Kaum kündigt Google eine Änderung in seiner Suchmaschine an, überschlagen sich die SEO-Gurus mit Prophezeiungen, warum damit das Internet, wie wir es kennen, enden wird. Je nach Thema beschwört man so den Untergang der Webanalyse durch die Einführung der sicheren Suche oder ein neues goldenes Zeitalter für „gute Texte“ durch die semantische Suche herauf.
Nun ist Google aber bekannt dafür, ‚revolutionäre‘ Konzepte schnell auch mal wieder einzumotten. Erinnert sich vielleicht noch jemand an Wave, Reader oder all die anderen Spielzeuge aus Labs?
Und wie Bill Gates richtig bemerkt hat, überschätzen wir die Veränderungen der nächsten Jahre, während wir das unterschätzen, was in den nächsten Jahrzehnten passiert.
Werfen wir also ruhig mal einen entspannten Blick auf die semantische Suche, den Knowledge Graph, aber auch auf Wikipedia, Wolfram Alpha und Amazon. Dabei soll es nicht darum gehen, wie man seine eigene Webseite wieder einmal „fit für Google“ macht, sondern um mehr Gelassenheit.
Zusammengefasst:
- Die semantische Suche soll den Sinn hinter der Suchanfrage verstehen und die passende Antwort dazu finden.
- Echte semantische Suchergebnisse sind nur mit einer semantischen Suchanfrage möglich.
- Je mehr Informationen (implizit oder explizit) die Suchanfrage enthält, umso besser für die Suche.
- Je besser die semantische Suche, desto größer die Gefahr für den Datenschutz.
- Verlassen Sie sich nicht auf SEO-Tricks, sondern auf gute Texte.
Wann ist eine Suche semantisch?
Es gibt einen einfachen Test, um herauszufinden, ob wir schon in der Zukunft mit einer semantischen Suche leben: Geben Sie „Download“ oder „Klicken“ ein und wenn Adobe, Firefox oder andere Seiten, die ständig mit diesen Suchbegriffen verlinkt werden, nicht mehr unter den Top 10 stehen, dann ist es soweit. Bis dahin sinkt vielleicht der Einfluss von Keywords und Offpage-Faktoren, aber wirklich semantisch ist die Suche noch nicht. Schließlich haben Adobe und Download an sich nichts miteinander zu tun. Das Versprechen der semantischen Suche ist es aber, rein technische Rankingfaktoren auszuschließen und den logischen Zusammenhang zu erkennen.
Gibt man zum Beispiel „München Reim“ in eine Suchmaschine ein, sollte die Suchmaschine wissen, ob man nach einem Konzert oder Hilfe bei einem Gedicht sucht, oder sich vertippt hat und eigentlich „München Riem“ schreiben wollte.
Außerdem sollen nur die Seiten angezeigt werden, die relevante, aktuelle und gut aufbereitete Informationen bieten. Will man Konzertkarten für nächsten Dienstag oder einen Mitschnitt vom ersten Auftritt in der Stadt? Arme Suchmaschine.
Sie kann nur gute Ergebnisse liefern, wenn die Frage richtig gestellt wurde. Aber wer macht sich schon die Mühe, auf semantische Weise zu suchen? Man sollte da nicht zu viel von Google erwarten und die Nutzer haben inzwischen sowieso gelernt, dass es bei manchen Themen zielführender ist, direkt Wikipedia aufzurufen.
Ist echte semantische Suche überhaupt möglich?
Google muss zwei Probleme lösen: Verstehen, worauf eine Suche abzielt, und bewerten, wie gut eine Internetseite diesen Bedarf abdeckt. Bei den Internetseiten gibt es einen stetigen Fortschritt. Durch immer feinere Algorithmen und zusätzliche Kriterien wie den Autor Rank wird eine Menge weggefiltert, was unerwünscht ist. Das muss deshalb aber noch nicht zur Frage passen.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, mit einer offenen Fragestellung umzugehen: Man grenzt das Thema im Vorfeld ein oder man kategorisiert nachträglich die Antworten, um die richtige schneller zugänglich zu machen.
Den ersten Weg geht zum Beispiel Amazon. Beim Begriff „Godzilla“ bietet der Onlineshop in der automatischen Vervollständigung und der Kategorieleiste unter anderem die Optionen „in DVD“ oder „in Spielzeug“ an. Der Nutzer kann sich also darauf verlassen, zu den Kategorien geleitet zu werden, in denen er den Film oder die Figur findet.
Möglichkeit zwei gibt es bei der Suchmaschine Wolfram Alpha. Sucht man nach „Population Germany“ bekommt man als Erstes einen Hinweis, wie diese Eingabe von der Suchmaschine interpretiert wurde. Danach erhält man neben der aktuellen Bevölkerungsgröße eine ganze Reihe von weiteren Daten, die damit zusammenhängen. Die Bevölkerungsentwicklung, -dichte, -wachstumsrate usw. Der Nutzer wird sich dann schon das Passende heraussuchen.
Mit beiden Möglichkeiten tut sich Google schwer, denn die Fülle an Informationen lässt sich bei einer Allzwecksuchmaschine nicht so leicht eingrenzen, wie auf einer Verkaufsseite oder der „Wissenssuchmaschine“ Wolfram Alpha.
Dafür kann Google auf die Suchhistorie seiner angemeldeten Nutzer zurückgreifen. Wer in der Vergangenheit ausschließlich nach Konzerten von Matthias Reim gesucht hat, wird das wahrscheinlich auch in Zukunft machen. Hier gibt es schier unendliche Möglichkeiten, Nutzerprofile zusammenzustellen, die allerdings für Datenschützer das Jüngste Gericht einläuten.
Wollen wir überhaupt eine semantische Suche à la Google?
Manche werden sich noch daran erinnern, dass sich ein Vater bei einem Target Store in Minneapolis darüber beschwerte, dass dieser seiner minderjährigen Tochter ständig Angebote für Babykleidung schickte. Denn der Algorithmus von Target wusste durch ihr Kaufverhalten schon längst darüber Bescheid, was das Mädchen dem Vater bisher verschwiegen hatte.
Target hat natürlich eingesehen, dass man das so nicht machen kann. Schwangere bekommen ihre Werbung für Babyprodukte deshalb jetzt nicht mehr mit dem Holzhammer, sondern wesentlich subtiler serviert.
Aber Target weiß Bescheid. Und Google weiß noch eine Menge mehr.
Die semantische Suche mit Author Rank, angepassten Markups und sowohl maschinen- als auch menschenlesbaren Texten ist ein weiteres Werkzeug, mit dem sich die eigene Website in den nächsten Jahren weiter für Google aufpolieren lässt, aber viel interessanter ist doch, was sich daraus in den nächsten Jahrzehnten entwickelt. Und bis dahin sollten Sie Ihrem Gespür für die Bedürfnisse Ihrer Kunden und einem guten Texter vertrauen.