„Existenzgründung mit dem eigenen Internetgeschäft“ lautet der Untertitel des über 4 cm dicken Hardcover-Schmökers von Simone Janson und Gabriele Frankemölle, erschienen in der Reihe „Das große Buch“ bei Data Becker.
Diesen Untertitel sollte man beachten, will man nicht falschen Vorstellungen aufsitzen: Das Buch enthält nämlich nur im sehr geringem Umfang das Rüstzeug, das es braucht um einen Onlineshop erfolgreich zu machen. Weit mehr Raum nimmt dafür der Bereich Existenzgründung ein.
Alle Aspekte des „Selbstständig machens“ systematisch erläutert
Das Buch startet ganz richtig damit, dem eventuell allzu optimistischen Leser den „Leichtsinns-Zahl“ zu ziehen:
„…viele Shopanbieter und Mietshop-Provider [erwecken] gern den Anschein, dass sich ein Onlinegeschäft im Handumdrehen aufziehen lässt, kinderleicht zu bedienen ist und quasi automatisch Geld einbringt.
Tut es leider nicht – das ist die schlechte Nachricht. Die gute lautet: Ein Webshop bietet tatsächlich bei überschaubarem finanziellen Einsatz die Chance, sich eine Existenz aufzubauen. Es geht allerdings nicht ohne eine gute Geschäftsidee und schon gar nicht ohne Aufwand.
Hier setzt das Buch an und erklärt systematisch, was dazugehört, um sich mit einem Webshop selbstständig zu machen. Prima dabei ist, dass wirklich das ganze „Rundherum“ – von der Gewerbeanmeldung bis zur Rechtslage rund um das Homeoffice erläutert wird. Auch an Themen wie die Erstellung eines Businessplanes, das Einwerben von Förderungen und die nötigen bzw. sinnvollen Versicherungen wurde gedacht.
Leider kommt aber das eigentliche Kernthema – die Shopstrategie – zu kurz. So wird zwar erklärt, dass die schlagende Strategie das Wichtigste ist und es werden Techniken zur Ideen-Entwicklung (Mindmapping und Co.) erläutert, dann wird der unbedarfte Leser aber mit einigen Recherchtipps mehr oder minder allein gelassen.
Natürlich kann es nicht Aufgabe des Buches sein, fertige Strategien zu liefern – doch wenn man sich schon an absolute Anfänger wendet, sollten doch einige Beispiele dafür, was geht und was (heutzutage) nicht (mehr) funktioniert, als erläuternde Handreichung drin sein.
Dies ist hier nicht bzw. sehr unsortiert enthalten: So wird anfangs davon ausgegangen, dass der Leser von „seinem Produkt“ ausgehend denkt, danach wird jedoch dazu aufgefordert, sich einen Trend zu suchen, um diesen zu bedienen (Beispiel „Megatrend Alter => Kosmetikprodukte für Ältere anbieten“) und deutlich weiter hinten im Buch wird die Möglichkeit des Franchizings beschrieben. Davor ist aber bereits der Businessplan geschrieben worden…
Wie der erstellt wird – und womit man Finanzgeber überzeugen kann, erläutert das Buch ausführlich. Dabei werden auch die nötigen Kalkulationen genau erklärt – nur leider nicht am Beispiel eines Onlineshops. Statt zu listen, wo hierbei welche Kostenblöcke anfallen, gibt es nur eine ganz allgemeine Finanzbedarf-Tabelle.
Um einen erfolgreichen Online-Shop geht es erst im zweiten Buchteil
Onlineshop-spezifisch wird es erst im zweiten Teil des Buches, der mit der Auswahl der „Shop-Art“ startet. Gemeint sind hier die unterschiedlichen Umsetzungsarten von klassischen Produktverkaufs-Shops – vom reinen Bestellformular, über ebay-Shops, Mietshop, Kauf- oder OS-Shop bis hin zum „maßgeschneiderten Shop“. Nach diesen prinzipiellen Unterscheidungen und Marktübersichten haben die Autorinnen dankenswerterweise systematische Kriterien zur Entscheidungsfindung gesetzt und geben hierbei auch hilfreiche Beispiele.
Schritt-für Schritt-Anleitungen zur Umsetzung eines Shops mit ebay, Strato und shop to date 6
Im Folgenden wird die Umsetzung eines eBay-Shops, eines Strato-Webshops sowie eines Shops mit shop to date 6 jeweils Schritt für Schritt durchgespielt.
Es bleiben nun noch gute 200 Seiten für die Beschreibungen zur Optimierung des Shopalltags inkl. Warenwirtschaft, Kundenmanagement, Rechnungswesen und Sicherungsmaßnahmen sowie Controlling, Marketing und Rechtliche Gegebenheiten. Allein dies zeigt schon, dass diese für Erfolg oder Nicht-Erfolg maßgeblichen Bereiche eines Onlineshops extrem kurz kommen.
Die relevanten Shopthemen wie Payment, Marketing und Controlling werden nur angerissen
So werden alle Themen hier nur angerissen: Mögliche Zahlarten werden aufgelistet, aber praktisch nichts zu ihren Eigenarten und gar nichts über ihre Kosten, geschwiege denn Zielgruppen- oder Produkttauglichkeit geschrieben. Beim Webcontrolling geht es gerade noch um Traffic, Conversions und erfolgreiche Keywords – Ziele und effektive Kostenkontrolle fallen unter den Tisch.
Für das gesamte Thema Marketing – inkl. eines Workshops „Newsletterversand mit mail to date“! – stehen gerade einmal 70 Seiten zur Verfügung, dann folgt bereits das Thema Rechtsfallen auf den letzten 35 Seiten. Womit auch klar ist, dass auch hier Verknappungen nötig waren, die gefährliche Unschärfen oder sogar echte Fehler erzeugen: So wird auf Seite 673 in einer „Checkliste für korrekten Newsletterversand“ gefragt:
Gerade Anfängern müsste hier aber klar gesagt werden, dass nach dem Datenschutzrecht weitere Daten neben der Mailadresse höchstens freiwillig abgefragt werden dürfen! Bezüglich des Widerrufsrechts schreiben die Autorinnen gar:
Da können sich einem schon die Nackenhaare aufstellen, denn hier geht schlicht einiges durcheinander: Zunächst gilt bei Nicht-Belehrung schlimmstensfalls keine 6-Monats-Grenze, sondern bei fehlerhafter Belerung sogar eine unendliche Widerrufsfrist. Und wenn man eine Abmahnung bekommt, dann sicherlich jedoch nicht vom Kunden (und verlieren sollte man die eh nicht ;-)) Hier hätte der Verlag gut daran getan, noch einmal einen Anwalt über die Inhalte des juristischen Teils gucken zu lassen, das hätte auch Missverständlichkeiten wie diese verhindert:
Bei den AGB wird auf Seite 710 geraten, eine aktive Akzeptierung durch die Kunden so einzurichten, dass „Ihr Kunde im Rahmen seiner Anmeldung oder seiner ersten Bestellung die AGB absegnen muss“ – sehr missverständlich für Anfänger, die dann die AGB bei Folgebestellungen ggf. nicht mehr absegnen lassen!
Gut für die Existenzgründung, lückenhaft bei den Shopthemen
Insgesamt wird das Buch eher seinem Untertitel gerecht, der Haupttitel jedoch führt in die Irre: Ein erfolgreicher Onlineshop lässt sich mit den sehr allgemein und simpel gehaltenen Ratschlägen aus diesem Buch nicht aufsetzen.
Da verweise ich lieber auf unser eigenes Standardwerk, den „Leitfaden für Shopeinsteiger“. Der ist zwar auch nur gute 100 Seiten stark, dafür aber aus der Praxis geschrieben und auf die erfolgskritischen Themen fokussiert. Und zudem gratis als eBook erhältlich (oder für 24,90 Euro als Druckwerk bei Amazon).
Fazit: Wer in die Selbstständigkeit starten will, findet im Data-Becker-Buch viel Lesestoff rund um die Existenzgründung – wer seinen Onlineshop auf Erfolg trimmen will, sollte die Themen des zweiten Buchteils aber unbedingt mit weiterem Lesestoff, wie unserem „Leitfaden“ vertiefen, bevor er Geld, Zeit und Ideen womöglich in den Sand setzt.
Herzlich aus Hürth
Nicola Straub
Aufgepasst: Wir verlosen wieder das Rezensions-Exemplar!
Unter allen Kommentaren und Pingbacks, die bis zum 30. September 2010, 23:59 Uhr bei uns eingehen, ziehen wir im Oktober den glücklichen Gewinner/die glückliche Gewinnerin, die das Existenzgründungsbuch aus dem Data Becker Verlag von uns zugesendet erhält. Es entscheidet das Los, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Christian meint
Ich denke das Thema Online-Handel ist einfach zu komplex und vor allem zu undurchsichtig um es wirklich treffend in einem Buch abzuhandeln.
Fragt man 3 Leute zur richtigen Strategie erhält man 4 Antworten. Für den einen ist Marketing der Schlüssel, für den anderen das Design und jemand anders sieht vielleicht in der Logistik den Knackpunkt usw.
Dazu die ganzen rechtlichen Themen bei denen es alle paar Wochen was neues gibt und Rechtssicherheit die Ausnahme ist…
Ich denke es gibt nicht die Stragtegie schlecht hin, sondern ganz viele die je nach Gegenheiten erfolgreich sein können (oder eben nicht).
Letztendlich muss jeder seine eigene Strategie finden oder er-finden, dabei heißt es aber nicht in einen Tunnelblick zu verfallen und ggf. frühzeitig die Reisleine zu ziehen. Denn auch mit einem Online-Shop kann man sich böse in die Schuldenfalle manövrieren, da fallen schnell mehr Kosten an als zunächst ersichtlich.