Amazon-Händler haben technisch keinen Einfluss auf die Gestaltung des Marktplatzes, müssen für rechtswidrige Darstellungen aber dennoch haften. So erging es kürzlich einem Sonnenschirmverkäufer, der wegen der Verwendung eines irreführenden Produktbildes von einem Konkurrenten abgemahnt und letztendlich auch erfolgreich gerichtlich in Anspruch genommen wurde.
Beim „Anhängen“ auf Amazon ist Vorsicht geboten
Ein Amazon-Händler, der sich an bereits bestehende Angebote „anhängt“, macht sich die entsprechenden Inhalte zu eigen, so die gängige Spruchpraxis zahlreicher Gerichte. Das gilt auch für das Produktbild, das von dem Amazon-Händler hochgeladen wird, der den Artikel (mit derselben EAN bzw. GTIN) zuerst eingestellt hat. Entspricht das Foto nicht dem konkreten Angebot des nachfolgenden Verkäufers, etwa, weil es mehr oder etwas anderes zeigt, als tatsächlich verkauft wird, liegt eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor.
Lieferumfang muss mit Artikelbild übereinstimmen
So entschied im konkreten Fall schon in erster Instanz das Landgericht (LG) Arnsberg (Urt. v. 05.03.2015, AZ: 8 O 10/15). Das Urteil wurde nun vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigt (Urt. v. 04.08.2015, AZ: I-4 U 66/15). Der Fall betraf einen Sonnenschirmhändler, der sich an ein bereits bestehendes Angebot bei Amazon anhängte.
Das vom Ersteinsteller hochgeladene Produktbild zeigte den besagten Sonnenschirm, einen Schirmständer und die für dessen Beschwerung erforderlichen vier Betonplatten. Letztere waren vom Angebot des betroffenen Verkäufers jedoch nicht umfasst. Das stellte er zwar auch innerhalb der detaillierten Angebotsbeschreibung klar, nach Ansicht eines Konkurrenten genügt das jedoch nicht den Anforderungen eines lauteren Wettbewerbs.
Online-Handel: Produktbild bestimmt Angebotsinhalt
So sahen es auch die Richter. Einer Produktabbildung kommt im Internet eine maßgebliche Bedeutung zu, da gerade dort visuelle Eindrücke für die Erfassung des Inhalts von entscheidender Bedeutung sind, so das OLG. Fotos werden vom Adressaten von Online-Warenangeboten als Teil der Artikelbeschreibung aufgefasst. Ist das blickfangmäßig ausgestaltete Artikelbild irreführend (z.B. weil es mehr zeigt, als tatsächlich geliefert wird), muss ein – ebenfalls am Blickfang teilhabender – Hinweis diesen Irrtum beseitigen. Eine Klarstellung kann auch über einen Sternchenhinweis erfolgen. Zumindest das Sternchensymbol muss dann aber am Blickfang teilhaben.
Hinweis innerhalb der Produktbeschreibung genügt nicht
Erfolgt die Klarstellung – wie hier – erst innerhalb der Produktbeschreibung, die nicht Teil des Blickfangs ist, ist die Angebotsseite irreführend. Daran ändert auch die gesetzliche Verpflichtung nichts, dass der Verbraucher über die wesentlichen Merkmale der Ware – also auch über vorhandenes oder fehlendes Zubehör – vor dem endgültigen Vertragsschluss (dem Klick auf den „Bestell-Button“) zu informieren ist. Ist der potenzielle Kunde zur Bestellübersichtsseite gelangt, hat er bereits die Entscheidung getroffen, sich das konkrete Angebot näher anzugucken. Schon darin ist ein Wettbewerbsverstoß zu sehen, da diese Entscheidung auf der Fehlvorstellung beruht, die das Produktbild ausgelöst hat.
Vorgehen gegen Einzelhändler statt gegen Amazon ist nicht rechtsmissbräuchlich
Das OLG entschied daneben, dass das Vorgehen gegen die Amazon-Händler, statt gegen den Plattformbetreiber selbst, kein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des UWG darstellt. Denn die Einzelunternehmer seien vielfach als „Täter“ einzustufen, während Amazon – wenn überhaupt – nur als „Teilnehmer“ zu qualifizieren ist. Für die technischen und gestalterischen Vorgaben des Online-Riesen haften daher auch weiterhin die Händler, auch wenn sie darauf keinerlei Einfluss haben. Als einzige Möglichkeit, Abmahnungen zu entgehen, bleibt dann nur noch, den Vertrieb über Amazon einzustellen. Vielfach dürfte das aus wirtschaftlichen Gründen jedoch keine realistische Option sein.