Letztens habe ich eine interessante Diskussion zwischen Handelskraft und Warenausgang verfolgt. Es ging um Frage, wie Hersteller B2C-Modelle aufbauen können. Warenausgang hat dazu dann die Antithese geliefert und ausgeführt, warum Hersteller es gerade nicht machen sollten. Für mich ein interessanter Ausgangspunkt, um das Thema um eine neue Perspektive zu erweitern und die Unterschiede zwischen den Kundengruppen näher zu betrachten.
Aufgrund der gleichen Multimedia-Sozialisierung von “amateuren” und “professionellen” Einkäufern, kommen immer wieder Ansichten auf, dass B2C- und B2B-Prozesse ziemlich identisch sind. Jeder B2B-Kunde ist auf einmal B2C-Kunde und verhält sich daher zwangsläufig genauso. Automatisch wird angenommen, dass mit ein paar Anpassungen aus jedem B2C-Retail-Shopsystem eine B2B-Commerce-Plattform wird. Leider ist es nicht so einfach, wie es oft dargestellt wird. B2B und B2C sind unterschiedlichsten Ausgangssituationen unterworfen und diesen Bedingungen muss Rechnung getragen werden.
Die Storefront und Zugangspunkten sind bei B2C und B2B vergleichbar. Allerdings sieht man hier bereits den zentralen Unterschied: B2C fokussiert sich darauf, die Umsätze zu maximieren, während bei B2B die maximale Prozesseffizienz im Vordergrund steht. Am Beispiel von Schokolade sieht man es gut. B2C fokussiert Emotionen und B2B Effizienz, hier über Produktdaten.
Was macht B2B und B2C im Kern eigentlich aus?
Im B2B geht es darum, komplexe Geschäftsprozesse und Daten aus dem Backoffice heraus zwischen Unternehmen zu vernetzen. Das System muss diese Austauschprozesse unterstützen und daher möglichst benutzerfreundlich sein. Darüber hinaus müssen die Prozesse so einfach und so schnell wie möglich von Personen bedienbar sein, da die meisten Einkaufsentscheidungen standardisiert sind. Es handelt sich um professionelles Einkaufen, nicht um erlebnisorientiertes Shopping. Ebenso sollte das System die Initiierung neuer Geschäfte unterstützen.
Allerdings gibt es auch Gemeinsamkeiten. B2C und B2B erwarten die gleiche Customer Experience, die sie aus ihrem privaten Umfeld kennen. Das betrifft bspw. Navigation, Menüstruktur, Labeling, Icons, usw. Sprich: eine sehr hohe Convenience Orientierung seitens des Betreibers.
Der wichtigste Unterschied zwischen B2B und B2C ist das Verhalten bzw. die Motivation der Kunden. Dies hat eine Auswirkung auf die notwendigen Funktionalitäten der Software sowie deren Architektur und die dahinter liegenden Prozesse. So liegt der durchschnittliche Warenkorbwert im B2C bei ca. $82, im B2B bei ca. $491. Ungefähr 74% aller B2B-Einkäufer verbringen pro Tag mehr als 4 Stunden mit der Produktsuche, wobei ca. 57% des Einkaufsprozesses bereits abgeschlossen wurde, ohne dass eine aktive Kommunikation hergestellt wurde. In 70% der Fälle sind am Einkaufsprozess im B2B mindestens zwei Menschen beteiligt, in fast 30% der Fälle mindestens fünf. Es reicht inzwischen nicht mehr aus, den Senior-Einkäufer zu überzeugen, sondern inzwischen sind bei komplexen Einkäufen Konsensentscheidungen zwischen verschiedenen Interessenslagern und Fachbereichen notwendig. Zwei Grafiken verdeutlichen die Problematik.
Die Analyse von CEB aus dem Jahr 2016 gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Besonderheiten der B2B-Einkäufer. In der ersten Grafik sieht man die abnehmende Wahrscheinlichkeit des Kaufs mit steigender Teamgröße und in der zweiten Grafik eine Übersicht unterschiedlicher psychologischer Personas innerhalb eines Teams. Gerade B2B-Händler sollten sich intensiv mit Ihren Kunden auseinandersetzen.
Zwischenfazit
B2B und B2C haben eine gemeinsamen Basis, in der Convenience–Anforderung und Customer-Experience-Erwartung. Die zugrunde liegende Motivation und die Einkaufsprozesse sind jedoch unterschiedlich. Worauf sollten B2B-Shopbetreiber achten? Eine konkrete Maßnahmenempfehlung gibt die Untersuchung der ibi Research aus dem Jahr 2017 über das Online-Einkaufsverhalten im B2B-E-Commerce.
Prüfen Sie die negativen Abweichungen und versuchen Sie, diese zu verbessern. Im zweiten Teil des Artikels geht es um die konkreten Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Einkaufsprozessen, welche Anforderungen sich daraus an eine E-Commerce-Plattform ergeben und wie sich das Verhalten der Personen ändert.
Unter dem Pseudonym Marian Haller analysiert unser Gastautor vor allem Shopsysteme und –technologien. Dies ist auch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld im E-Commerce. Er gilt als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet.
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