Das Beispiel Emmas Enkel zeigt, dass die nach wie vor recht geringe Rolle von Online für den Lebensmittelhandel kleinen, experimentierfreudigen Anbietern überdurchschnittliche Marktchancen eröffnet. Dass das nicht nur für junge Startups gilt, beweist die mittelständische Handelskette V-Markt, die im südbayerischen Raum mit mehr als 30 Märkten vertreten ist. Nach dem Vorbild der von einigen großen Lebensmittelketten gestarteten Abholmärkte hat das Unternehmen seinen eigenen Drive-Markt initiiert. V-Markt ist damit ein interessantes Beispiel dafür, wie konventionelle Händler auch mit einem begrenzten E-Commerce-Engagement handfeste Mehrwerte für die Kunden schaffen können.
„Natürlich wissen auch wir als mittelständisches Unternehmen, dass es das Internet gibt und deshalb haben wir uns Gedanken gemacht, in welcher Form wir im Onlinehandel teilnehmen können“, berichtet Sylvester Greiter, der bei V-Markt als Projektleiter für den Drive-Markt verantwortlich zeichnet. Auf ein reines Non-Food-Sortiment, wie es einige Supermarktbetreiber im Internet anbieten, habe man sich nicht beschränken wollen. Testbestellungen bei einer Reihe von Online-Lebensmittelhändlern hätten aber auch gezeigt, dass für die Frische-Problematik nach wie vor keine zufriedenstellende Lösung vorhanden sei. „Da wir aus eigener Erfahrung wussten, dass es bei uns fast keine Einkäufe ohne Frischwaren gibt, haben wir uns für eine Idee entschieden, wie sie vor allem in Frankreich populär ist: im Internet bestellen und dann vor Ort abholen“, so Greiter. Gestartet wurde der Drive-Markt Ende 2012 am Standort von V-Markt im Münchner Euro-Industriepark.
Pragmatischer Kompromiss mit großem Kundennutzen
In dem auf einer selbstgestrickten Shop-Lösung basierenden Onlinestore unter Drive-Markt.de können Kunden aus einem Sortiment von mehr als 4.000 Artikeln auswählen. Dabei stehen Waren aus Bereichen wie Obst und Gemüse, Drogerie und Haustier, aber auch Tiefkühl- und Fleischprodukte zur Auswahl. Die Einkäufe können frühestens zwei Stunden nach der Bestellung an einem Mitnahmeschalter im Markt abgeholt werden. Darüber hinaus können Online-Bestellungen aber auch bis zu zwei Wochen in voraus aufgegeben werden. Die bestellte Ware wird von den V-Markt Mitarbeitern gepackt und bei Bedarf gekühlt. Zudem wird den Kunden absolute Frische und optimale Mindesthaltbarkeit zugesichert. Das Online-Angebot von Drive-Markt besteht ausschließlich aus Artikeln, bei denen eine ständige Verfügbarkeit im Markt garantiert ist. Sollte dennoch ein bestelltes Produkt einmal ausverkauft sein, wird den Kunden bei der Abholung ein Alternativartikel vorgeschlagen.
Mit der Strategie, seinen Kunden die Online-Bestellung ermöglichen, statt einem Versandservice dabei aber nur die Möglichkeit zur Selbstabholung zu bieten, setzt V-Markt auf den Kompromiss zwischen dem praktisch Machbaren und einem größtmöglichen Kundennutzen. Zwar bleibt das Angebot von Drive-Markt.de damit regional beschränkt und an die V-Markt Filiale gebunden. Doch kann der mittelständische Händler – im Unterschied zu vielen überregionalen Ketten – damit immerhin mit einem E-Commerce-Angebot aufwarten und bietet dabei ein möglichst breites Sortiment an. „Die Industrie hat eigene Abteilungen für Forschung und Entwicklung. Wir nutzen unseren Drive-Markt, um Erfahrungen zu sammeln und den Anschluss nicht zu verlieren“, erklärt Projektmanager Greiter. Da die Deutschen mit dem Lebensmittelkauf im Internet noch vergleichsweise zögerten, sei der Leidensdruck für die Branche noch nicht so hoch. „Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns rechtzeitig auf die Entwicklung vorbereiten“, so Greiter.
Die ersten Erfahrungen deuten darauf hin, dass V-Markt mit seinem Drive-Markt auf dem richtigen Weg ist. So sei es bereits in den ersten Monaten gelungen, eine recht hohe Zahl an Stammkunden zu gewinnen. „Wer einmal online bestellt, bleibt mit recht hoher Wahrscheinlichkeit dabei“, erklärt Greiter. Zudem registriere man bei Drive-Markt.de vergleichsweise hohe Warenkorbwerte, die deutlich über dem Durchschnitt in den Märkten lägen.
Erste Lernprozesse
Gleichzeitig berichtet Greiter von ersten Lernprozessen. So habe sich V-Markt bei der Konzeption seines Abholshops zunächst am klassischen Internetnutzer-Profil orientiert: jung, alleinstehend, erwerbstätig. Dem entspreche auch die ursprüngliche Bewerbung unter dem Motto „Kühlschrank leer?“. Doch stelle man inzwischen fest, dass das Angebot auch von jungen Müttern und Hausfrauen angenommen werde, die die Online-Bestellung zur Optimierung ihrer Wocheneinkäufe und des damit verbundenen Zeitmanagements nutzten. „Den Kunden geht es darum, dass sie online schneller einkaufen können. Diesen Vorteil wollen wir künftig klarer herausstellen“, erklärt Greiter. Den Werbe-Claim für den Drive-Markt hat das Handelsunternehmen bereits entsprechend abgeändert: „einfach besser einkaufen“ lautet das neue Motto.
Doch nicht nur am Marketing, auch am Online-Sortiment wird noch gefeilt. Zum Start wurde der Onlineshop zunächst mit den umsatzstärksten Artikeln der V-Markt-Filialen bestückt. Nach den ersten Erfahrungen wird das Sortiment nun laufend optimiert, zudem werden die Kunden aktiv dazu ermutigt, per E-Mail Vorschläge für weitere Sortimentsergänzungen zu machen. Gemäß seinem mittelständischen Profil betrachtet V-Markt den Drive-Markt als einen bewusst niedrigschwellig ausgelegten Testlauf – der dennoch eine breite Wirkung entfalten könnte: „Erst einmal wollen wir uns die Entwicklung anschauen“, erklärt Greiter, „doch handelt es sich beim Drive-Markt um ein Konzept, das wir durchaus auch an anderen Standorten anbieten können.“
Branchenunabhängige Relevanz erhält der Drive-Markt, wenn man ihn im Hinblick auf seine Bedeutung für kleinere und mittelständische Händler insgesamt betrachtet: Sie können mit überschaubar dimensionierten, regional ausgerichteten Online-Konzepten bei den Kunden punkten.
Hier gehts zu einem Promovideo für den Drive-Markt
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