Dietmar Dahmen, seines Zeichen „Chief Innovation Officer“ bei der Digitalagentur ecx.io, hat sich auf den Bühnen der Branche inzwischen einen gewissen Ruf erarbeitet. Seine Vorträge zum Thema digitale Transformation bleiben im Kopf – und das nicht nur, weil er schon mal vor Publikum Kissen mit Kettensägen malträtiert.
Auch auf dem plentymarkets Online-Händler-Kongress 2018 am 3. März in Kassel wird er als Keynote-Speaker dabei sein. Aber was bringen die Ideen des „Inspirational Speakers“ eigentlich für den Alltag hart arbeitender Online-Händler, denen selten Gelegenheit bleibt für einen strategischen Blick auf das Große Ganze? Zeit für ein Gespräch über die Kultur des Wandels, über Superhelden-Umhänge – und darüber, wie aus Pferden Delfine werden.
Herr Dahmen, Ihr Thema sind Transformation und Wandel. Wie wirkt sich die digitale Transformation auf den Alltag von Online-Händlern aus?
Dietmar Dahmen: Innovation ändert nicht nur die Art, wie wir etwas machen, sondern komplett auch das Geschäft, die Menschen, die Gesellschaft. Kunden kaufen 2018 anders, haben andere Erwartungen, wollen andere Dienstleitungen. Was also müssen Online-Händler tun, um 2018 Erfolg zu haben? Wie können sie die Erwartungen ihrer Kunden übertreffen? Oder, wie ich es nenne: Was müssen sie tun, um die Superhelden des E-Commerce zu werden? Das sind sehr konkrete Fragen, die jeden Online-Händler betreffen.
Haben Sie ein Beispiel für den Wandel des Handels?
Dahmen: Das gesamte Einkaufserlebnis ändert sich, und zwar ständig. Lange Zeit war Digital immer der Vorreiter und analog musste nachziehen. Digital war also die treibende Kraft- und der digitale Handel muss diese Position verteidigen. Inzwischen aber rockt sich der stationäre Handel digital nach oben, beispielsweise mit smarten Spiegeln, virtueller und Augmented Reality, Lieferung nach Hause per Zeitfenster. Die stationären Geschäfte kämpfen härter als früher. Ihre „Einkaufserlebnisse“ sind eine starke Waffe. Online darf jetzt nicht passiv zuschauen. Business ist wie Fightclub: Einer kriegt immer in die Fresse.
Wer gehört denn heute Ihrer Meinung nach zu den „Superhelden des E-Commerce“?
Dahmen: Superhelden gibt es in allen möglichen Formen. Eine davon ist der Einzelkämpfer. Der große, mächtige Alleskönner: Superman ist das im Comic. Alphabet, Apple, Amazon, Alibaba in der digitalen Wirtschaft. Aber dann gibt es die zahlreichen Superhelden-Teams: Gruppen von Einzel-Experten, die sich zu einem unschlagbaren Team zusammentun. Teams, die Kräfte, Expertise, Know How bündeln und so gemeinsam unschlagbar werden. Batman und Robin, das sind in der digitalen Welt Spotify und Tencent. Bosch und Alibaba. Eon und Google. Wichtig sind in solchen Teams die Expertisen der Mitglieder – man braucht nicht selbst alles können! Aber man muss die richtigen Leute im Team haben! Und die hängen davon ab, was die Aufgabe ist – und wer der Gegner. Wer das beste Team hat, gewinnt den Kampf um die Kunden.
Was ist mit Unternehmen, die aktuell erfolgreich sind und keinen Anlass für große Veränderungen sehen? Sind die nicht schon Superhelden?
Dahmen: Manche Unternehmen denken: “never change a winning horse“. Das Pferd (das Unternehmen) ist stark. Der Jockey (die Geschäftsleitung) ist schlau. Zusammen ein Super-Team. Das Problem: ein Super-Team ist noch kein Gewinner-Team. Um ein Gewinner-Pferd zu sein, muss ich ja in einem Wettbewerb eintreten. Für Pferde ist der Wettbewerb das Stadion. Für Unternehmen der Markt. Wenn ich das Pferd und den Reiter genauso lasse, wie sie bisher schon sind, aber das Stadion ändere, indem ich die beiden zum Beispiel ins Meer schmeiße, sind sie plötzlich kein Gewinner-Team mehr. Das Pferd hat sich nicht geändert. Der Jockey hat sich nicht geändert. Das einzige, was sich geändert hat, ist das Umfeld indem der Wettbewerb stattfindet. Wenn das Rennen plötzlich im Meer ist, gewinnen Delfine!
Was bedeutet das für die Unternehmensstrategie?
Dahmen: Unternehmen müssen sich fragen: Wer sind ihre Delfine? Wer ist plötzlich schneller im neuen Umfeld? Wer greift ihre Führungspositionen an? Der digitale Umbruch ist so eine Veränderung des Umfeldes, d.h. jedes Unternehmen muss plötzlich in einem neuen Umfeld in den Wettbewerb. Das Umfeld ist viel flüssiger als zuvor, viel liquider. Um in dem neuen flüssigen Umfeld gewinnen zu können, braucht man neue Werkzeuge. Der Delfin hat zum Beispiel Flossen statt Beine. Für den Handel sind es vielleicht Künstliche Intelligenz, Roboter, Virtuelle Realität. All das ändert massiv das Umfeld, in dem sich jedes Unternehmen befindet. Auch wenn das Unternehmen zur Zeit erfolgreich ist. Auch wenn das Unternehmen zur Zeit denkt sich nicht ändern zu müssen.
Gibt es Branchen oder Abteilungen, den der Mut zum Wandel schwerer fällt als anderen?
Dahmen: In meinem neuen Buch „TRANSFORMATION!BAMM“* erkläre ich den Lesern die Gesetze der Vulkan-Ökonomie. Es geht unter anderem darum, dass die meisten Unternehmen von Menschen gegründet werden, die für ihre Idee brennen. Die ersten Mitarbeiter sind ebenfalls Draufgänger. Sie kommen zu dem Unternehmen, weil sie eine gemeinsame Vision haben und die Welt ändern möchten. Wenn das Unternehmen größer wird, fühlt sich eine andere Art von Menschen angezogen. Sie kommen, weil das Unternehmen groß ist und Sicherheit verspricht. Das Vulkan-Unternehmen verliert somit auf Dauer an Feuer. Im ungünstigsten Fall verlischt die Flamme. Die Aufgabe der Unternehmensführung ist es, das Feuer im Unternehmen immer wieder neu anzuzünden.
Und wie soll das gehen?
Dahmen: Wie bei einem richtigen Feuer, sucht man sich zuerst die kleinen Äste, also kleine unabhängige Abteilungen, einzelne begeisterungsfähig Mitarbeiter, die das Feuer neu entfachen und so helfen, dass das Unternehmen wieder ein kräftiger, heiß brennender Vulkan wird. Jedes Unternehmen brannte einmal. Und jedes Unternehmen kann wieder brennen. Die Idee ist, erst kleine Feuer zu entfachen und die dann konsequent wachsen zu lassen.
Das klingt so einfach. Aber wie können mittelständische Online-Händler diese Philosophie in ihren Alltag aus ständigem Zeit- und Ressourcenmangel integrieren?
Dahmen: Auch hier habe ich in mein Buch einen Tipp: Nehmen Sie sich ein Ziel vor, das Sie 2018 erreichen möchten. Wenn Sie das Ziel gefunden haben, versuchen Sie jeden Tag irgendetwas zu tun, um dieses Ziel zu erreichen. Schreiben Sie sich am Abend grob und locker auf, ob Sie dem Ziel näher gekommen sind (vielleicht einer Skala von + 1 bis +5), ob Sie sich von den Zielen entfernt haben (vielleicht auf einer Skala von -1 bis -5) oder ob Sie gar nichts getan haben, um das Ziel zu erreichen (das wäre dann 0 ). Einfach nach Gefühl …das passt schon! Am Ende jeder Woche addieren Sie die Ergebnisse einfach auf. So erkennen Sie Ihre „Zielerreichungs-Passion“ auf einen Blick. Wenn Sie im positiven Bereich sind, ist alles cool. Wenn Sie negativ oder bei 0 stehen…. Hey: So kommst Du nie ans Ziel! Wenn Sie also sagen: „ Ich möchte Kundenanfragen schneller beantworten“, aber nie etwas dafür tun, bleibt das Ziel einfach mein leerer Wunsch. Nicht vergessen: Wünschen kann jeder. Machen tun Unternehmer!
Vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns schon auf Ihre Keynote!
Wer den unvergleichlichen Redner Dietmar Dahmen live erleben möchte, sollte am 3. März nach Kassel zum plentymarkets Online-Händler-Kongress 2018 kommen. Hier gibt es für lau nicht nur viele Innovationen und Tipps, sondern auch sehr viel Wissenswertes für das Tagesgeschäft eines jeden Online-Händlers.