Diese Tage wurde Fahrrad.de-Gründer Rene Köhler, anlässlich der Verleihung des deutschen Gründerpreises von VentureTV interviewt. Die Internetstores AG, zu der Fahrrad.de mit seinen ca. 30 Mio. Jahresumsatz gehört, betreibt mittlerweile etliche Nischen-Shops.
Rene Köhler weiß also wovon er spricht wenn er meint, dass der Wettbewerb im E-Commerce zunehmend härter wird und kleine Shop-Betreiber als Generalisten wenig Chancen hätten, sondern sich besser eine Nische suchen sollten.
„Tante-Emma“-Effekt
Denn so wie im stationären Handel der „Tante-Emma-Laden“ mit seinem zwar vielfältigen, aber doch recht beliebigen Sortiment von großen Einzelhandelsketten und Spezialanbietern verdrängt wurde, stehen konventionelle, austauschbare Onlineshops vor der Gefahr, in einer – sowohl online wie auch offline – immer weiter entwickelten Handelslandschaft von der Bildfläche zu verschwinden.
Der Grund: Kunden wollen kompetent beraten werden. Statt Suchen, wollen Sie finden – und das gleich. Statt wie bisher nur auf die Ressource Geld zu schauen, wird Zeit ein zunehmend wichtiger Faktor: Kann der Kunde in einem Shop zielgerichtet das Fahrrad und die zugehörigen Ersatzteile finden, sich mit anderen Kunden austauschen, bekommt fachgerechte, kompetente Beratung – dann zahlt sich die Fokussierung auf das Sortiment aus.
Nicht umsonst steigen Spezialversender wie fahrrad.de, bergfreunde. de usw. immer weiter in der Gunst der Kunden.
Und hier liegt der Vorteil für den Online-Händler:
Er kann mit einem Angebot auf den Kunden zuzugehen, das es in dieser Form nur im Internet gibt: beispielsweise die konsequente Spezialisierung auf eine Produktnische mit Beratung, Forum und Gleichgesinnten: eine Form, die so im stationären Handel nicht dargestellt werden kann.
Auf dem Weg vom Generalisten zur Spezialisierung gibt es für Onlinehändler verschiedene Optionen. Eine ist, sein Sortiment rigoros „auszumisten“ und sich auf die vielversprechendsten Produktgruppen zu konzentrieren. Die andere Möglichkeit ist, sein Sortiment in mehrere spezialisierte Unter-Shops aufsplitten.
Auch als „Master & Slave-Konzept“ bekannt, ermöglicht diese Strategie das Betreiben einer Vielzahl von Shops mit nahezu dem gleichen Aufwand, der bislang für nur einen Shop nötig war.
So wird ein neuer Artikel beispielsweise lediglich im Master-Shop angelegt und danach in die gewünschten Slave-Shops übertragen. Dies erfolgt automatisch und nach individuell definierbaren Regeln. Durch den gemeinsamen Warenkorb müssen Zusatzinformationen wie die jeweils angezeigte Sprache, Versandgebühren oder Währung nicht für jeden Unter-Shop einzeln eingestellt werden, sondern können einfach übernommen werden. Bei besonders ausgefeilten Master & Slave-Konzepten können sogar je nach Shop unterschiedliche Produktbeschreibungen verwaltet werden.
Dabei ist die Erleichterung für den Shopbetreiber nur einer der Vorteile der Master & Slave-Strategie. Wie bereits erwähnt, kann man beim Kunden oftmals mit einem Nischenshop leichter punkten. Denn die Spezialisierung auf ein bestimmtes Thema wird von vielen Konsumenten eher als kompetent angesehen als ein bunt gemischtes Sortiment.
Auch Suchmaschinen schreiben spezialisierten Shops nach Meinung einiger Experten einen höheren Wert zu und belohnen dies mit einer besseren Platzierung der Artikel in den Trefferlisten. Schließlich erleichtert die Erstellung von Unter-Shops auch bei der Expansion ins Ausland die Einrichtung einer eigenen Landesdomain sowie der dazu passenden Sprachversion – und erhöht so einmal mehr die Glaubwürdigkeit beim Kunden. Im Idealfall lässt sich ein Zweit-Shop somit ohne großen Aufwand erstellen und spielt bereits kurzer Zeit Wochen ein Vielfaches seiner Kosten ein, ohne die Umsätze des Master-Shops zu verschlechtern.
E-Commerce Anbieter sind darauf vorbereitet
Vielerorts wird ja beklagt, die Anbieter von Shopsystemen kämen in der technischen Entwicklung den sich schnell ändernden Anforderungen des Marktes nicht hinterher. Ob dies nun wirklich so ist, sei dahingestellt. Für das Thema Multistores gibt es mittlerweile jedoch genügend Anbieter.
So bietet nicht nur das – nach vieler Leute Meinung derzeit Standards setzende – Open Source Shopsystem magento eine Multistore-Lösung an, sondern auch eine Reihe weiterer E-Commerce-Lösungen.
Neben den großen Anbietern, wie epages oder OXID eSales, können aber auch Kunden verschiedener kleinerer Anbieter, wie Powergap oder Ruhrmedia, ihr Sortiment auf mehrere Onlineshops aufteilen und diese in einem einzigen Backend-Bereich steuern.
Seit letzter Woche bietet nun auch der Marktplatz Yatego, mit den sog. Flexi-Shops seinen Händlerkunden die Möglichkeit ihr Sortiment zielgruppengenau zu strukturieren. Auch hier gibt es nur einen Adminbereich, einen gemeinsamen Warenkorb und die Möglichkeit die Produktdarstellung unterschiedlich zu steuern.
Chancen werden noch unterschätzt
Meiner Einschätzung nach, nutzen Onlinehändler diese – verhältnismäßig – einfache Möglichkeit der Umsatzsteigerung noch viel zu wenig. Möglicherweise, werden Multistores ja einfach unterschätzt.
Spannend, wäre es natürlich in einem Best case aussagekräftige Praxiszahlen zum tatsächlichen Erfolg von Multistores zu erhalten.
Sollte ein E-Commerce Anbieter Interesse an der Erstellung eines Best case haben, geben wir gerne Unterstützung. Immerhin haben wir bereits verschiedene Best cases für E-Commerce Themen erstellt und wissen um den Wert solcher Publikationen.
P.S.: Der vorliegende Artikel stammt zu Teilen aus unserem – noch im Oktober erscheinenden – Buch Handel im Wandel. Hersteller und (Online-)Händler erfahren in diesem kostenlosen Ratgeber wie sie sich auf die Zukunft im Handel vorbereiten können.
Florian meint
xt:Commerce ist in der neusten Version 4 (Veyton) ein weiteres Multishop fähiges Shopsystem. An einer Studie zu diesem Thema wäre ich auch sehr interessiert. Das klingt alles logisch, nicht zu unterschätzen ist aber an dieser Stelle auch der Punkt cross selling, welcher weitgehend entfällt wenn man sein Sortiment in unterschiedliche Multishops aufsplittet.
Arthur W. Borens meint
Wenn ich mich in meinem Kundenkreis so umsehe und auch die vielen Selbermachershops meines ehem. Unternehmens CATMEDIA betrachte, erscheint Köhlers (und Ihre) Erkenntnis nicht mehr so spektakulär und neu. Der überwiegende Anteil sind „spezialisierte“ Shops, schon seit jeher. Dabei ist zu erkennen, dass die Shops um so spezialisierter sind, je kleiner sie daherkommen. Ich behaupte, dass die Erkenntnis, mit begrenzten Mitteln kein breites Sortiment aufbauen zu können, schon nativ bei den „kleinen“ Shopgründern vorhanden ist.
Viel interessanter erscheint mir die Frage, ob es bei derzeit breiten Sortimenten wirklich in jedem Fall sinnvoll ist, es in thematisch eng begrenzte Angebote aufzuteilen, technisch wie auch immer gelöst. So wurde vor nicht allzu langer Zeit noch die These vertreten, den Kunden ein möglichst komplettes Angebot an einem Ort zu bieten, damit er nicht zwischen mehreren Fundstellen switchen muss.
BTW kann man einen komplexen Shop auch so strukturieren, dass er wie ein Kaufhaus in klar definierte Fachabteilungen gegliedert ist. Mit den heutigen Mitteln sollte es auch problemlos möglich sein, dem Kunden den Seiteneinstieg in den Shop direkt zu seinen Interessenzielen leicht zu ermöglichen.
Wir haben vor einiger Zeit drei Nischenshops eines Händlers, der damit seit 1999 online war, in einem nach Fachbteilungen strukturierten Shop zusammengefasst mit dem Ergebnis, dass die Konversionsraten sehr deutlich anstiegen und der Umsatz sich binnen eines Jahres fast verdoppelte.
Peter meint
Um diese Konversions- und Umsatzsteigerung besser einschätzen zu können wäre es interessant zu wissen was dabei noch alles geändert wurde – z.B. Usability.
Unter http://www.shopanbieter.de/news/archives/2495-best-case-umsatztreiber-shopdesign.html findet man ja einen Hinweis zu einem Best case „Shop-Design“. Auch hier wurden deutliche Umsatz- und Konversionsratensteigerungen festgestellt, nur durch Änderung des Designs. Leider konnten wir die Studie damals nur bei einem Shop machen.
Und dann ist natürlich die Frage, auf welchem Niveau die Zahlen vorher waren.
Arthur W. Borens meint
Die Usability hat sich nicht grundlegend geändert. Es wurde zwar eine andere Software hergenommen, aber Menustrukturen, Suchmöglichkeiten, Inhalte und Bestellablauf haben sich nicht geändert. Einzige signifikante Änderung: Der Kunde muss nicht mehr in 3 getrennten Shops suchen.
Natürlich sind die Umsatzzahlen der alten Shops interessant. Die lagen schon seit Jahren in einem Bereich, der in dieser Branche als gut zu bezeichnen war. Mit stets steigender Tendenz. Der große Umsatzsprung hat gezeigt, dass die Entscheidung zur Zusammenführung der Shops richtig war.
Ein „best case“ Shopdesign halte ich für Wunschdenken. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen, die Erwartungen und die Geschmäcker. Ich gehe sogar so weit, in dieser Hinsicht verschiedene Branchen ggf. ganz unterschiedlich zu bewerten.
Das „best case design“ an nur einem einzigen Fall festzumachen ist mehr als gewagt. Sowas ist nur aussagefähig, wenn eine breite Studie angelegt wurde.
Es gibt auch erfolgreiche Shops, die ganz bewusst vom Mainstream und so genanten „best cases“ abweichen. Vielleicht liegt der Erfolg gerade darin, dies wirklich gut und für die User interessant zu machen.
So wünsche ich mir noch viele außergewöhnliche Shops, die vom Einheitsbrei der XTCs und Konsorten deutlich abweichen und wieder Abwechslung in die Sache bringen. Dazu bedarf es nur ein paar mutiger Shopbetreiber mehr, die nicht jedes Hochgelobe von „best cases“ glauben.
Unsere Zivilisation ist ja auch nicht durch das Einhalten von „best cases“ enstanden, sondern durch das permanente Ausloten der Grenzen des Machbaren. Wobei sich natürlich auch die philosophische Frage aufwirft, ob unsere Zivilisation nun wirklich die Erstrebenswerteste ist. 😉
Peter meint
Das der Best case nur bedingt aussagekräftig ist, wurde ja seinerzeit schon rauf und runter diskutiert. Gilt jedoch auch für Ihr Praxisbeispiel. Dennoch finde ich es interessant.
Arthur W. Borens meint
Ja klar, und alles zusammen zeigt doch, dass es nicht „die Lösung“ gibt und der „best case“ immer das ist, was im jeweiligen Einzelfall am besten funktioniert. Natürlich gibt es standardisierte Wege, gewisse Optimierungen durchzuführen. Natürlich ist es auch interessant, zu experimentieren und Erfahrungen zu sammeln. Und gerade so volatile Dinge wie E-Commerce erfordern dies sogar.
Hans Ophüls meint
Hierzu noch eine Ergänzung. Auch ShopPilot bietet eine Multistore Multidomainlösung an. Viele neue Projkte setzen auf diese Basis auf, weil sie einen Mehrwert bietet.
Es gibt hier zwei unterschiedliche Ansätze zur Nutzung dieser Technologie.
Einmal als Multiplikator für den eigenen Shop. Indem man ein tiefes Sortiment auf kleinere spezialsiert Shops verteilt. Man hat z.B. einen Shop „www.shopxy.de“ der das volle Sotiment bietet. Zusätzlich und mit quasi Null Aufwand bekommt man einen Shop „barcodescanner.shopxy.de“ und dies analog für z.B. 20 weitere Produktgruppen.
Der Kunde der wirlich ausschließlich einen Barcodescanner sucht ist bei „barcodescanner.shopxy.de“ besser aufgehoben, weil es einfach übersichtlicher ist. Natürlich hätte die Domain auch nur „barcodescanner.de“ heißen können, falls die noch frei wäre.
Auch SUMA technisch ergeben sich deutliche Vorteile, weil der Suchbegriff im Domainnamen auftaucht und der Linkaufbau falcher ist.
DIe zweite Nutzungsmöglichkeit, die wir kennen ist den Shop mit verschiedenen Identitäten und Design zu versehen. Dies ist oft ein Thema für den Großhandel, der seinen Kunden zentral administrierte Shops zur Verfügung stellen möchte. Das hat auch etwas mit Dropshipping zu tun.
Neben diesen beiden Richtungen, gibt es durchaus auch Mischformen.
Peter Wenland meint
Wir haben in der letzten Zeit viele Erfahrungen auch gerade mit dem Thema Multishops gemacht und es hört sich natürlich am Anfang alles sehr gut an, man hat aber extreme Probleme in der Skalierung dieses Modells. Das liegt zum einen daran, dass Jeder Shop bzw. die Nutzer jedes Shops unterschiedlich angesprochen werden müssen. Zudem werden pro Shop oft Sonderlösungen konzipiert, die dann nicht mehr in den Kontext des Multishops passen, weil es einfach nicht sinnvoll ist, da die anderen Shops ja dann oft auch diese „Extension“ annehmen müssen. Ich finde es ein schwieriges Thema und würde immer so einer 1-1 Lösung tendieren.