiner Wettbewerber. Angesichts der Tatsache, dass der Category Captain immer versuchen wird, die eigenen Produkte gegenüber den Konkurrenzprodukten möglichst gut zu platzieren, stellen sich hier auch kartellrechtliche Fragen.
Vereinbarungen über Category Management (CM) sind Wettbewerbsbeschränkungen, die gesetzlich nicht zwingend unzulässig sind. So können sie durch die Gruppenfreistellungsverordnung für Vertriebsverträge (Verordnung Nr. 330/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, sog. „Vertikal-GVO“) freigestellt sein. Voraussetzung ist, dass sowohl der Anbieter als auch der Abnehmer auf seinem Markt nicht mehr als 30 % Marktanteil halten. Bei der Berechnung des Marktanteils des Abnehmers kommt es auf den Markt an, auf dem er die Vertragsware einkauft.
Selbst wenn die Vertikal-GVO nicht anwendbar ist, etwa weil der Marktanteil von Anbieter und Abnehmer zu hoch ist, kann eine wettbewerbsbeschränkende CM-Vereinbarung gleichwohl nach deutschem oder europäischen Kartellrecht (nämlich § 2 Absatz 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 3 AEUV) zulässig sein. Das ist der Fall, wenn eine Selbstveranlagung ergibt, dass die erzielten Effizienzgewinne eine angemessene Beschränkung des Wettbewerbs rechtfertigen, weil die Verbraucherbeteiligung angemessen und der Wettbewerb nicht ausgeschlossen ist. Eine solche Selbstveranlagung ist aber in der Regel sehr aufwendig. Faktoren bei der Beurteilung dieser Fragen sind die Marktstruktur, der Grad der Marktmacht des Category Captains, faktische oder vertragliche Exklusivitäten, die Intensivität des Markenwettbewerbs oder Umstellungskosten der Verbraucher.
Oberhalb dieser Marktanteilsschwellen sehen die Leitlinien derartige Vereinbarungen jedoch kritisch, insbesondere dann, wenn sie den Anbieter in die Lage versetzen, seine eigenen Produkte gegenüber denen von Wettbewerbern zu bevorzugen.
Problematisch sind in CM-Vereinbarungen diese Punkte:
– Informationsaustausch
Bei einer CM-Vereinbarung im stationären Handel wird vor allem das Risiko eines unzulässigen Informationsaustausches gesehen, denn die Informationen fließen direkt oder indirekt auf horizontaler oder vertikaler Ebene zwischen den Wettbewerbern. Dieser Informationsaustausch ist im Online-CM natürlich gleichermaßen gegeben. Hier sind die Übermittlungswege für Informationen sogar kürzer und es kann eine größere Menge von Informationen übermittelt werden, so dass die Beteiligten sich der kartellrechtlichen Grenzen des Austauschs an Informationen bewusst werden sollten:
Auf horizontaler Ebene bestehen die Bedenken vor allem in der Reduktion des sog. Geheimwettbewerbs. Als sensitiv gelten Daten über Preise (z.B. aktuelle und künftige Preise, Preisnachlässe und -erhöhungen, -senkungen und Rabatte, Margen, Kundenlisten, Produktionskosten, Mengen, Umsätze, Verkaufszahlen, Kapazitäten, Qualität, Marketingpläne, Risiken, Investitionen, Technologien sowie Forschungs- und Entwicklungsprogramme).
Der Austausch von Informationen im Vertikal-Verhältnis, d.h. zwischen Category Captain und Händler gilt dagegen als weniger problematisch, hat aber Grenzen. Es dürfte sinnvoll sein, wenn der Händler dem Category Captain die endkundenseitig angewendeten Preise und Konditionen nicht kommuniziert werden. Gleiches gilt für die Preise und Konditionen, die der Händler einkaufsseitig mit anderen Anbietern aushandelt. Ebenso sollten die Händler bei der Übermittlung von Daten zu den Produkten der Wettbewerber des Category Captains zurückhaltend sein. Eine Grauzone besteht, wenn der Hersteller vom Händler sensible Informationen wie Preisspiegel und Rechnungen gegenüber Endkunden einfordert.
– Vorgaben zu Preisen und zur Produktzusammensetzung
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand. Vorgaben des Category Captain dazu, wie der Einzelhändler seine Preise gestalten soll, sind unzulässig. Dies gilt nicht nur für feste Vorgaben von Fest- oder Mindestpreisen. Es können schon Preisempfehlungen kartellrechtlich problematisch werden, wenn sie wiederholt thematisiert werden, mit Druck- oder Lockmitteln verbunden oder von Überwachungsmaßnahmen flankiert werden.
– Exklusivität
Im Rahmen einer CM-Vereinbarung ist es denkbar, dass sich der Händler für eine bestimmte Produktgruppe exklusiv an den Category Captain bindet. Aus kartellrechtlicher Sicht hat eine solche Bindung Vor- und Nachteile. Sie verhindert das Risiko einer Koordination auf Herstellerebene. Allerdings kann sie den Einfluss des Category Captain auf die Absatztätigkeiten des Händlers vergrößern. In den meisten Fällen werden solche Exklusivitätsvereinbarungen als spürbar gelten, weil die Marktanteile des Category Captain die relevanten Grenzwerte überschreiten.
Tipps für den Onlinehandel:
In den meisten Fällen dürfte es im Zusammenhang mit CM-Vereinbarungen sinnvoll sein, folgende – nicht abschließenden – Empfehlungen zu beherzigen, um kartellrechtlichen Vorwürfen vorzubeugen oder um sich bei einem kartellrechtlich motivierten Angriff besser verteidigen zu können:
- Abschluss eines schriftlichen Vertrages mit dem Händler über die Tätigkeit des Category Captain;
- Benchmark-Vorgaben des Händlers, die der Category Captain strikt einhält;
- dauernder Hinweis des Category Captain gegenüber dem Händler, dass er ausschließlich Empfehlungen ausspricht;
- Beibehaltung der Autonomie des Händlers;
- Dokumentation der Tätigkeit als Category Captain;
- Niedrige Beratungsfrequenz;
- Einführung von Sicherungsmaßnahmen;
- Compliance Schulungen;
- Beschränkung der CM-Beziehung in einer Warengruppe auf einen Hersteller und einen Händler
- Sorgfältige Prüfung und ggfls. Einschränkung der vom Händler zur Verfügung gestellten Daten
- der Category Captain muss seine Vorschläge auf objektive Kriterien stützen und darf lediglich sachlich richtige Daten verwenden.
Fazit: Auch wenn die Europäische Kommission dem CM positiv gegenüber steht, sollten die Vorgaben des deutschen und europäischen Kartellrechts berücksichtigt werden. Vor Abschluss einer CM-Vereinbarung empfiehlt es sich daher dringend, rechtlichen Rat einzuholen.