Eine ganz entscheidene Methode von Abmahnern ist das Ausnutzen des "Fliegenden Gerichtstandes", nachdem bei Medien, die in ganz Deutschland genutzt werden können, der Abmahner den Gerichtsort unabhängig vom eigenen Standort wählen kann. So werden von Abmahnern oft als "besonders verbotsfreudig" bekannte Gerichte wie in Hamburg oder Berlin ausgewählt, um Abmahnungen durchzubringen. Laut einer Pressemitteilung des Autoren-Magazins (via Montsegur Autoren Forum) werden oft sogar mehrere Gerichte angerufen:
"(der Antragssteller) kann in rechtsmissbräuchlicher Weise sogar Anträge auf Einstweilige Verfügung bei verschiedenen Gerichten gleichzeitig oder nacheinander stellen – von den abgewiesenen oder nach richterlichem Hinweis zurückgezogenen Anträgen erfährt der Antragsgegner normalerweise nie etwas – geradezu eine Einladung zum Rechtsmissbrauch.
Eine Eingabe an den Petitionsausschuss zielt nun darauf, diese Regelung abzuschafen.
Die Heise-Zeitschrift Telepolis beschreibt die Auswirkungen des Fliegenden Gerichtsstandes am Beispiel Hamburg so:
Ist eine Zeitung mit nur einem einzigen Exemplar im Hamburger Bahnhofskiosk vertreten, reicht dies aus, um die Hamburger Kammer zuständig zu machen. Hat man sich in irgendeiner Weise im Internet geäußert, so kann man die Äußerung praktisch überall abrufen, und "überall" heißt meistens Hamburg. Wer also etwa in Freiburg seinen Nachbarn wegen eines unliebsamen Kommentars in einem Freiburger Internetforum verklagen will, darf vor den Hamburger Kadi ziehen.
Selbst die kleinste Nichtigkeit wird in Hamburg verboten Vor allem in Hamburg wurde nach der Stolpe-Entscheidung die viel kritisierte Rechtspraxis entwickelt, mehrdeutige Äußerungen zulasten des Äußernden auszulegen. Da sich die Hamburger Bräuche herumgesprochen haben, klagt dort in Pressesachen die halbe Republik – inklusive Österreich, Schweiz, Monaco und was sonst noch so zum Landkreis Hamburg gehört.
Manfred Plinke vom Autoren-Magazin hatte von solcherlei "faktischer Aushebelung des Presserechtes" die Nase voll und machte eine Eingabe beim Petitionsausschuss. Die Kernforderungen Plinkes fasst Telepolis so zusammen:
Die zuständigen Gerichte bei Anträgen auf einstweilige Anordnung, die die Presse- und Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz (GG) betreffen, (sollten) insbesondere prüfen,
- ob bereits eine Abmahnkorrespondenz vorliegt (und diese dann natürlich berücksichtigen müssen, anstatt wie bisher allein aufgrund des (oft erlogenen) Vortrags des Antragstellers zu entscheiden),
- ob Rechtsfähigkeit und Legitimierung des Antragstellers hinreichend nachgewiesen ist (und damit u.a. Phantomkläger ausschließen, gegen die man ggf. auf den Prozesskosten sitzen bleibt),
- ob bei redaktionellen Inhalten das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) angewendet werden darf (mit dem einem Betroffenen wirtschaftlich zugesetzt werden kann, was bei Angelegenheiten betreffend der Meinungsfreiheit meist sachfremd ist),
- ob in diesen Fällen nicht stets eine mündliche Verhandlung angesetzt werden soll (zu der es bei Einlegung von Widerspruch sowieso kommt).
Der Petitionsausschuss nahm die Sache positiv auf und stellte die Petition den Bundestag-Fraktionen und der Justizministerin zu. Letztere geht allerdings eher halbherzig an die Sache heran: Zwar hat sie nun eine Befragung der Interessensverbände gestartet, die mitteilen sollen, wie sie eine Abschaffung des Fliegenden Gerichtstandes sehen würden. Das Anschreiben enthält allerdings nicht alle Punkte aus Plinkes Forderung. Und noch fataler: Der Adressverteiler hat Schieflage, denn er enthält vorweigend Profiteure des Fliegenden Gerichtsstandes, wichtige Gegner fehlen laut Telepolis.
So sehr also die Hoffnung erfreut, dass nach Plinkes Initiative diese unsinnige und schädliche Regelung eventuell endlich abgeschafft werden könnte, in trockenen Tüchern ist dies noch lange nicht. Und vielleicht ist es sogar sinnvoll, der Justizministerin mitzuteilen, wie wichtig dieser Schritt wäre. Die Anschrift nennt der wirklich lesenswerte Telepolis-Artikel…
Herzlich aus Hürth
Nicola Straub