Wenn man innerhalb von nur sieben Wochen das größte eBay-Event Europas auf die Beine stellen will, muss man schon eine ganze Menge Chuzpe haben – und ein bisschen verrückt sein. Offenbar trifft beides auf Mark Steier und seinen Mitstreiter Yasin Tanriver zu, die Organisatoren der 1. eBay –Seller-Konferenz (kurz esk19), die vorgestern im Maritim-Hotel in Köln stattfand. Das Speaker Line-up konnte sich sehen lassen … und die Menschenschlangen vor den viel zu kleinen Workshop-Räumen auch.
Die Zahlen zur esk19 sind beeindruckend: 1.500 Besucher, laut Mark zum weitaus größten Teil eBay-Seller, strömten am Dienstag nach Köln, um sich fast 100 Vorträge von über 50 Speakern anzuhören. Mark hatte im Vorfeld scheinbar sein ganzes Netzwerk angezapft, um ein spannendes Line-up zusammenzustellen. So fanden sich dann auf der gigantischen Hauptbühne neben der spannenden und unverbrauchten Keynote-Speakerin Jutta Kleinschmidt, ihres Zeichens erste weibliche Gewinnerin der Rallye Dakar, viele große Branchennamen ein, wie bspw. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein, Marcus Diekmann von der AccelGroup, Kai Hudetz vom IFH Köln und Erik Meierhoff von idealo.
Noch interessanter als diese Vorträge, die man so oder so ähnlich auf den meisten E-Commerce-Konferenzen hören kann, waren aber für das anwesende Publikum die praxisorientierten Workshops, in denen es ganz handfeste Tipps, Anleitungen und To-do-Anregungen zu hören gab. Hands-on-Vorträge zum Verkauf auf eBay standen in Konkurrenz zu konkreten Rechtstipps und Deep Dive Sessions zu geschäftsrelevanten Themen wie Marketing, Eigenmarkenentwicklung, Kundenbindung, Produktfotografie, Finanzierung oder Controlling.
Der Andrang auf diese Praxisthemen war teilweise so enorm, dass die kleinen Workshop-Räume mit ihren gerade mal 60 Sitzplätzen aus allen Nähten platzen. Auch bei meinem Vortrag über Controlling im E-Commerce war jeder (Steh-) Platz belegt und viele Interessenten drängten sich draußen auf dem Gang und versuchten, durch die Tür noch ein paar Brocken des Vortrags zu erhaschen. (Hinweis an alle, die es wegen Überfüllung nicht in meinen Vortrag geschafft haben: Sie können sich als kleines Trostpflaster meine Folien hier herunterladen. Bitte beachten: Da ich meine Vorträge im Normalfall nicht online stelle, wird dieser Link lediglich ein paar Tage aktiv sein. Bei Interesse, also am Besten gleich runterladen.
Am späten Nachmittag holte Mark dann noch ein ganz besonderes Highlight auf die Bühne, bei dem vielen Zuhörern der Kloß im Hals anzumerken war. Ralf Kaufhold, CEO und Gründer des Werkzeugversenders arturus24.de, erzählte schonungslos offen und ehrlich, warum er vor gerade Mal zwei Wochen Insolvenz anmelden musste. Im Saal konnte man eine Stecknadel fallen hören, als der vom Ende seines Unternehmens sichtlich gezeichnete Händler Marks Fragen beantwortete. Vor allem eine Antwort ließ aufhorchen: Gefragt nach seinem größten Fehler, sagte Kaufhold wie aus der Pistole geschossen:
„Dass wir aufs Controlling geschissen haben.“ arturus24.de habe einige Topseller dauerhaft mit Verlust verkauft – ohne es zu merken. „Mit einer Deckungsbeitragsrechnung wäre das nicht passiert“, so Kaufhold. Und: „Wir hätten unser Lager regelmäßig auswerten müssen.“
Mit seinem Mut und seiner Offenheit im Umgang mit einem sehr schmerzhaften und in unserer Branche zu selten diskutierten Thema – dem Scheitern – hat Kaufhold bei den esk19-Besuchern zu Recht Eindruck hinterlassen, sein Auftritt gehörte zu den am häufigsten diskutierten Vorträgen beim abendlichen Kölsch.
„Da kann man sehen, dass es jedem passieren kann, zu scheitern“, schrieb Claudia Wendt, Geschäftsführerin von Heizungsdrache und Gewinnerin der letzten „Unternehmerinnen der Zukunft“-Runde in der Kategorie Marktplätze, einen Tag später in der Wortfilter-Facebook-Gruppe. „Dass man deswegen kein Trottel sein muss.“
Ja, Scheitern kann jedem passieren – aber es kann auch jeder einen genaueren Blick in seine Zahlen werfen und dadurch rechtzeitig gegensteuern. Ich sehe das ja jeden Tag in der beratenden Praxis. Ich kann dann in der Regel nur nichts mehr machen, wenn der Patient bereits mehr oder weniger zahlungsunfähig oder das Geschäftsmodell ganz einfach im Eimer ist. Aber diese Botschaft, die ich ja schon seit mehreren Jahren in die Branche zu tragen versuche (lange genug als einsamer Rufer), scheint langsam anzukommen. Und das ist gut so.
Allen die Controlling jetzt richtig angehen möchten, kann ich unser aktuelles Angebot für plentymarkets-, JTL- und Actindo-Kunden ans Herz legen.
michael wiechert meint
Ach du Schreck.
Arturus hab ich.doch seinerzeit und vor Jahren bei der Auswahl der neuen WaWi begleitet. Mir schien dass Cateno da ne gute Wahl war, zumal dort ja eigentlich einiges an Controlling mit an Bord sein sollte.
Das betrübt mich jetzt wirklich zu hören – hoffen wir mal, dass es dort weitergeht.